Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der DFB und die ewige Präsidentensuche
Chefs der Landesverbände beraten über die Nachfolge von Fritz Keller
(dpa) - Es gibt schönere Anlässe, im Herbst in die Hamburger Innenstadt rund um den berühmten Michel zu reisen. Aber der weiterhin angeschlagene Deutsche FußballBund sucht nun mal wieder einen neuen Präsidenten – und so müssen sich die Chefs der einflussreichen 21 Landesverbände bei einer von Spekulationen begleiteten Tagung an diesem Wochenende abseits des Länderspiels dringend zusammensetzen. Es soll um viel mehr gehen als nur um Namen.
Eine verfrühte Festlegung auf einen Kandidaten (von Kandidatinnen wird wenig gesprochen) ging im Ringen mit dem Profilager zudem schon einmal schief. „Im Vordergrund dieser Arbeitstagung in Hamburg stehen Sachthemen. Die Agenda sieht nicht vor, dass wir Bewerbungen durchforsten“, teilte DFB-Interimspräsident Rainer Koch, dem als obersten Amateurvertreter wieder einmal eine Schlüsselrolle zukommt, mit. Die „vorherrschende Erwartungshaltung“, Personalentscheidungen zu treffen, gebe es im Kreis der Landeschefs „so auch gar nicht“.
Genannt wurde zuletzt der frühere Staatssekretär im NRW-Familienministerium, Bernd Neuendorf, der seit 2019 unaufgeregt den Verband Mittelrhein führt. „Ich glaube, dass die Landesverbände noch in der Findung sind und in der Diskussion, wie diese Rolle unabhängig von der Besetzung der Person ausgeübt werden soll“, sagte DFB-Direktor Bierhoff, durch seine Funktion dem Profilager nahe, in dieser Woche in Hamburg. Nach Neuendorf gefragt, überraschte der Chef der Nationalmannschaften mit: „Ich kenne den Kandidaten nicht.“
Haben die Amateurvertreter aber erst einmal ihren Kandidaten gekürt, ist dieser aufgrund der Stimmverhältnisse beim DFB-Bundestag am 11. März 2022 der eindeutige Favorit für das seit dem Rücktritt von Fritz Keller nach dessen verbaler Entgleisung (er hatte Koch mit dem Namen eines Nazi-Richters angesprochen) verwaiste Amt. Das heißt aber nicht zwingend, dass der DFB dann geeint und frohlockend in die Zukunft blickt. Im November 2015 hatten die Landes- und Regionalchefs den damaligen DFB-Schatzmeister Reinhard
Grindel ohne Absprache mit dem Profilager ausgewählt. Der Dauerstreit der beiden Fraktionen entzündete sich erneut und wurde nur unter großem Groll beigelegt. Damals war Wolfgang Niersbach wegen der WM-Affäre 2006 zurückgetreten. Sein Nachfolger Grindel unternahm 2019 den gleichen Schritt nach der Annahme einer teuren Uhr als Geschenk von einem ukrainischen Funktionär.
Die Frage, wie viele Versuche bei der Auswahl des Führungspersonals noch bleiben, dürften die Funktionäre angesichts der Fanwut selbst schnell beantworten. „Ich wünsche ihnen, dass sie eine gute Lösung finden“, sagte der frühere Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge. „Sie haben es jetzt erst mal geschafft durch (Bundestrainer) Hansi Flick, dass sie sportlich wieder Ruhe reingebracht haben. Und sie brauchen jetzt einen Präsidenten, der ganz einfach auch wieder in dieses, ich sage mal, offizielle Geschäft des DFB Ruhe reinbringt.“
Der oder die Neue müsse „akzeptiert“werden sowohl von den Profials auch von den Amateurverbänden, sagte der 66-Jährige, der selbst dahingehend keine Ambitionen hegt. Der frühere Kapitän der Nationalmannschaft, Philipp Lahm, der inzwischen als Cheforganisator der Heim-EM 2024 eine ganz zentrale Rolle einnimmt, bezeichnete den öffentlichen Streit und die vielen Wechsel in der Führung als „schädlich“. Ein allzu langes Machtvakuum macht die Situation aber sicher nicht besser.