Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Unter den Erwartungen
Ackerbauern klagen über kalten und nassen Sommer – Herausforderungen des Klimawandels bleiben
- Eigentlich hat Landwirt Hartmut Brust seinen Hof dem Klimawandel angepasst. Gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn bewirtschaftet Brust am Stuttgarter Stadtrand rund 53 Hektar Fläche. Angebaut wird vor allem Winterweizen, Sommergerste und Mais, aber auch Kartoffeln, Rüben, Spargel und Beeren. Um den Hof auf die geänderten klimatischen Bedingungen anzupassen, baut die Familie auf einigen sonnigen Südhängen seit einigen Jahren außerdem Soja an. Sogar Feigen aus eigener Ernte werden inzwischen im Hofladen verkauft. Gebracht hat das in diesem Jahr aber wenig. Die Feigenblüten sind schon im Februar erfroren. Und auch sonst sei die Ernte enttäuschend verlaufen, klagt Brust. Wie ihm ging es vielen Landwirten im Südwesten. Dabei hatte die Prognose bis vor einigen Wochen noch ganz ordentlich ausgesehen.
„Wir sind mit großen Hoffnungen in die Ernte gestartet“, bestätigt Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes. „Die Witterung war ordentlich. Das Frühjahr war zwar kühl, aber wir hatten genügend Niederschläge und die Trockenheit des Vorsommers ist ausgeblieben. Unsere Ernteeinschätzung im Juni war deshalb überdurchschnittlich.“Doch dann, als vor allem die Weizenkörner die Sonne gebraucht hätten, blieb diese zu oft hinter Regenwolken verborgen. Statt Sonne und Hitze gab es Starkregen und Hagel. Die Folge: Die Körner blieben verhältnismäßig klein. „Als die ersten Mähdrescher fuhren, wurden die Gesichter länger“, sagt Rukwied. „Gerade der Weizen, die Hauptkultur in Baden-Württemberg, blieb unter den Erwartungen.“
Im Schnitt ernteten die badenwürttembergischen Bauern 6900 Kilo Weizen pro Hektar – 14 Prozent weniger als im Vorjahr, zehn Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt. Beim Raps liegt das Minus bei zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei der Sommergerste bei sieben Prozent. Nur die Wintergerste konnte nach einem überaus schlechten Vorjahr zulegen (plus 20 Prozent). Ähnlich ist die Lage im Öko-Landbau. Auch hier waren die Vorernteschätzungen überdurchschnittlich, die Ernte selbst ist maximal durchschnittlich. Die Qualität beim Weizen ist laut Bauernverband durchwachsen, Pilzkrankheiten und Mutterkorn seien stellenweise problematisch. Im Kartoffel- und Weinanbau gebe es große Probleme mit Pilzkrankheiten.
Die schlechte Ernte ist kein rein baden-württembergisches Phänomen. In ganz Europa und auch in den Vereinigten Staaten und in Russland wurden die Ernteerträge in diesem Jahr nach unten korrigiert. Die Folge: Die Preise, etwa für Weizen und Raps, stiegen. „Das ist natürlich gut für die Landwirte“, sagt Rukwied. „Sie profitieren aber nur zum Teil davon.“Denn viele Landwirte haben einen Teil ihrer Ernte schon vor dem Anstieg der Preise verkauft – und damit zu billig. Gleichzeitig müssen die Bauern mit stark gestiegen Betriebskosten
zurechtkommen, etwa durch höhere Energie- und Treibstoffpreise und Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung. „Das frisst die Erlöse der Ackerbauern auf“, sagt Rukwied. Er rechne deshalb damit, dass sich die wirtschaftliche Situation trotz gestiegener Preise verschlechtere.
Auch wenn das laufende Jahr den Ackerbauern zu kalt und nass war, wissen sie: Die eigentliche Herausforderung ist der Klimawandel und die damit einhergehenden Veränderungen. „Das feuchte und kühle Jahr ist eigentlich eher atypisch“, sagt Rukwied. „Die Vorjahre waren durch den sich abzeichnenden Klimawandel gekennzeichnet, also durch Trockenheit und hohe Temperaturen.“Das sei auch die Tendenz.
„Wir werden mehr Starkwetterereignisse bekommen und es ist davon auszugehen, dass wir eher wärmere und trockenere Sommer bekommen. Wir brauchen deshalb widerstandsfähigere Sorten, die mit trockener, heißer Witterung besser zurechtkommen. Auch wenn die in einzelnen Jahren der falsche Ansatz sind.“
Agrarverbände wollen deshalb neue Gentechnikverfahren einsetzen und fordern dafür eine Lockerung der strikten Regulierung von grüner Gentechnik in der Europäischen Union. Zuletzt schlug dies auch die EU-Kommission vor. Bei der Crispr-Cas-Methode, auch Genschere genannt, trennen bestimmte Enzyme den DNA-Strang derjenigen Gene, die für die Hitzeintoleranz der
Pflanze verantwortlich sind. Mithilfe einer künstlich erzeugten Sequenz gelangen die Enzyme zu den betroffenen Genen und schalten diese aus. „Wir brauchen den Zugang zu solchen modernen Pflanzenzüchtungsmethoden“, sagt auch Rukwied. „Wir wollen nicht, dass externe DNA eingezüchtet wird, aber der gezielte Schnitt in der Pflanze würde uns helfen, schneller Sorten zu bekommen, die widerstandsfähig gegen den Klimawandel sind.“
Bislang müssen Landwirte wie Hartmut Brust aus Stuttgart jedoch mit dem Wetter leben. „Wir sind für dieses Jahr zum Glück mit der Getreideernte fertig“, sagt er. „Und jetzt blicken wir nach vorne und hoffen einfach, dass es nächstes Jahr besser wird.“