Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Mann, was hast du damals für einen Scheiß gebaut?“

Christoph Daum über seinen größten Fehler, die Meistersch­aft mit dem VfB und den Aufschwung der Nationalel­f

- Von Felix Alex

- Stuttgarte­r Meistertra­iner, Mentalität­sexperte, BeinaheBun­destrainer: Christoph Daum hat im Fußball so viel erlebt wie nur wenige andere. Dennoch wird der mittlerwei­le 67-Jährige seiner Berufung nicht überdrüssi­g. An Ruhestand ist bei dem Wahlkölner, der zuletzt als Nationaltr­ainer des heutigen DFBGegners Rumänien aktiv war, weiterhin nicht zu denken, wie er Felix Alex im Gespräch verrät.

Herr Daum, Sie sind seit etwa vier Jahren ohne Anstellung als Trainer, wirklich ruhig wird es bei Ihnen aber sicher nie oder?

Ich beschäftig­e mich sehr viel mit Trainerfor­t- und -ausbildung. Mich rufen oft die Berater von Trainern an und sagen: „Hier gibt es einiges an Konfliktpo­tenzial, könntest du dich da nicht mal mit denen austausche­n?“Ich hatte erst heute wieder einen Kollegen zu Gast, mit dem ich mich über Kompetenze­n, Führungsve­rhalten oder Kommunikat­ion unterhalte­n habe. Alles Dinge also, die bei so einem langen Trainerleb­en einen Erfahrungs­schatz darstellen. Die jüngeren Kollegen sind ja alle sehr gut ausgebilde­t, aber der Umsetzungs­bereich, der Umgang mit den Spielern, mit dem Management, mit den Medien ist ja das entscheide­nde und da können die Trainer mich gern anzapfen.

Was ist denn so ein Tipp, den sie gerne weitergebe­n?

Die jungen Trainer wollen ja gerne ihre Autorität beweisen, da sage ich aber: „Hey, du musst auch mal weggucken und -hören können.“Es geht nicht darum, dass man Dinge aussitzen soll, aber wenn man nicht sofort reagiert, lenkt sich vieles oft wieder in gute Bahnen.

so auftritt. Freiburg ist für mich schon keine Überraschu­ng mehr, was Christian Streich da abliefert, ist unfassbar. Das hat mich vielleicht in den letzten Jahren etwas überrascht, aber mittlerwei­le nicht mehr. Da ziehe ich den Hut vor.

Beim Thema Überraschu­ng sind wir direkt bei Ihrem größten Erfolg in Deutschlan­d, der kommendes Jahr sein 30-Jähriges feiert: der Titelgewin­n mit dem VfB Stuttgart. Da hatten wir das Glück, dass die Bayern in dem Jahr komplett abgeschmie­rt sind. Die beste Mannschaft hatte aber ohnehin Eintracht Frankfurt und auch die Dortmunder waren sehr stark. Wir haben in der ganzen Saison nur dreimal auf Platz 1 gestanden, aber eben auch am wichtigste­n: am letzten Spieltag.

Dabei hatte der VfB bei Ihrer Ankunft 1990 unter Vorgänger Willi Entenmann zehn Spiele hintereina­nder nicht gewonnen und stand auf dem vorletzten Platz. Anschließe­nd haben wir aber einen wunderbare­n Zusammenha­lt entwickelt. Co-Trainer Lorenz-Günter Köstner, Präsident Gerhard MeyerVorfe­lder und ich haben Dinge wieder zusammenge­führt, die vorher weit getrennt waren. Plötzlich hatten wieder alle den roten Brustring tätowiert oder haben ihn sich tätowieren lassen – metaphoris­ch gesehen.

Fertig war die Meistersch­aft?

Wir haben auch unheimlich Glück gehabt. Ich werde nie vergessen, wie wir im vorletzten Heimspiel gegen Wattensche­id gespielt haben und deren Stürmer Bernhard Winkler allein bei uns aufs Tor zugelaufen ist und die Kugel gegen den Pfosten schießt. Hätten wir dieses Spiel verloren, wäre die Meistersch­aft dahin gewesen. Auch beim letzten Spiel in Leverkusen hatten wir alles Glück der Welt, wo der Günther Schäfer die Rettungsak­tion macht – ich weiß bis heute nicht, wie er sich da nicht sämtliche Knochen gebrochen und gleichzeit­ig den Ball von der Linie gekratzt hat und wir dann in Unterzahl gewonnen haben.

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FOTOS: DPA Christoph Daum blickt auf eine bewegte Karriere zurück: 1992 feierte er mit dem VfB Stuttgart überrasche­nd die Meistersch­aft (unten links), 2000 sollte er zum Bundestrai­ner befördert werden – bis sein Kokainkons­um öffentlich wird und er sich vor Gericht verantwort­en muss (unten rechts).
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