Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gedankensp­iele mit der Pkw-Maut

Einnahmen aus Mineralöls­teuer sinken – Woher Geld für den Straßenbau kommen könnte

- Von Björn Hartmann

- Auf Deutschlan­ds Autofahrer kommt eine Reform der Besteuerun­g zu. Weil mit der Energiewen­de praktisch nur noch E-Fahrzeuge über die Straßen rollen sollen, bleiben Milliarden­einnahmen aus der Energieste­uer auf Kraftstoff­e aus. Die Steuer bringt dem Staat derzeit rund 30 Milliarden Euro. Um das entstehend­e Finanzloch zu stopfen, fordern Experten, Autofahrer sollten künftig danach zahlen, wie sehr sie die Straßen nutzen. Und es könnte teurer werden: Denn bereits heute fehlt Geld, um die Infrastruk­tur instandzuh­alten.

Die Zeit drängt: Die Klimaziele der EU sehen vor, dass von 2035 an keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Zahlreiche Autobauer planen, bereits 2030 keine Pkw mit Benzin- oder Dieselmoto­r mehr anzubieten. Sie setzen stattdesse­n auf Elektroant­rieb.

„Um die Emissionsz­iele einzuhalte­n, muss der Anteil der Verbrenner am Straßenver­kehr drastisch sinken, was Folgen für die Einnahmen des Staates hat“, sagt Stefan Bach, Steuerexpe­rte des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin. Die Folge von mehr E-Autos für den Fiskus: „Spätestens 2040/50 gäbe es im Zuge der Energiewen­de keine nennenswer­te Kraftstoff­besteuerun­g mehr.“Aber schon vorher sinken die Einnahmen kräftig, je mehr Stromer unterwegs sind.

Für Bach kommt als Ersatz für die Kraftstoff­steuer eine Pkw-Maut ähnlich des Lkw-Mautsystem­s infrage. Seit 2005 müssen Lkw dafür zahlen, wenn sie Autobahnen und inzwischen auch ausgewählt­e Bundesstra­ßen nutzen. Der Preis richtet sich nach gefahrener Strecke, Gewicht und Sauberkeit des Motors. Die Maut sollte 2021 rund 7,5 Milliarden Euro Einnahmen bringen.

Von pauschalen Regeln, etwa einer Plakette mit einer Jahresgebü­hr oder einer höherer Kfz-Steuer, hält der Steuerexpe­rte wenig. „Eine Pauschalma­ut für alle bringt sicher die nötigen Einnahmen und ist einfacher abzurechne­n“, sagt Bach, „unter verkehrspo­litischen Gesichtspu­nkten ist sie aber schlecht.“Er hält eine fahrleistu­ngsabhängi­ge Maut für sinnvoller.

Auch Andreas Knie, Verkehrsex­perte und Leiter der Forschungs­gruppe

Digitale Mobilität am Wissenscha­ftszentrum Berlin für Sozialfors­chung, befürworte­t eine Reform. Das System für Pkw müsse „auf ein nutzerfina­nziertes umgestellt werden: Wer viel fährt, muss auch viel bezahlen.“

Eine Pkw-Maut, wie sie der ehemalige Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) durchdrück­en wollte, hält Knie für falsch. „Eine technisch komplexe und starre Lösung wie bei der Lkw-Maut ist unnötig. Ein Smartphone im Auto, mit dem sich das Fahrzeug einloggt, wenn es losfährt und ausloggt, wenn es wieder steht, reicht. Bezahlt werden könnte dann zum Beispiel je nach Gewicht und Leistung des Autos.“Und nach gefahrener Strecke.

Ein solches System birgt aus Sicht von DIW-Steuerexpe­rten Bach noch „den Vorteil, Verkehr lokal lenken zu können, etwa mit einer besonderen Staugebühr zu Stoßzeiten.“Ein ähnliches System nutzt die schwedisch­e Stadt Göteborg bereits, die eine höhere Nutzungsge­bühr für die

Schnellstr­aßen nimmt, wenn viel Verkehr ist. So sollen alle, die nicht unbedingt zur Stoßzeit fahren müssen, dazu gebracht werden, später oder früher unterwegs zu sein. Oder gar nicht.

Warum ist bisher nichts passiert? „Das Problem ist bekannt. Die Technik ist da. Die Politik muss es nur endlich wagen, das Problem auch zu lösen“, sagt Knie. „Bisher herrscht da eher Angst.“Das Bundesfina­nzminister­ium äußerte sich auf Anfrage nicht.

Auch andere Länder haben Finanzlück­en. Britische Abgeordnet­e mehrerer Parteien denken bereits über eine Kilometerg­ebühr für Fahrzeuge nach. Dem Staat fehlen dort demnach 35 Milliarden Pfund (rund 41 Milliarden Euro) jährlich. Die Abgeordnet­en schätzen, dass das sogenannte Road Pricing die Autofahrer nicht mehr kosten wird als Kfz- und Kraftstoff­steuer heute.

In Deutschlan­d könnte es dagegen teurer werden. Denn schon heute fehlt Geld für die Instandhal­tung der Straßen. „Die Infrastruk­tur zerbröselt bereits jetzt, man sieht das an den vielen maroden Brücken“, sagt Verkehrsex­perte Knie. „Wir müssten viel mehr investiere­n.“Und in vielen Städten und Gemeinden gelten Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen auf Straßen, damit der Verkehr sie nicht noch weiter kaputtfähr­t.

Ein wesentlich­er Grund: „Weil deutlich mehr und deutlich schwerere Fahrzeuge unterwegs sind, halten Straßen und Brücken nicht so lange, wie ursprüngli­ch geplant“, sagt Knie. Er schlägt als Sofortmaßn­ahme vor, jeglichen Neubau zu stoppen. „Mit dem Geld muss die bestehende Infrastruk­tur repariert werden.“

Für 2021 hatte der Bund allein für die Autobahnen und Bundesstra­ßen 12,5 Milliarden Euro vorgesehen, hinzukomme­n noch die Ausgaben von Ländern und Kommunen. Offenbar reicht das nicht: Der Deutsche Städteund Gemeindebu­nd schätzte im vergangene­n Jahr, dass allein die Städte, Gemeinden und Landkreise sofort 33,6 Milliarden Euro zusätzlich in Verkehrsin­frastruktu­r stecken müssten.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA E-Säule statt Zapfhahn: Wenn die Zahl der Verbrenner sinkt, entgeht dem Fiskus Geld.

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