Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Studenten ebnen Weg für Freundschaft
40 Jahre Städtepartnerschaft Bad Saulgau-Chalais – Feier nur im kleinen Rahmen
- Nachdem die Partnerschaft zwischen den Städten Chalais und Saulgau im Juni 1981 in Frankreich beurkundet wurde, erfolgte die Unterzeichnung der Verträge am 9. Oktober 1981 in Saulgau. Dass die Beziehungen zwischen den beiden Kommunen nach 40 Jahren immer noch lebendig sind, wäre der Anlass für ein fröhliches Fest, an dem die ganze Bevölkerung teilnimmt, doch coronabedingt kann am 9. Oktober lediglich ein kleiner Festakt für geladene Gäste stattfinden.
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass sich Deutschland und Frankreich in der Vergangenheit immer wieder erbittert bekämpft haben, zuletzt während des Zweiten Weltkriegs. Erst der deutsch-französische Freundschaftsvertrag von 1963, auch als Élysée-Vertrag bekannt, beendete die jahrhundertelangen Feindseligkeiten. In der Folge lösten Partnerschaften zwischen französischen und deutschen Städten geradezu einen Boom aus. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung der beiden Völker, indem sie Gelegenheiten schufen, die Lebensweise, Kultur, Geschichte und Geografie der verschwisterten Städte kennenzulernen.
Auch Saulgau, damals noch ohne das Prädikat Bad, bemühte sich Ende der 1970er-Jahre um eine französische Partnergemeinde. Dass die Wahl auf das damals 1000 Kilometer entfernte, deutlich kleinere Chalais im Südwesten Frankreichs fiel, geht auf die Freundschaft zweier Studenten zurück. Der Saulgauer Richard Zwisler und Raoul Nicholas aus Le Teich hatten sich während ihres Lehramtsstudiums kennengelernt und nie mehr aus den Augen verloren. Als Raoul Nicholas zum Direktor des Collège in Chalais ernannt wurde und Richard Zwisler seinen Dienst am Saulgauer Gymnasium aufnahm, brachten die beiden Pädagogen
einen Schüleraustausch auf den Weg. Dieser erfreute sich bald solch großer Beliebtheit, dass der damalige Schulleiter und Gemeinderat Camill Fetzer seinen Gemeinderatskollegen eine Städtepartnerschaft mit der Gemeinde Chalais wärmstens empfahl.
Zumal der Ort weitere Pluspunkte zu bieten hatte: Chalais liegt in einer geschichtsträchtigen Gegend in erreichbarer Entfernung zum Atlantik. Obwohl noch eine zweite Option im Großraum Paris Befürworter fand, votierte die Mehrheit der Saulgauer Räte für Fetzers Vorschlag. Auch in Chalais fiel die Idee auf fruchtbaren Boden, worauf man beschloss, die Verträge am Pfingstwochenende des Jahres 1981 in Chalais und am 9. Oktober 1981 in Saulgau zu unterzeichnen.
Wie vereinbart signierten der damalige Saulgauer Bürgermeister Günther Strigl und sein französischer Kollege Jean Lacamoire die Dokumente am 6. Juni 1981 in Frankreich. Assistiert wurden sie nicht nur von Jobst Schimmel, dem Vorsitzenden des neu gegründeten Saulgauer Partnerschaftsvereins, und Michel Boussiron, Präsident des Comité de Jumelage. Auch eine beachtliche Zahl Saulgauer Bürger, die in zwei Bussen angereist waren, sowie viele Chalaiser Einwohner verfolgten die
Zeremonie mit großem Interesse. Als Rahmenprogramm hatten die Verantwortlichen ein farbenfrohes, von Herzlichkeit geprägtes Fest vorbereitet. Für den Besuch der französischen Delegation, die zur Gegenzeichnung der Urkunden im Oktober in Saulgau eintraf, war ebenfalls ein vielseitiges Programm vorbereitet. Unter anderem wurden die Ehrengäste vom Ankunftsplatz beim Thermalbad mit einer Pferdekutsche in die Stadt gefahren.
In den folgenden Jahren fand eine rege Reisetätigkeit zwischen den Kommunen statt und schnell kristallisierten sich Freundschaften zwischen Saulgauern und Chalaisern heraus. Bis heute vereinbaren Gruppen ähnlicher Interessensgebiete gegenseitige Besuche, darunter Sportler, Kulturschaffende, Feuerwehrteams. Erfahrungsaustausch und Geselligkeit haben einen hohen Stellenwert, letztere besonders dann, wenn traditionelle Feste gemeinsam gefeiert werden. Bei den Franzosen ist das Bächtlefest äußerst beliebt, wobei der Chalais-Stand auf dem Historischen Markt einen Stammplatz hat. Die Bad Saulgauer schätzen die „Fête de Veau“und beteiligen sich an Fußballturnieren oder Wanderveranstaltungen im Großraum Chalais. Und man trauert gemeinsam, wenn langjährige Freunde versterben.