Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Stadt schreibt Testpflicht für Kindergartenbesuch vor
Negativer Corona-Test gilt als Voraussetzung – Besorgte Eltern schreiben offenen Brief an die Bürgermeisterin
- Wenn die 14 kirchlichen und städtischen Kindertageseinrichtungen in Bad Saulgau in noch nicht absehbarer Zeit wieder für den Regelbetrieb öffnen dürfen, setzt die Stadt Bad Saulgau für den Kindergartenbesuch einen negativen CoronaTest im jeweiligen Kindergarten voraus. Damit sind nicht alle Eltern einverstanden. Zwei Familien aus Hochberg haben stellvertretend für besorgte Eltern in einem offenen Brief an Bürgermeisterin Doris Schröter ihre Bedenken geäußert und eine Online-Petition gestartet – mit bislang fast 450 Unterstützern.
Sarah und Holger Kleck aus Hochberg sind Eltern von drei kleinen Kindern. Zwei davon im Alter von vier und fünf Jahren besuchen den Kindergarten St. Franziskus. Der vierjährige Sohn von Sarah Klecks Schwägerin Marie-Theres Kleck besucht den Waldkindergarten „Beim schönen Moos“. In ihrem offenen Brief hinsichtlich der Corona-Testpflicht für Kindergartenkinder schreiben die Eltern, „dass sie mit großer Besorgnis die Entwicklung der Maßnahmen bezüglich der Corona-Krise in Bad Saulgau wahrnehmen“. Bis heute, so heißt es in dem offenen Brief, sei nicht abschließend geklärt, inwiefern diese Antigentests überhaupt zur Diagnostik herangezogen werden könnten. Noch viel weniger sei geklärt, ob Kinder überhaupt, und vor allem in welchem Ausmaß, Überträger sein könnten. Ebenso unklar sei, ob asymptomatisch positiv getestete Personen eigentlich einen Anteil an der Weiterverbreitung haben würden.
Bereits in der ersten Woche, in der in den Kindergärten nur Kinder mit Zustimmung der Eltern getestet wurden, seien falsch positive Tests ausgewertet worden, was eine sofortige Schließung der jeweiligen Gruppe und die Quarantäne für sämtliche Kontaktpersonen zur Folge hatte. Dies lässt aus Sicht der Eltern darauf schließen, „dass das Konzept noch überhaupt nicht ausgearbeitet ist“. Und deshalb stellen die Eltern die Fragen? Was passiert mit einem positiv getesteten Kind? Wird es augenblicklich isoliert und von der Gruppe abgesondert, bis ein Elternteil kommt, um es abzuholen? Können auch nur annähernd die entwicklungspsychologischen Folgen einer solchen Ausgrenzungserfahrung abgeschätzt werden? Oder können gar Traumata entstehen, wenn gesunde Kinder ständig mit der Angst leben müssen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt? Was macht das mit den Kindern, wenn nicht mehr ihr eigenes Empfinden, sondern das zweite Strichlein auf einem Stück Plastik darüber entscheidet, ob sie gesund sind oder krank?
Daher bitten die Eltern die Verwaltung inständig darum, „die Einführung der Testpflicht für Kindergartenkinder nochmals gründlich zu überdenken und auch kritische Studien und Kinderärzte, die sich ebenfalls besorgt dazu äußern, anzuhören und zu Rate zu ziehen“. Sollte es bei der Testpflicht bleiben, wünschen sich die Eltern, ihre Kinder im häuslichen vertrauten Umfeld testen zu können. Holger Kleck macht im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“nochmal deutlich, „dass wir weder Coronaleugner noch Verschwörungstherotiker sind“. Ihm und seiner Frau gehe es vor allem darum, die Testpflicht kritisch zu hinterfragen. Sarah Kleck jedenfalls will ihre beiden Töchter nicht in den Kindergarten schicken, falls eine Testpflicht vorgeschrieben wird.
Die Stadt Bad Saulgau teilt indes mit, dass in den Kitas in Bad Saulgau bereits fleißig getestet werde, aktuell noch auf freiwilliger Basis. Klar ist aber: Wenn im Laufe des Monats Mai die Kindergärten nach dem Bundeslockdown wieder für den Regelbetrieb öffnen können, ist ein Kitabesuch nur dann möglich, wenn ein negativer Coronatest vorliegt. „Nur durch konsequentes Testen gibt es eine Perspektive, dass unsere Kitas offen und funktionsfähig bleiben und die Kinder baldmöglichst wieder einen normalen Alltag erleben dürfen. Und das wollen wir schließlich alle“, sagt Bürgermeisterin Doris Schröter. Der überwiegende Teil der Eltern befürworte das Testen und mache Gebrauch von den bestehenden Testmöglichkeiten. Denn ein Schnelltest trage zum einen dazu bei, dass Infektionsketten frühzeitig erkannt und unterbrochen würden. Und er bringe gleichzeitig für alle Beteiligten mehr Sicherheit. Vielen Eltern sei dies ein großes Anliegen, genauso wie den Erzieherinnen. Die
Tests können dabei kindgerecht mit Bildern, Videos oder im Spiel erklärt werden.
Dieser Testmodus bleibe, so die Verwaltung, im Grundsatz bestehen. Geklärt werden müssen noch einige Fragestellungen. Vorgesehen war zunächst eine Testung pro Woche, aufgrund der vorliegenden Fakten, was die Ansteckung von Kleinkindern anbelangt und der erneut im Kreis steigenden Zahl der Infizierten, sehen sich die Kindergartenträger dazu veranlasst, eine zweimalige Testung pro Woche anzustreben. Dabei können die Eltern die Angebote der Kitas nutzen oder aber aktuelle Nachweise über das Testergebnis von Dritten (Ärzte oder Apotheken) vorlegen. Und klar ist auch: „Ein zu Hause selbst vorgenommener Test kann nicht anerkannt werden“, heißt es weiter in der Pressemitteilung.
Zum Einsatz kommen zwei Testtypen. Die sogenannten Lolli-Tests, die insbesondere bei den jüngeren Kindern verwendet werden sollen. Dabei muss 15 bis 30 Sekunden lang an einem Wattestäbchen gelutscht werden, das anschließend in die Probelösung getaucht und ausgewertet wird. Bei den älteren Kindern können auch „Nasenpopel-Tests“eingesetzt werden. Diese seien ebenfalls harmlos, die Anwendung denkbar einfach.
Das Gesundheitsamt des Landkreises Sigmaringen teilt indes auf Anfrage der SZ mit, „dass es aktuell nicht mehr erforderlich, im Falle einer Infektion die komplette Einrichtung zu schließen“, sagt Amtsleiterin Dr. Susanne Haag-Milz. Es werde ermittelt, welche Kinder und Mitarbeitenden wie eng mit dem Infizierten in Kontakt waren. Alle engen Kontaktpersonen sowie der oder die positiv Getestete müssten dann in Quarantäne. Damit ist die Situation anders als vor Ostern. „Das Infektionsgeschehen konzentriert sich nicht mehr so stark auf Schulen und Kindergärten. Vor allem ist es aber so, dass Infektionen in den Einrichtungen durch regelmäßige Testungen viel frühzeitiger aufgedeckt werden können. Konsequente regelmäßige Testungen helfen also, dass im Falle einer Infektion nicht sofort und automatisch die komplette Einrichtung geschlossen werden muss“, ergänzt Haag-Milz.