Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wie es bei der CDU nun weitergeht
Was hätte die CDU genau besser machen können?
Man kann mit einer Niederlage auf zwei Arten umgehen. Man kann sich in die Ecke stellen, schmollen, wild um sich schlagen und mit schmerzverzerrtem Gesicht die Schuld bei anderen suchen. Oder man kann das Ergebnis mit Demut annehmen, Haltung bewahren und dem Wandel, der bei uns jetzt einsetzen muss, Struktur und Richtung geben. Wir waren in Baden-Württemberg nach den Landtagswahlen in einer ähnlichen Lage wie die CDU im Bund jetzt: Es gab ein historisch schlechtes Wahlergebnis und es war unklar, ob wir an der neuen Regierung beteiligt sein würden. Nur: Überzeugungen und Werte lösen sich ja auch in so einer Situation nicht in Luft auf. Deshalb haben wir ein Regierungsangebot gemacht. Was die Gesellschaft und das Land jetzt brauchen, sind Stabilität und Verlässlichkeit. Und eine Haltung zeigt sich ja nicht nur im Ankündigen, sondern im täglichen Tun. Da könnte die CDU Deutschlands gerade da und was die Geschlossenheit angeht schon etwas von der CDU-Landtagsfraktion lernen.
Sie sprechen von Verlässlichkeit und Haltung. Durchstechen vertraulicher Informationen, unverEiner hohlene Kritik am Spitzenkandidaten – Ihre Partei zeigt gerade nicht unbedingt, dass es ihr um solche Werte geht.
Ich bin kein Freund von Scherbengerichten. Ich glaube, die Menschen schauen gerade sehr genau hin, wie wir miteinander umgehen. Ein Kesseltreiben auf einzelne Personen steht besonders der Christdemokratie nicht gut zu Gesicht. Es geht jetzt nicht um Einzelinteressen. Jeder hat eine Verantwortung für das Ganze. Allein einen Kopf auszutauschen wird nicht reichen. der schärfsten Laschet-Kritiker war zuletzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Das war nicht die feine christdemokratische Art ...
Sicher hat nicht jede Blutgrätsche der letzten Wochen von östlich der Landesgrenze geholfen. Jeder, der in unserem Staat oder unserer Union Verantwortung übernehmen will, muss jetzt zeigen, dass er integrieren kann, verlässlich, kreativ und innovativ ist und mit einer mitreißenden Idee unsere Volkspartei in die Zukunft führen kann.
Also ist Herr Söder aus Ihrer Sicht nicht länger geeignet für ein Spitzenamt in der Union?
Markus Söder hat ein politisches Spitzenamt. Er ist Ministerpräsident des Freistaats Bayern. Er ist Parteivorsitzender der CSU. Union geht nur gemeinsam. Hier haben wir wirklich Potenziale besser zu werden. Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, dass ich hier keinen Beitrag dazu leisten will, diese Einheit zu unterminieren. Es geht gerade nicht darum, wer etwas werden kann in der Union. Es geht um die Zukunft und
Söder hat eine Jamaika-Koalition nahezu ausgeschlossen. Ein Fehler? Ich sehe das persönlich anders. Ich halte es für falsch, jetzt Türen zuzuschlagen. Als Zweitplatzierte bei der Bundestagswahl haben wir keinen Regierungsauftrag, aber wir können ein Regierungsangebot machen auf der Basis unseres Wahlprogramms, unserer Überzeugungen und unserer Ideen für dieses Land. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn FDP und Grüne bereit sind, mit uns ein Bündnis einzugehen. Die Ampel-Sondierungen laufen jetzt. Aber wir wissen seit den letzten Bundestagswahlen auch, dass solche Gespräche nicht zwangsläufig in eine Koalition münden müssen. Deutschland braucht keine monatelange Hängepartie. Deshalb muss die CDU auch in der Stunde der Niederlage bereit sein, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen.
Armin Laschet ist intern umstritten und auch öffentlich angezählt. Wäre er den Wählerinnen und Wählern überhaupt noch als Kanzler eines Jamaika-Bündnisses zu vermitteln?
Ich glaube schon. Wer sagt, Laschet soll es nicht machen, der muss auch beantworten, wer es stattdessen tun soll. Eine Personaldebatte jetzt wäre unvereinbar mit strukturierten Sondierungsgesprächen. Armin Laschet ist bis zum nächsten Parteitag im Dezember gewählter Vorsitzender der CDU und damit erster Ansprechpartner.
Friedrich Merz schließt nicht aus, dass er neuer Parteichef werden könnte. Ist er der Richtige für den Neuanfang der CDU?
Friedrich Merz ist einer unserer profiliertesten Wirtschafts- und Ordnungspolitiker, da hat er eine hohe Kompetenz und kann für die CDU einen wichtigen Beitrag leisten. Wir müssen nach diesem Einbruch einen konzeptionellen und personellen Aufbruch wagen. Ich werbe dafür, erst die Frage zu beantworten, wohin wir als Partei wollen. Wir müssen festlegen, was die Antworten der CDU auf die großen Fragen dieses Jahrzehnts sind. Dazu müssen wir zügig unseren Prozess für ein neues Grundsatzprogramm wieder aufnehmen, der seit zwei Jahren ruht. Danach müssen wir den passenden Kopf an der Spitze finden. Erst die Richtung, dann die Spitze. Das Casting der vergangenen Bundesparteitage können wir doch nicht ewig so weitermachen. Ich werbe dafür, hier neu zu denken. Wir dürfen die Antworten für morgen nicht im Gestern suchen.
(eh) - Während sich SPD, Grüne und FDP auf die Ampel und eine gemeinsame Regierung vorbereiten, ist die CDU mit sich selbst beschäftigt. Immerhin erntet Armin Laschet seit sehr langer Zeit mal wieder lobende Worte – wenn auch für seine angedeutete Rückzugsbereitschaft.
„Respekt und Anerkennung“spendet beispielsweise Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Laschet habe „den ersten Schritt gemacht“zur Neuaufstellung der CDU als Volkspartei. Ähnlich klingt Ex-Fraktionschef Friedrich Merz: „Respekt, Dank und große Anerkennung“auch von ihm fürs Weg-frei-Machen. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans nennt Laschets Ankündigung wichtig und richtig, „um uns weitere quälende innerparteiliche Diskussionen zu ersparen“. Und der Chef der CDU in Niedersachsen, Bernd Althusmann, fände es sogar „falsch, Laschet allein für das schlechte Ergebnis verantwortlich zu machen“.
Am Montag tagen Präsidium und Vorstand und sollen sich auch mit der Planung eines Parteitags befassen. Den hatte der CDU-Chef noch am Donnerstagabend in Aussicht gestellt – und so bei aller Unsicherheit eine bemerkenswerte Vorfestlegung versucht. Denn damit wären Mitgliederbefragungen und Basisentscheide vom Tisch. Genau die waren aber in den vergangenen Tagen aus den Landesverbänden gefordert worden.
Auch Merz, der zuletzt gleich zweimal bei Parteitagsabstimmungen unterlegen war, erinnerte umgehend via Twitter daran, dass der von Laschet vorgeschlagene „einvernehmliche Weg“auch „die Zustimmung unserer Mitglieder“finden müsse. Im ZDF wurde er noch deutlicher: Ob er antrete, sei nicht entschieden. „Aber eines schließe ich aus: Ich werde nicht erneut in eine streitige Abstimmung bei einem Bundesparteitag gehen.“Von streitigen Abstimmungen will offenbar auch Armin Laschet nichts wissen. Ihm schwebt vielmehr „ein Weg des Konsenses“vor. Diesen Prozess will er moderieren.
Doch es wäre ein Wunder, wenn die aufgewühlte CDU nun ausgerechnet dem Mann die Lösung ihrer Probleme anvertrauen würde, den sie am meisten für diese Probleme verantwortlich macht.
Und ein noch größeres Wunder wäre es, käme der von Armin Laschet gewünschte „Konsens aller, die im Moment in Betracht kommen“, tatsächlich zustande.