Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Klimaschutzgesetz ist verfassungswidrig
Richter sehen Freiheitsrechte junger Generationen gefährdet – Regierung muss nachbessern
- Selbst die Kläger schienen vom Urteil überrascht zu sein. „Die großen Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden erst langsam realisiert“, hieß es bei den Umweltverbänden hinterher. Tatsächlich können sie einen Sieg feiern, der von historischer Tragweite sein könnte: Die Karlsruher Richter haben die Klimapolitik der Bundesregierung für teils verfassungswidrig erklärt.
Beanstandet wird das Klimaschutzgesetz der Großen Koalition. Es legt für einzelne Bereiche wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude fest, wie viel CO2 sie in welchem Jahr ausstoßen dürfen. Dieses Gesetz aber, so das Verfassungsgericht, verstößt gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Die Regierung gehe darin sehr nachsichtig mit den Menschen von heute um, weswegen kommende Generationen um so gravierendere Einschränkungen hinnehmen müssten.
So sieht das Gericht zwar keinen Verstoß gegen die „grundrechtlichen Schutzpflichten“, auch keinen Verstoß gegen das Klimaschutzgebot an sich. Weil die Vorgaben aber die Hauptlast der CO2-Einsparungen, zu denen man sich mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat, auf nach 2030 verschieben, würden die teils „sehr jungen Beschwerdeführenden“in ihren Freiheitswerten verletzt. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“, heißt es in der Erklärung. Künftig, so die Richter, könnten gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas gerechtfertigt sein. Die Regierung müsse bis Ende 2022 Vorkehrungen treffen, um die Lasten abzumildern.
An Vorschlägen dazu mangelt es den Umweltverbänden nicht: Ein schnellerer Ausstieg aus der Kohle müsse her und ein Tempolimit auf Autobahnen, die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 müsse gestoppt, öffentliche Gebäude saniert werden. Die GroKo hingegen dürfte sich schwertun. So begann bereits kurz nach Bekanntwerden des Urteils ein Hauen und Stechen, wer für die Ohrfeige aus Karlsruhe verantwortlich sei. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) versuchte, den Schwarzen Peter in die Tasche des gleichnamigen Wirtschaftsministers Altmaier (CDU) zu schieben. Der wiederum verwies auf seine Vorschläge von vergangenem Herbst, die die jährlichen CO2-Einsparungen – wie vom Gericht gefordert – festlegen würden, die aber mit der zweiten Corona-Welle untergegangen sind. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte eine Reform des Klimaschutzgesetzes bis zum Sommer an.