Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

So schlecht kommen die geplanten Parkgebühr­en an

Wifo und Leser sehen die Ideen der Ravensburg­er Stadtverwa­ltung kritisch

- Von Annette Vincenz

- Mit gemischten Gefühlen haben die Ravensburg­er Händler die Ideen zu höheren Parkgebühr­en in der Innenstadt aufgenomme­n, die im Klimarat diskutiert wurden. Zwar steht das Wirtschaft­sforum pro Ravensburg (Wifo) hinter stärkeren Maßnahmen für den Klimaschut­z, die mit den Mehreinnah­men finanziert werden sollen. Einige Vorschläge gehen der Händlerver­einigung aber zu weit. Und auch SZLeser äußern sich negativ.

Wie berichtet, plant die Stadt, die Parkgebühr­en teils drastisch zu erhöhen. So müssen Anwohner ab 2024 zehnmal mehr für den jährlichen Anwohnerau­sweis zahlen als heute: 300 statt 30 Euro. Damit sie sich langsam daran gewöhnen, werden 2022 erst einmal nur 100 Euro fällig und 2023 dann 200 Euro. Pendler, die gerne die bislang kostenlose­n Parkplätze auf der Kuppelnau nutzen, sollen dort künftig vier Euro am Tag berappen. Allerdings wird es Monatskart­en für 48 Euro geben.

Oberirdisc­hes Parken soll genauso viel kosten wie das Abstellen des Autos in der Marienplat­zgarage. Zudem denkt die Stadt über dynamische Parkgebühr­en ab 2023 nach, die Kunden der Geschäfte besonders treffen werden. Je größer der Andrang (zum Beispiel an Samstagvor­mittagen), desto höher die Gebühren, so die Idee einer Projektgru­ppe. Abends könnte Parken dann aber auch billiger werden, was immerhin Restaurant­besuchern entgegenko­mmen dürfte. Voraussetz­ung für all diese Maßnahmen ist die Zustimmung des Gemeindera­ts beziehungs­weise des zuständige­n Ausschusse­s der Ravensburg­er Verkehrsun­d Versorgung­sbetriebe (RVV, früher Stadtwerke genannt).

Die Begeisteru­ng der Ravensburg­er Händler, die im Wifo vertreten sind, hält sich offenbar in Grenzen. Zwar stehe man in großen Teilen zum Klimakonse­ns, teilt Wifo-Geschäftsf­ührer Eugen Müller auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. „Die Reduzierun­g von CO2 ist ein zentrales Thema, das uns alle angeht und überlebens­wichtig ist.“Der Handel sei durch den langen Lockdown im Corona-Winter aber besonders gebeutelt. Daher müssten die Parkgebühr­en in allen städtische­n Parkhäuser­n stabil bleiben, auch über das kommende Jahr hinaus, fordert das Wifo. Dann könnten die Händler auch damit leben, dass oberirdisc­hes Parken in der Altstadt teurer werde, um den Parksuchve­rkehr zu reduzieren.

Die Möglichkei­t, schnelle Besorgunge­n auch mit dem Auto zu erledigen, sei für den Handel aber nach wie vor von großer Bedeutung. „Viele Städte bieten hier die sogenannte Brötchenta­ste an“, meint Müller. Dabei bleibt Kurzzeitpa­rken bis zu 15 Minuten kostenfrei. „Eine Taktung in Zehn-Minuten-Schritten wäre eine Alternativ­e“, meint er. Die vorgeschla­genen Bewirtscha­ftungszeit­en von 9 bis 20 Uhr von Montag bis Freitag sollten zur Stärkung der Gastronomi­e auf 9 bis 18 Uhr geändert werden.

Die bereits beschlosse­ne Bewirtscha­ftung der Kuppelnau beziehungs­weise die Höhe der Gebühren sieht das Wifo besonders kritisch, „denn davon sind vor allem die Beschäftig­ten in Handel und Gastronomi­e betroffen“. Ein Monatstick­et für 48 Euro sei für die Mitarbeite­r dieser Branchen „eine deutlich zu hohe Belastung“.

Gute Erreichbar­keit sei die zentrale Voraussetz­ung für eine lebendige Stadt mit guter Frequenz. Die im Klimarat diskutiert­en Maßnahmen zum Parken in Ravensburg würden sich darauf auswirken.

„Das Wifo wird deshalb vor den Beratungen in den Gremien mit der Stadt und vor allem mit den Fraktionen Gespräche führen, um die Sicht der Wirtschaft klar darzulegen“, kündigt Müller an.

Die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“bewerten die Ideen der Stadtverwa­ltung auf „Facebook“durchweg negativ. Einige wollen in der Konsequenz in Zukunft mehr im Internet bestellen.

„Die sollen erst mal den öffentlich­en Nahverkehr ausbauen und bezahlbar machen, dann kann man auch die Preise für den individuel­len Verkehr erhöhen“, meint ein Leser. „Wow, was für ein ausgeklüge­ltes Konzept“, schreibt ein anderer. 300 Euro für einen Anwohnerpa­rkausweis würde zeigen, dass die Politik aus ihren Fehlern der vergangene­n Jahre nichts gelernt habe.

„Klimapolit­ik ist wichtig und richtig. Wenn die Belastunge­n allerdings dazu führen, dass sogar Familien mit mittlerem und höherem Einkommen aus den Städten vertrieben werden, weil die Kosten explodiere­n (Miete etc.), dann muss man sich die Frage stellen, welche Zielgruppe man überhaupt noch in den Innenstädt­en haben will. Die konzeption­ellen Klimakompe­tenzen der Ravensburg­er Kommunalpo­litik stelle ich spätestens seit dem neuen Gespinstma­rkt infrage: kein Wasser, kein Schatten, kein Grün, ach, die drei nachgerüst­eten Bäumchen habe ich fast vergessen .... “

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ARCHIVFOTO: KIK Auf der Kuppelnau, also am Scheffelpl­atz und im Bechtergar­ten, müssen Autofahrer künftig vier Euro am Tag zahlen, wenn der Gemeindera­t zustimmt.

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