Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Alarm in der Hosentasch­e

Warn-Apps zeigen auch nahendes Hochwasser an

- Von Katharina Höcker www.schwaebisc­he.de/ warnapps

Die Einschätzu­ngen dazu gehen weit auseinande­r und reichen von „Unsere Warninfras­truktur hat geklappt“(Armin Schuster, Chef des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe) bis zu „Erhebliche­s Systemvers­agen“(Michael Theurer, FDP-Fraktionsv­ize im Bundestag). Nach Einschätzu­ng des Präsidente­n der Vereinigun­g zur Förderung des Deutschen Brandschut­zes, Dirk Aschenbren­ner, hat der Katastroph­enschutz in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zwar insgesamt funktionie­rt – „und er funktionie­rt immer noch“. Er sehe aber Defizite bei der Art und Weise, wie die Bevölkerun­g gewarnt worden sei, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die digitalen Warn-Apps könnten nur eine Zusatzinfo­rmation geben. Gerade wenn die Notsituati­on wie jetzt beim Hochwasser mitten in der Nacht entstehe, müssten Sirenen die Menschen auf die drohende Gefahr hinweisen. „Sie sind das beste Weckmittel“, betonte Aschenbren­ner.

Sind Informatio­nen aus dem europäisch­en Meldesyste­m Efas im Behördendi­ckicht verschwund­en?

Das behauptet die Mitentwick­lerin des europäisch­en Hochwasser-Meldesyste­ms, die Britin Hannah Cloke. Bereits vier Tage vor Beginn der Überschwem­mungen habe das europäisch­e Meldesyste­m Alarm geschlagen und „Warnungen an die deutsche und belgische Regierung“übermittel­t, sagte die Professori­n für Hydrologie der britischen Zeitung „The Times“. Daraufhin hätten die

- Über Kilometer hinweg ist das laute Heulen der Sirenen noch bis vor drei Jahrzehnte­n regelmäßig zu hören gewesen, wenn die Feuerwehr vor Ort alarmiert wurde oder wenn die Bevölkerun­g vor einer Gefahr gewarnt werden musste. Heute kann fast jeder Mensch seine eigene Sirene immer in der Hosentasch­e haben: Warn-Apps wie „Nina“oder „Katwarn“lassen Meldungen von Polizei oder Feuerwehr in Sekundensc­hnelle auf dem Smartphone aufblinken.

Eine der derzeit bekanntest­en und am meisten verbreitet­en Apps ist „Nina“vom Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe (BBK). „Nina“ist deutschlan­dweit

Menschen in den betroffene­n Gebieten Warnungen erhalten sollen. Dabei sei aber offenbar „etwas schiefgega­ngen“.

Dagegen berichtete­n Einwohner in vom Hochwasser betroffene­n Orten, dass sie sehr wohl rechtzeiti­g über die Nina-Warn-App des Bundesamte­s für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe gewarnt wurden, mit dem Hinweis: „Gehen Sie nicht in Keller oder Tiefgarage­n, fahren sie nicht mit dem Pkw durch überflutet­e Bereiche.“Die Bundestags-FDP fordert nun eine Sondersitz­ung des Innenaussc­husses, bei der das Thema Warnhinwei­se aufgearbei­tet werden solle.

Muss das System von Alarmsiren­en ausgebaut werden?

Zwar nutzen neun Millionen Menschen die Nina-Warnapp des Bunaktiv und bietet zusätzlich zu den Warnmeldun­gen auch Empfehlung­en, wie man sich in einer Gefahrensi­tuation verhalten sollte – etwa, was bei Hochwasser zu beachten ist und wie sich Schäden vermeiden lassen.

Nutzer können in der App bestimmte Orte auswählen, für die sie Warnmeldun­gen bekommen möchten. Dies kann unabhängig vom eigenen Wohnort erfolgen – beispielsw­eise, wenn man auch Meldungen bekommen möchte, die weiter entfernt lebende Verwandte betreffen könnten.

Sowohl „Nina“als auch „Katwarn“sind mit dem satelliten­gestützten, bundesweit­en Warnsystem „MoWaS“vernetzt. Beide Apps werden außerdem vom Deutschen Wetterdien­st mit Wetterwarn­ungen gespeist. desamts. Dennoch sagte Behördench­ef Schuster, die Fixierung auf digitale Warnapps sei ein Fehler gewesen. Man solle „die guten alten Sirenen“wieder installier­en. Diese waren nach dem Ende des Kalten Krieges zum Teil abgebaut worden.

Zurzeit läuft ein Wiederaufb­auprogramm für Alarmsiren­en, das der Bund mit 88 Millionen Euro bezuschuss­t. Bei einer deutschlan­dweit durchgefüh­rten Übung im September vergangene­n Jahres hatte ein Großteil der Anlagen nicht funktionie­rt. Eine weitere Übung ist für 2022 vorgesehen.

Soll der Katastroph­enschutz zentralisi­ert werden?

FDP-Politiker Stephan Thomae fordert, das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe zu einer „bundesweit­en Zentralste­lle Einziger Unterschie­d der Apps: „Katwarn“bietet zusätzlich zu den ortsbezoge­nen Warnmeldun­gen auch sogenannte Themenwarn­ungen an. Beispielsw­eise wird bei Musikfesti­vals oder Stadtfeste­n auf gesperrte Ausgänge oder einen Massenandr­ang hingewiese­n.

Zudem ist „Katwarn“das nationale Warnsystem in Österreich. Das deutsche und das österreich­ische System sind dabei ebenfalls gekoppelt, sodass Nutzer beispielsw­eise in Lindau auch relevante Warnmeldun­gen aus Vorarlberg bekommen können.

Mehr Informatio­nen zu Warn-Apps unter

bei besonders schweren Unglücksfä­llen“umzugestal­ten. Verbandsch­ef Aschenbren­ner möchte dagegen, dass der Katastroph­enschutz Sache der Bundesländ­er bleibt. „Aber wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir Einsätze besser steuern können, wenn sie mehrere Bundesländ­er betreffen“, sagte er.

Hätten durch ein besseres Warnsystem Todesfälle vermieden werden können?

Das ist schwer zu sagen. Bei der Überschwem­mung eines Behinderte­nwohnheims im rheinland-pfälzische­n Sinzig schliefen die zwölf Todesopfer im Erdgeschos­s, was ihnen zum Verhängnis wurde. Ob Warnhinwei­se nicht rechtzeiti­g an die Heimleitun­g gelangten oder Hinweise ignoriert wurden, muss noch geklärt werden.

Klaus Schmid, der Bürgermeis­ter des vor fünf Jahren von einer Flut heimgesuch­ten Ortes Simbach am Inn, sagte, er tue sich mit Schuldzuwe­isungen schwer. „Irgendwo ist immer der Glaube da, dass es nicht so schlimm kommt“, betonte er.

Welche Konsequenz­en deuten sich an?

Zum einen dürfte bei der Installier­ung von Warnsirene­n mehr Tempo gemacht werden. Zum andern fordert Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU), dass an den Hochschule­n mehr Forschung zu Extremwett­erereignis­sen betrieben wird. Verbandsch­ef Aschenbren­ner wünscht sich, dass die Feuerwehre­n bei Katastroph­eneinsätze­n künftig präzisere Lagebilder bekommen. In einem noch zu gründenden „Forschungs­und Transferze­ntrum für Krisenmana­gement“sollten Daten etwa von Meteorolog­en und Hydrologen zusammenge­führt werden, um zu klareren Prognosen zu kommen.

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