Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Hoffnung kehrt zurück
Impfung über Firmen soll ab Anfang Juni möglich sein – Tourismusbeauftragter Bareiß optimistisch für Sommerurlaub in Europa
- Der positive Trend der letzten Tage setzt sich fort – die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist in Deutschland weiter rückläufig. Sogar der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach – sonst einer der schärfsten Kritiker von Lockerungen der Corona-Maßnahmen – sieht Chancen auf ein baldiges Ende der dritten Welle. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Ist die dritte Welle bald gebrochen?
Die Kliniken in Deutschland spüren nach Einschätzung des Chefs der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, jedenfalls „eine erste, leichte Entlastung“. Mit Blick auf die Infektionszahlen sei er zuversichtlich, „dass wir auch beim Zuwachs der Intensivpatienten bis auf Weiteres keinen exponentiellen Anstieg befürchten müssen“, sagte er der „Bild-Zeitung“. Auch der SPDPolitiker Lauterbach ist angesichts der in den vergangenen Tagen leicht gesunkenen Inzidenzwerte optimistisch. „Ich gehe davon aus. Dass ab Mitte-Ende Mai die Fallzahlen deutlich sinken werden. Dann können wir sagen, wir haben die dritte Welle besiegt“, betonte er.
Wie geht es mit dem Impfen voran?
Für Arztpraxen und Betriebsärzte werden im Juni wöchentlich jeweils mehr als drei Millionen Dosen des Impfstoffes von Biontech/Pfizer erwartet. Nach 3,4 Millionen Dosen in der Woche ab 31. Mai sollen für drei Wochen jeweils mehr als 3,6 Millionen folgen und in der Woche vom 28. Juni dann mehr als 3,7 Millionen. Im Mai sollen die Praxen laut einer Lieferprognose (Stand 30. April) jeweils 1,6 Millionen Dosen pro Woche von Biontech bekommen und in den ersten beiden Mai-Wochen zusätzlich jeweils mehr als eine Million Dosen des Präparats von Astrazeneca. Die Impfzentren sollen im Mai und Juni vorerst weiter mehr als zwei Millionen Dosen pro Woche bekommen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt sagte: „Ich bin überzeugt, dass wir jetzt zügig eine ausreichend große Zahl von Menschen werden impfen können, um ein deutliches Abfallen der Infektionsraten zu erreichen.“Mögkungen lich seien sogar mehr als 70 Prozent der Bevölkerung – dies gilt als Marke für einen Schutz der ganzen Gesellschaft. Dabei gebe es einen Teil, der lieber vom Hausarzt geimpft werden möchte, sagte Reinhardt. „Diese Menschen vertrauen ihrem Doktor, den sie seit Jahren kennen.“Dieser Faktor wirke erheblich im Hinblick auf jene, die noch Zweifel haben.
Bekommen Geimpfte bald überall ihre Rechte zurück?
Wenn es nach Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) geht, ja. Sie hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der unter anderem vorsieht, dass nächtliche Ausgangssperren nicht mehr für Geimpfte und Genesene gelten. Auch an Kontaktbeschrän
sollen sie sich nicht mehr halten müssen; sie könnten sich also in beliebiger Zahl draußen oder in Wohnungen treffen. Daneben sollen Geimpfte und Genesene beim Zugang zu bestimmten Leistungen (etwa beim Einkaufen) mit Getesteten gleichgestellt werden. Und nach der Einreise aus Risikogebieten sollen sie in der Regel nicht in Quarantäne müssen. In Baden-Württemberg und Bayern gilt das bereits. Dort müssen sich geimpfte, symptomlose Personen auch nicht mehr in Absonderung begeben, wenn sie Kontakt zu einem Covid-19-Fall hatten.
Wie ist der Zeitplan?
Lambrecht will, dass die Verordnung „so schnell wie möglich“in
Kraft tritt. Das könnte heißen: An diesem Mittwoch beschließt die Bundesregierung die Verordnung, am Donnerstag würde der Bundestag zustimmen und am Freitag, 7. Mai, der Bundesrat. Dagegen hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zunächst die übernächste Bundesratssitzung am 28. Mai als Ziel genannt. Er nahm dabei auch auf zögerliche Bundesländer Rücksicht, die Einschränkungen für Geimpfte erst aufheben wollen, wenn sich alle (erwachsenen) Bürger impfen lassen können. Inzwischen ist auch Spahn für ein schnelleres Vorgehen offen. Für eine schnelle Verabschiedung der Verordnung spricht, dass die Bundespolitik auf diesem Weg vielleicht eine mögliche Intervention
des Bundesverfassungsgerichts abwehren könnte. Viele der weit über 100 Verfassungsbeschwerden gegen die Bundes-Notbremse monieren, dass diese keine Ausnahmen für Geimpfte vorsehe.
Führen Freiheiten für Geimpfte nicht zu neuen Ungerechtigkeiten?
Das befürchtet Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Noch seien 90 Prozent der Deutschen nicht vollständig durchgeimpft. Erst im Juni sei „ein Stadium erreicht, in dem wir Geimpften gut begründet Rechte zurückgeben können“, sagte er. Sollten Geimpfte ihre Rechte zurückbekommen, forderte der Vorsitzende der Mittelstandsund Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann
gleiche Bedingungen für Getestete. „Wer einen aktuellen Testnachweis vorlegen kann, muss wieder im Restaurant sitzen und ein Hotelzimmer oder eine Ferienwohnung buchen können“, sagte er.
Auch Betriebsärzte sollen bald impfen können. Wann geht es los?
Wahrscheinlich am 7. Juni. Vorgesehen sind dann laut Bundesgesundheitsministerium mindestens 500 000 Impfdosen pro Woche, mit denen Beschäftigte in den Betrieben geimpft werden sollen. Nach Einschätzung von Minister Spahn wird dann genug Impfstoff für alle da sein. „Bereits in ein paar Wochen werden wir voraussichtlich mehr Impfstoff haben als Terminanfragen“, sagte er. Viele Unternehmen machen sich schon bereit. So plant die Deutsche Bahn bundesweit mindestens zehn Impfzentren. Beim Versicherungskonzern Allianz sollen 27 Impfstraßen an 15 Standorten vorbereitet sein. Beim Autozulieferer Continental könnten sich nach Unternehmensangaben täglich mehr als 1000 Mitarbeiter impfen lassen.
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, Thomas Bareiß, macht Hoffnung auf Sommerurlaub. Wie begründet er das?
Sommerurlaub innerhalb Europas sei möglich, wenn es „entsprechende Vorkehrungen“gebe, sagte der CDU-Politiker. Er sehe bereits im Testen eine große Chance, setze aber vor allem Hoffnungen in den europaweiten digitalen Corona-Immunitätsausweis. Der soll Ende Juni/Anfang Juli kommen. Am Wochenende erschienen jedoch Medienberichte, denen zufolge der Ausweis nicht fälschungssicher sei und deshalb nachgebessert werden solle.
Auf Sylt tummeln sich plötzlich die Touristen. Wie ist das möglich?
Die Insel Sylt gehört mit dem Landkreis Nordfriesland (7-Tage-Inzidenz um die 40) zu einem Modellprojekt, mit dem Schleswig-Holstein Tourismus unter Corona-Bedingungen testen will. Seit Anfang Mai sind dort wieder Übernachtungen in Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen erlaubt. Auch die Gastronomie ist geöffnet.