Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Grüner Strom statt schwarzes Gold
Ölkonzerne steuern um und investieren Milliarden in die Energiewende
- Für die Ölmultis ist die Pandemie fast vorbei. Das staatliche saudische Unternehmen Aramco, der größte Ölkonzern der Welt, hat seinen Gewinn in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Prozent gesteigert. Fast 22 Milliarden Dollar hat Aramco seit Jahresbeginn eingenommen, wie das Unternehmen vor einigen Tagen mitteilte. Auch die amerikanischen und europäischen Ölmultis berichten von einer starken Erholung nach dem schweren Pandemiejahr 2020, denn der Ölpreis zieht kräftig an. Die Gewinne werden aber anders angelegt als früher: Die Konzerne wollen ihre Zukunft sichern und stecken deshalb immer mehr Geld in erneuerbare Energien. Analysten erwarten für dieses Jahr eine Rekordsumme bei Investitionen in Sonnen- und Windenergie.
In der Pandemie habe die Nachfrage nach Öl einen „historischen Kollaps“erlitten, bilanziert die Internationale Energieagentur IEA. Der Ölpreis fiel ins Bodenlose und zeitweise sogar in den Minusbereich, weil die Lager überquollen. Die Ölförderung sackte um fast zehn Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag ab, rund zehn Prozent der normalen weltweiten Fördermenge. Inzwischen hat sich der Ölpreis auf fast 70 Dollar pro Barrel erholt, weil die Impfkampagnen in wichtigen Ländern die Seuche zurückdrängen und die großen Volkswirtschaften aus der Krise kommen. Die Wirtschaft von China, dem größten Ölimporteur der Welt, hat in den ersten drei Monaten des Jahres um mehr als 18 Prozent zugelegt. Einige Experten halten in den kommenden Monaten einen Ölpreis von 80 Dollar pro Barrel für möglich.
Aramco kann wegen der Entwicklung im ersten Vierteljahr mehr als 15 Milliarden Dollar an die saudische Staatskasse überweisen. Auch bei anderen Konzernen klingeln die Kassen. Das französische Unternehmen Total meldete eine Einkommenssteigerung um 70 Prozent auf drei Milliarden Dollar, und auch der britischniederländische Konzern Shell und die britische BP feierten die Rückkehr in die schwarzen Zahlen nach dem Tief des vergangenen Jahres. Die US-Firmen Exxon Mobile und
Chevron kehrten ebenfalls in die Gewinnzone zurück.
Ob es so weitergeht, ist trotz der einsetzenden Erholung der Weltwirtschaft nicht sicher. Indien, der drittgrößte Ölimporteur weltweit, steckt mitten in einer katastrophalen Welle der Pandemie, die dort bereits mehr als 200 000 Menschen getötet hat. Außerdem fahren das Ölkartell Opec und Russland ihre Förderung wieder hoch, was den Preisanstieg bremsen könnte. Iran hat die eigene Produktion bereits auf 2,5 Millionen Barrel pro Tag gesteigert, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet.
Auf jeden Fall aber verdienen die Ölkonzerne im Vergleich nun wieder viel Geld – und das soll den Übergang der Branche in die Zeit nach dem Öl erleichtern. Firmen wie BP und Total wollen sich zu klimaneutralen Energieunternehmen wandeln, um trotz des Klimawandels und schwindender Ölreserven relevant zu bleiben.
Bisher spielen die Erneuerbaren bei den Ölmultis nur Nebenrollen, doch die Entwicklung zwingt sie zum Umdenken. In der Pandemie fiel die Zahl der verkauften Autos laut IAE im vergangenen Jahr um sechs Prozent – aber die Zulassung von E-Autos nahm im selben Zeitraum um 41 Prozent zu. Die großen Autohersteller stellen ihre Produktion auf klimaneutrale Fahrzeuge um.
BP und Total wollen den Trend zur sauberen Energie nicht verpassen und ihre CO2-Bilanz bis zum Jahr 2050 auf null drücken. Um dieses Ziel erreichen zu können, sollen nach der Corona-Krise mehr Gewinne in neue Energien gesteckt werden. Total will rund ein Viertel der diesjährigen Gesamtinvestitionen von mindestens zwölf Milliarden Dollar in diesem Bereich ausgeben. Der Ölkonzern hat sich 20 Prozent der Anteile des indischen Unternehmens Adani Green Energy gesichert, das eines der weltweit größten Sonnenkraftwerke betreibt. BP schloss im Februar die Beteiligung an einem Windpark vor der amerikanischen Ostküste ab, die den Konzern mehr als eine Milliarde Dollar kostete. Aramco und andere Unternehmen engagieren sich beim sogenannten Carbon Capture, dem Auffangen von CO2.
Die norwegische Energieberatungsfirma Rystad Energy schätzt, dass die weltweiten Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien in diesem Jahr den Rekordstand von 243 Milliarden Dollar erreichen werden. Zwar wird derzeit noch wesentlich mehr Geld – 311 Milliarden Dollar – für Öl und Gas ausgegeben, doch: „Die Ausgabenschere zwischen den erneuerbaren Energien und Öl und Gas schließt sich“, stellt Rystad Energy fest. Der Energiekonzern NextEra Energy aus den USA, der weltweit größte Produzent von Wind- und Sonnenenergie, überholte mit einem Marktwert von mehr als 150 Milliarden Dollar im vorigen Herbst zeitweise die Ölmultis ExxonMobile und Chevron.
Zumindest vorerst werfen die erneuerbaren Energien aber weniger Geld ab als Öl und Gas. Die Ölkonzerne stehen deshalb vor der Aufgabe, gleichzeitig Gewinne zu erwirtschaften und ins neue Zeitalter zu investieren. BP-Chef Bernard Looney sagte kürzlich bei der Vorstellung der Vierteljahresbilanz seines Unternehmens, die Ölmultis müssten beweisen, dass sie beides könnten: Investoren erfreuen und den Übergang zu neuen Energiequellen schaffen. Für Looney ist das die „Schlüsselfrage“der Branche.