Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schröder als Emissär Putins
Kevin Kühnert hat keine Geduld mehr mit Altkanzler Gerhard Schröder. Der Vorsitzende des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG, Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG, Aufsichtsratschef beim russischen Staatskonzern Rosneft und das künftige Mitglied des Aufsichtsrates von Gazprom verwische wirtschaftliche Interessen mit dem Gehör, das er als erfahrener Politiker bekommt, kritisiert der SPD-Generalsekretär. Dies unschuldig als neue Erkenntnis zu verkaufen, ist deutlich unter dem Niveau des sonst so gedankenschnellen Kühnert. Was glaubt er denn, warum Schröder all die tollen Posten in den russischen Konzernen hat? Wohl kaum, weil er so ein genialer Energieexperte ist. Für den Kreml interessant ist der Altkanzler wegen seines politischen Renommees und seiner guten Kontakte. Das ist der Witz bei der Sache. Mittlerweile kann man der Juso-Chefin Jessica Rosenthal ohne Weiteres zustimmen, wenn sie erklärt, Schröder sei ein Interessenvertreter Russlands.
Darf er das sein? Formal ja. Schröder ist Privatmann. Gut, er wird weiterhin vom bundesdeutschen Steuerzahler alimentiert, wobei der als Millionär geltende 77-Jährige auf das Staatsgeld problemlos verzichten könnte. Denn mit der Loyalität des Niedersachsen zum eigenen Land verhält es sich ohnehin wie mit der Katze des Physikers, der so ähnlich hieß, wie der Russland-Lobbyist. Bei Schrödinger war unklar, ob die nach ihm benannte Katze tot oder lebendig war. Nur ist Schröders Loyalität ohnehin eher ein Kätzchen.
Jedenfalls täte Schröder Land und Partei einen Gefallen, wenn er die Rolle als Politiker endgültig aufgeben würde. Dann könnten die aktuell führenden SPD-Politiker ihre eher hilflos wirkenden Bemühungen einstellen, sich von Schröder zu distanzieren. Und wenn man den umtriebigen Ex-Kanzler als Emissär Putins ernst nimmt, kommt vielleicht sogar etwas für den Frieden heraus. Und für die Energieversorgung. Denn hinter der Empörung über Schröder versteckt sich das Wissen, dass wir schon ohne Nord Stream 2 extrem von russischem Gas abhängig sind.