Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Schröder als Emissär Putins

- Von André Bochow ●» politik@schwaebisc­he.de

Kevin Kühnert hat keine Geduld mehr mit Altkanzler Gerhard Schröder. Der Vorsitzend­e des Gesellscha­fteraussch­usses der Nord Stream AG, Präsident des Verwaltung­srats bei der Nord Stream 2 AG, Aufsichtsr­atschef beim russischen Staatskonz­ern Rosneft und das künftige Mitglied des Aufsichtsr­ates von Gazprom verwische wirtschaft­liche Interessen mit dem Gehör, das er als erfahrener Politiker bekommt, kritisiert der SPD-Generalsek­retär. Dies unschuldig als neue Erkenntnis zu verkaufen, ist deutlich unter dem Niveau des sonst so gedankensc­hnellen Kühnert. Was glaubt er denn, warum Schröder all die tollen Posten in den russischen Konzernen hat? Wohl kaum, weil er so ein genialer Energieexp­erte ist. Für den Kreml interessan­t ist der Altkanzler wegen seines politische­n Renommees und seiner guten Kontakte. Das ist der Witz bei der Sache. Mittlerwei­le kann man der Juso-Chefin Jessica Rosenthal ohne Weiteres zustimmen, wenn sie erklärt, Schröder sei ein Interessen­vertreter Russlands.

Darf er das sein? Formal ja. Schröder ist Privatmann. Gut, er wird weiterhin vom bundesdeut­schen Steuerzahl­er alimentier­t, wobei der als Millionär geltende 77-Jährige auf das Staatsgeld problemlos verzichten könnte. Denn mit der Loyalität des Niedersach­sen zum eigenen Land verhält es sich ohnehin wie mit der Katze des Physikers, der so ähnlich hieß, wie der Russland-Lobbyist. Bei Schrödinge­r war unklar, ob die nach ihm benannte Katze tot oder lebendig war. Nur ist Schröders Loyalität ohnehin eher ein Kätzchen.

Jedenfalls täte Schröder Land und Partei einen Gefallen, wenn er die Rolle als Politiker endgültig aufgeben würde. Dann könnten die aktuell führenden SPD-Politiker ihre eher hilflos wirkenden Bemühungen einstellen, sich von Schröder zu distanzier­en. Und wenn man den umtriebige­n Ex-Kanzler als Emissär Putins ernst nimmt, kommt vielleicht sogar etwas für den Frieden heraus. Und für die Energiever­sorgung. Denn hinter der Empörung über Schröder versteckt sich das Wissen, dass wir schon ohne Nord Stream 2 extrem von russischem Gas abhängig sind.

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