Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kiesabbau startet trotz Widerspruch
Bürgerinitiative Lebenswertes Göggingen kritisiert Vorgehen – Das sagen die Firma und das Landratsamt
- Die Firmen Martin Baur und Valet und Ott haben in Göggingen mit dem Kiesabbau im Offenland begonnen – Ein Rückschlag für den Verein Lebenswertes Göggingen, der seit etwa zehn Jahren gegen besagten Kiesabbau vorgeht. Nun gibt es viele Fragen, die das Landratsamt und die Firma Martin Baur auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“beantwortet haben.
Ende 2020 hat das Landratsamt den Kiesabbau im Offenland genehmigt. Für das Abbauvorhaben im Offenland gibt das Regierungspräsidium den Firmen Valet u. Ott sowie Martin Baur vor, einen vollständigen Rohstoffabbau ohne sogenannte Dammbildungen sicherzustellen. Das sei aber nicht möglich, da die Feldwege auf dem Gebiet des geplanten Kiesabbaus der Gemeinde gehören. Diesen Plan verfolgten zumindest Bürgerinitiative und Gemeinde, denn diese war nicht gewillt, die Feldwege zu verkaufen, betonte Bürgermeister Jochen Spieß in der Vergangenheit immer wieder. Auch hat die Gemeinde gegen das Vorhaben Widerspruch eingelegt. Das Verfahren wurde vom Landratsamt an das Regierungspräsidium Tübingen (RP) weitergeleitet, das den Antrag im Moment noch prüft. Nun stellen sich Bürger, Gemeinde und Verein zu Recht die Frage, wie es möglich ist, dass der Kiesabbau trotzdem bereits begonnen hat.
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, erläutert Adrian Schiefer, Leiter des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz des Landratsamtes, auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. In der Verwaltungsgerichtsordnung seien verschiedene Fälle definiert, bei denen eine Genehmigung auch während eines laufenden Widerspruchverfahrens umgesetzt werden kann. Das sei hier der Fall, so Schiefer.
Nach den raumordnerischen Vorgaben muss der Kiesabbau abschnittsweise und in den freigegebenen Abschnitten vollständig ohne Dammbildung erfolgen – eine Dammbildung wäre dann gegeben, wenn ein Feldweg durch eine Grube verlaufe, so Schiefer: „In Bereichen, in denen Feldwege vorhanden sind, die nicht verkauft werden, und deshalb ohne Dammbildung nicht abgebaut werden könnte, wird der Kiesabbau
auch nicht freigegeben.“Diese Konstellation kann nach dem genehmigten Abbaukonzept aber erst in einigen Jahren der Fall sein.
Genauer, in etwa 15 Jahren, schätzt Thomas Braunsberg, Geschäftsbereichsleiter für Gestein und Beton der Firma Martin Baur. Solange stoße die Firma auf keinen Feldweg der Gemeinde. Sollte dieser Fall dann auftreten, muss der weitere Abbau eingestellt und der ausgekieste Bereich wieder aufgefüllt werden, teilt Schiefer vom Landratsamt mit. Die Fläche muss dann wieder rekultiviert werden, das bedeutet, dass sie wieder an ihren Ursprungszustand angenähert wird.
Die Firma Martin Baur kümmere sich im Moment federführend um den Abbau im Offenland, obwohl sich die Firmen Baur und Valet u. Ott den Abbau auf den 39 Hektar teilen, sagt Braunsberg von der Firma Martin Baur. Zudem werde immer nur auf einer Abbaugröße von fünf Hektarn Kies abgebaut. „Danach wird zuerst wieder rekultiviert, bevor wir mit den nächsten fünf Hektar beginnen“, versichert er.
Dass es so weit kommt, hat die Bürgerinitiative verhindern wollen. Seit ihrer Gründung 2011 kämpft sie dagegen. Die Mitglieder wissen nach eigenen Angaben zwar, wie wichtig Kiesabbau ist und haben auch nichts gegen einen Abbau im Wald. Nur auf dem Offenland, in ihrem Naherholungsgebiet, in dem Spaziergänger,
Reiter und Jogger unterwegs sind, möchten sie keinen Abbau, macht Rainer Ohmacht, Vorsitzender des Vereins Lebenswertes Göggingen deutlich. „Wir werden nie über irgendetwas informiert und jedes Mal vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt Irmgard Kempf, die zum Vorstandsteam des Vereins gehört. Trotzdem habe der Verein immer noch Hoffnung, dass die Genehmigung des Landratsamtes aufgehoben werde.
Bernd Kempter, Geschäftsführer der Firma Baur, zeigt Verständnis gegenüber den Göggingern: „Ich verstehe wirklich, dass die Bürger genug haben von dem Abbau in direkter Nähe.“Jedoch habe das RP vergeblich nach einer Alternative gesucht. „Wir können den Kies leider nur dort abbauen, wo er liegt und diese Gebiete sind sehr begrenzt“, sagt er. In Ettisweiler sei zudem kein Kies mehr zu holen gewesen. „Seit einem Jahr mussten wir Kies sogar zukaufen, damit wir weiter machen können“, sagt Kempter. Das höre sich zunächst harmlos an, jedoch hätten in Ettisweiler deshalb 25 Arbeitsplätze auf der Kippe gestanden. „Es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Wir haben genauso zehn Jahre für einen Abbau gekämpft, haben uns mit der Hälfte der Fläche zufrieden gegeben und auch eine Abfuhrtrasse gebaut“, sagt Kempter. Aus all diesen Gründen habe er kein schlechtes Gewissen gegenüber den Bürgern. Gemeint
ist mit der Abfuhrtrasse, eine 600 000 Euro teure Straße, die Bauer zusammen mit der Firma Baresel gebaut hat. Zudem habe der Geschäftsführer gar nichts vom Widerspruch der Gemeinde gewusst. „Das ist ein Krieg, den Landratsamt und Gemeinde miteinander führen“, sagt er.
Bisher hat Bürgermeister Spieß angekündigt, bei einer Ablehnung des Widerspruchs zu klagen. Die Gemeinde
Krauchenwies war für eine Stellungnahme trotz mehrfacher Anfragen nicht zu erreichen. Verhindert werden kann das ganze laut Landratsamt nur noch, wenn der Widerspruch zulässig und begründet ist. Wenn das Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, könne es laut Schiefer zu einer Aufhebung oder Änderung der Genehmigung kommen.