Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Pfleger beklagen Chaos auf Ulmer Corona-Station
Intensivpfleger werfen Klinikleitung Versäumnisse vor – Gewerkschaft schaltet sich ein
- Die Rede ist von „unfassbarem Druck“und „chaotischen Zuständen“: Mehrere Pfleger der CoronaIntensivstation der Ulmer Uniklinik haben sich an die Gewerkschaft Verdi gewandt. Sie werfen der Klinikleitung Versäumnisse vor.
Weil wegen der extrem hohen Arbeitsbelastung auf der Corona-Intensivstation der Uniklinik keine Zeit sei, ausreichend zu trinken, seien Pfleger bereits kollabiert. Der Leidensdruck des Pflegepersonals an der „Corona-Front“auf dem Ulmer Eselberg ist so groß, dass einige Beschäftigte nun einen Hilfeschrei abgesetzt haben. Drei Pfleger nahmen Kontakt mit dem Ulmer Gewerkschaftssekretär Jannik Widon auf.
Dieser berichtet der „Schwäbischen Zeitung“nicht nur davon, dass während der Acht- oder sogar ZwölfStunden-Schichten auf der Intensivstation für die Pfleger manchmal kaum Zeit bliebe, zu essen – von längeren Pausen ganz zu schweigen.
Die Klinikleitung hat es aus Sicht der Pfleger versäumt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um für die aktuelle dritte Corona-Welle gerüstet zu sein. Möglich sei dies beispielsweise gewesen, als es im Sommer noch nicht so angespannt war. Doch: Es sei kein Konzept entwickelt worden. Nun müssten sich Pfleger auf dem Gang umziehen. Eine Schleuse für diese Zwecke war ursprünglich in einem Patientenzimmer untergebracht, das sei nun aber belegt.
Von 122 Intensivbetten waren in Ulm zuletzt 105 belegt, 38 davon mit
Covid-19-Patienten. Klinikchef Udo Kaisers warnte Anfang der Woche: „Die Situation ist weitaus dramatischer als während der ersten Welle.“
Laut den Pflegern herrschen „chaotische Zustände“auf der Station. Ein Problem: zu wenig Personal. Folge: Pflegerinnen und Pfleger müssten sich aktuell um jeweils zwei Patienten kümmern, die invasiv beatmet werden. Eigentlich sei hier eine Eins-zu-Eins-Betreuung vorgesehen.
Im Schnitt seien pro Schicht 20 Pflegekräfte auf der Corona-Intensivstation im Einsatz.
Kein Verständnis hat das Pflegepersonal für die Personalplanung der Leitung. Die Fluktuation sei enorm. Es müssten regelmäßig neue Kräfte eingearbeitet werden, die dann nach vier Wochen aber oft schon wieder weg seien. Die Pfleger fühlten sich von der Klinikleitung „im Stich gelassen“, sagt Widon. So habe sich die Pflegedirektorin in der Pandemie bislang lediglich „zweimal“vor Ort auf der Station blicken lassen. Frustrierend auch, dass in der „CoronaTaskforce“der Klinik kein echter Vertreter der Pfleger sitze. Was diese fordern: „Man muss ihnen zuhören“, so Verdi-Mann Widon. Ums Geld gehe es nicht. Die tariflich geregelte Entlohnung für Pfleger an Unikliniken in Baden-Württemberg sei bundesweit mit die höchste. Es gehe um personelle Entlastung, sagt Widon.
Am Mittwochvormittag konfrontierte die „Schwäbische Zeitung“die Klinik mit den Vorwürfen. Eine Stellungnahme wurde für den Lauf des Tages in Aussicht gestellt, am Abend hieß es dann allerdings, man warte mit einer solchen bis Donnerstag ab.