Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Hagel soll Schaden begrenzen
Der Ehinger soll die CDU-Fraktion im Landtag führen – Was ihn erwartet
- Vor fünf Jahren war Manuel Hagel noch Filialdirektor der Sparkasse in Ehingen. Mit dem Sprung in den Landtag begann sein bemerkenswerter Aufstieg in der baden-württembergischen Landespolitik. Am Dienstag soll der Ehinger nun zum Chef der CDU-Fraktion im Stuttgarter Parlament gewählt werden. Entsprechende Berichte bestätigten mehrere Mitglieder aus Fraktion und Regierungsumfeld der „Schwäbischen Zeitung“. Hagel gilt als das Gesicht der Zukunft der CDU im Südwesten, seine Anhänger versprechen sich von ihm den Neuanfang, nach dem sich die Partei spätestens seit der bitteren Niederlage bei den Landtagswahlen sehnt. Der amtierende Fraktionschef Wolfgang Reinhart (65) kommt dagegen wohl nicht an – und macht Platz.
In einer E-Mail an alle Abgeordneten schlägt Amtsinhaber Reinhart eine Neuwahl des Fraktionschefs für Dienstag vor. In dem Schreiben, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, heißt es: „In unserer Sitzung am Dienstag, 4. Mai, werden wir mit Blick auf die Präsentation des Koalitionsvertrages am Folgetag die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen gemeinsam beraten. Ich schlage vor, dass wir in dieser Sitzung dann auch die Wahl eines/einer neuen Fraktionsvorsitzenden vornehmen. Wir machen damit den ersten Schritt unserer Teamaufstellung in Fraktion und Regierung für die gemeinsame Arbeit in der neuen Koalition.“Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“wollten sich weder Reinhart noch Hagel öffentlich zum Thema äußern, doch Abgeordnete wie das Umfeld der Fraktion sehen darin den klaren Hinweis: Reinhart will freiwillig auf sein Amt verzichten und den Weg für Hagel freimachen.
Zwar wird es so wohl keine Kampfabstimmung geben, dennoch war der Nominierung ein Machtkampf vorangegangen. Schließlich wäre Wolfgang Reinhart gerne Fraktionsvorsitzender geblieben. Doch bereits am Montag nach der Landtagswahl hatte sich angedeutet, dass er den Posten nicht über die nächste Legislaturperiode hinweg würde halten können. Während einer Fraktionssitzung in der Alten Reithalle in Stuttgart kursierte dem Vernehmen nach eine Liste mit Unterstützungsunterschriften – für Hagel. Reinhart, der sich eigentlich in der Sitzung im Amt bestätigen lassen wollte, kam dem aufkommenden Widerstand zuvor und ließ sich nur befristet bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen zur Wahl stellen. Mit 32 von 40 Stimmen wurde er in dieser Position schließlich bestätigt und bekam den
Auftrag, die Partei in den Koalitionsverhandlungen in der Regierung zu halten.
Diesen Auftrag hat Reinhart zwar erfüllt, doch offenbar spürt er, dass der Wind in der Fraktion längst in eine andere Richtung weht. Viele in der Partei wünschen sich nach der Niederlage eine Erneuerung. „Wir wollen die Partei der Mitte bleiben. Aber die Mitte hat sich in ihren Zielsetzungen verändert. Der Klimaschutz spielt zum Beispiel eine größere Rolle“, sagt Klaus Burger, CDUAbgeordneter aus Sigmaringen. Und parallel seien eben auch personelle Neuerungen gewünscht. „Ich bin gewillt, diesem Wunsch Rechnung zu tragen.“
Dass Reinhart sich nun dafür entschied, den Platz für Hagel freizumachen, könnte jedoch auch am Alternativangebot liegen, das die CDU dem Juristen offenbar unterbreitet hat: Demnach ist Reinhart als Justizminister
im Gespräch – der Tuttlinger Guido Wolf wird dem Kabinett laut übereinstimmender Bekundungen aus Stuttgart nicht mehr angehören.
Manuel Hagel entspricht derweil dem Wunsch nach Erneuerung. Der 33-Jährige stammt aus Ehingen. Dort begann er seine politische Karriere, 2016 zog er zum ersten Mal in den Landtag ein und wurde von Landeschef Thomas Strobl überraschend direkt zum Generalsekretär ernannt. In dieser Funktion leitet er die Parteizentrale, organisiert Parteitage und bereitet sie auch inhaltlich vor.
Eine seiner Qualitäten wurde in dieser Zeit offensichtlich: Er wuchs an den Aufgaben. Die Lernkurve, die der Ehinger hinlegte, erstaunt auch Skeptiker in der Landeshauptstadt, die sich angesichts seiner Unerfahrenheit und dem ausgeprägten oberschwäbischen Dialekt auf einen Jungen aus der Provinz von Strobls Gnaden
einstellten. Doch aus dem Schatten Strobls hat sich Hagel befreit. Er organisierte die Parteizentrale um, setzte auf das in Bankpraxis und Mangementstudium Gelernte, stärkte den Auftritt in sozialen Netzwerken. Geschick bewies Hagel auch, als er es schaffte, die in BadenWürttemberg gegründete, konservative Werteunion einzubinden, ohne deren Rechtsaußen-Kurs mitzugehen.
Zwar hatte er als Generalsekretär maßgeblich die Wahlkampagne der CDU zu verantworten – und damit auch die Niederlage. Die Partei verzeiht ihm das jedoch offenbar. Denn: Hagel hat es geschafft, sie mitzunehmen. „Manuel Hagel hat die Konzeption, die Gestaltung und auch das Ergebnis sehr breit mit der Basis diskutiert“, sagt Burger. „Damit hat er seine Konzeption zur Konzeption von allen gemacht.“Statt in der Kampagne des Generalsekretärs sehen viele CDUler den Grund für die Niederlage in der ehemaligen Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, der Maskenaffäre oder der Pandemie.
Hagel aber bleibt unangetastet – und würde als neuer Fraktionschef weiter an Einfluss gewinnen. Gleichzeitig aber steht er erneut vor einer gewaltigen Herausforderung: Die Parlamentarier der CDU gelten traditionell als besonders selbstbewusst und nicht immer gewillt, der eigenen Regierung anstandslos zu folgen. Sie hinter sich zu bringen und die CDU mittelfristig neu aufzustellen, ohne die Unionsminister zu beschädigen – das wird nicht leicht.
Auch, weil inhaltlich nicht klar ist, wohin Hagel die Fraktion führen wird. Er gibt sich als moderner Konservativer, der bei Reden die Bibel zitiert oder schon mal missglückte Jagdvergleiche zieht. Gleichzeitig ist er gesellschaftspolitisch eher liberal, nahm sich Auszeiten nach der Geburt der beiden Kinder und hält wenig von Diskussionen über die richtige Form einer Lebensgemeinschaft. Gespannt sein darf man auch, ob Hagel bei den großen Debatten im Landtag seine Rolle als Wortführer der CDU ausfüllen kann.
Seine Chancen am Dienstag stehen außerordentlich gut, einen Gegenkandidaten gibt es offenbar nicht. Für Klaus Burger bringt Hagel auch die richtigen Fähigkeiten mit. „Manuel Hagel hat in seiner jugendlichen Art sehr viel Weisheit“, sagt er. „Er verbindet Konservatives mit Modernem. Er ist rhetorisch stark, er kann als Banker gut mit Zahlen umgehen, dazu ist er ausgleichend, kann aber auch bestimmend sein. Verärgert habe ich ihn noch nie erlebt. Das alles sind Eigenschaften, die man als Fraktionsvorsitzender sehr gut gebrauchen kann.“