Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Teil-Impfpflicht kommt nun doch
Impfstreit im Südwesten beigelegt – Holetschek deutet Einlenken Bayerns an
Inmitten immer höherer Infektionszahlen ringen Bund und Länder heftig um den weiteren Corona-Kurs mit Impfpflichten und Alltagsbeschränkungen. Vor den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am kommenden Mittwoch machte die mitregierende FDP Druck, Auflagen zurückzunehmen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Donnerstag, es sei klar, dass es auch die Diskussion über Lockerungen geben müsse. Zugleich warnte er, dass man „nicht zu schnell lockern“solle.
Beigelegt ist der Streit in der grün-schwarzen Landesregierung Baden-Württembergs über die Umsetzung der Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen. Zudem deutete Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) an, dass auch der Freistaat das Gesetz, wenn auch mit Verzögerung, umsetzen werde. „Weder der Ministerpräsident noch die Staatsregierung noch jemand anders stellt diese Impfpflicht infrage“, sagte er und forderte vom Bund „Leitplanken“.
Diskussionen gibt es derweil über Aussagen Lauterbachs zu möglichen Corona-Toten. Der Minister hatte vor Öffnungen wie etwa in Israel gewarnt, „dann könne man in Deutschland auf 400 bis 500 Tote am Tag“kommen. Grundlage dafür sei ein Modell des Robert-Koch-Instituts (RKI), mit dem man Inzidenzen unterstellen kann. Hamburgs CDUChef Christoph Ploß sprach in der „Bild“-Zeitung davon, dass Lauterbach, „zum Angstminister“werde. Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), hielt Lauterbach in der „Welt“vor, die Begründung für Schutzmaßnahmen auszutauschen. Im Kern könne es nur darum gehen, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. In der Pandemie gab es laut RKI Anfang 2021 schon mehrere Tage mit mehr als 1000 registrierten Toten pro Tag.
Im Südwesten haben sich derweil die Wogen geglättet. Nachdem sich die CDU-Spitzen für ein Aussetzen der Teil-Impfpflicht ausgesprochen hatten, war es in der Koalition zum ersten Streit seit der grün-schwarzen Neuauflage gekommen. In einer Krisensitzung haben die Parteispitzen den Krach am Donnerstagmorgen beigelegt. Man halte sich an Recht und Gesetz, betonte auch die CDU. Die Pflicht tritt am 15. März in Kraft. Eine Arbeitsgruppe soll alle Fragen und Bedenken zur Umsetzung sammeln und dem Bund vorlegen.
Dennoch habe die Debatte um ein Aussetzen der Impfpflicht für Pflegekräfte Folgen, sagt Sebastian Koos, Soziologe an der Universität Konstanz, der „Schwäbischen Zeitung“. „Das löst Unsicherheit und Misstrauen aus und führt zu einer politischen Entfremdung“, erklärt er. Dabei sei Vertrauen gerade in Krisen eine der zentralen Währungen. „Das ist ganz wichtig, um eine solche Pandemie bewältigen zu können.“