Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Kampf um die Schufa
Ein Finanzinvestor greift nach der Wirtschaftsauskunftei – Es geht um sensible Daten von 68 Millionen Bürgern
- Wer in Deutschland einen Kredit aufnimmt, einen Mobilfunkvertrag abschließt oder ein Konto eröffnet, hat mit ihr zu tun: der Schufa in Wiesbaden. Das Unternehmen entscheidet, ob der Kunde oder die Kundin formal zahlungsfähig ist – und das Geschäft zustande kommen kann. Die Abfrage ist verpflichtend, meist eine Formalie. Jahrzehntelang arbeitete die Schufa im Hintergrund vor sich hin. Jetzt will ein Finanzinvestor das Unternehmen kaufen, das Geschäft kräftig erweitern. Sparkassen und Genossenschaftsbanken wollen das verhindern. Es geht vor allem um sensible Daten.
Die Schufa, 1927 als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung gegründet, ist die größte und wichtigste Auskunftei dieser Art in Deutschland. Mehr als 10 000 Kunden vertrauen auf die Informationen des Unternehmens. Über die Jahre hat die Schufa sensible Daten von 68 Millionen Deutschen und sechs Millionen Firmen gesammelt, insgesamt mehr als eine Milliarde. Auf Basis dieser Daten kann sie bei jeder Abfrage einen sogenannten Score berechnen, der anzeigt, ob eine Person zahlungsfähig ist und sehr wahrscheinlich bleibt.
Banken und Unternehmen vertrauen auf die Schufa-Auskunft. Vielen Verbraucherschützern gilt das Unternehmen eher als undurchsichtige Datenkrake, unter anderem weil unklar ist, wie sich der Score genau errechnet. Die Schufa selbst gibt nur allgemeine Informationen dazu. Zuletzt fiel das Unternehmen negativ auf, weil es bei bestimmten Telefonverträgen direkten Zugriff auf Kontodaten der jeweiligen Kunden haben wollte. Der Plan ist inzwischen aufgegeben.
Der Finanzinvestor EQT sieht im Datenschatz eine sehr gute Chance und plant die Übernahme der Schufa. Die Schweden wollen einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, das Geschäft – bisher auf Deutschland konzentriert – europäisch ausrichten. Ein Finanzinvestor trimmt ein Unternehmen auf Rendite und plant meist, es nach einigen Jahren gewinnbringend zu verkaufen.
Bereits im vergangenen Jahr hat EQT sich mit der französischen Großbank Société Générale geeinigt, deren Anteil von zehn Prozent an der Schufa zu übernehmen. Rund 200 Millionen Euro wollen die Schweden dafür ausgeben, die Schufa wäre dann zwei Milliarden Euro wert.
Doch die vollständige Übernahme durch EQT ist nicht so einfach. Denn die Schufa ist eine AG, gehört vor allem Banken, Sparkassen, Händlern. Es gibt rund 30 Einzelaktionäre. Und es gibt Vorkaufsrechte für Alteigentümer. Bevor also EQT zum Zuge kommt, müssen alle anderen ablehnen. Danach sieht es bisher nicht aus. Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die gemeinsam rund 47 Prozent der Schufa-Anteile besitzen, wollen EQT ausbremsen und die Mehrheit an der Schufa übernehmen.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Dachorganisation der Sparkassen, erklärt: „Wir werden alle Optionen prüfen, die die bewährten Strukturen der Schufa dauerhaft sichern.“Am Dienstag legte der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider in der Sache noch einmal nach und bestätigte Vorbereitungen von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, sich „50 Prozent plus eine Aktie“an der Schufa zu sichern.
Dazu passt die Anmeldung über Zukäufe der Nürnberger Teambank beim Kartellamt. Sie gehört zur DZGruppe, dem Spitzeninstitut der Genossenschaftsbanken. Die Schufa habe als Datenlieferant strategische Bedeutung. Bestandsaktionäre hätten ein Interesse daran, stabile Mehrheitsverhältnisse zu erlangen.
Neben der Société Générale gelten auch die Deutsche Bank (sechs Prozent) und Commerzbank (zwölf Prozent) als verkaufswillig. Auch die Targobank könnte sich von ihren Anteilen an der Schufa trennen, ist zu hören. Offiziell äußern sich die Institute nicht.
Das Bundeskartellamt in Bonn hat in diesen Tagen jedenfalls bekannt gegeben, keine Einwände gegen einen Verkauf der Schufa zu haben. Die Behörde gab zwei Zusammenschlussvorhaben frei: den Plan des schwedischen Investmentfonds EQT, der bis zu 100 Prozent der Anteile der Schufa kaufen will, und den Plan der genossenschaftlichen Teambank, die ihre bestehende Minderheitsbeteiligung an der Schufa aufstocken und somit die Übernahme durch EQT verhindern will.
Das Kartellamt erklärte, auch wenn beide Zusammenschlüsse in Konkurrenz zueinander stünden, sei es unter bestimmten Umständen möglich, solche konkurrierenden Zusammenschlüsse parallel zur Fusionskontrolle anzumelden. Durch die Freigaben haben demnach nun beide Bieter die Möglichkeit, die Übernahmen fusionskontrollrechtlich zu vollziehen. Wie der Bieterwettbewerb ausgeht, ist laut Behörde nun allein eine unternehmerische Entscheidung.
Die Schufa setzte 2019 mit rund 900 Mitarbeitern 229,2 Millionen Euro um. Als Gewinn wies das Unternehmen
41 Millionen Euro aus. Neuere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht.
Hinter der börsennotierten EQT steht die schwedische Industriellenfamilie Wallenberg. Der Finanzinvestor verwaltete im vergangenen Jahr Fonds im Wert von rund 73,4 Milliarden Euro. In diesem Jahr will er einen neuen Fonds mit Kapital von 20 Milliarden Euro auflegen. EQT sammelt das Geld bei Anlegern ein und investiert es dann.
In Deutschland sind die Schweden schon länger aktiv. So brachten sie vor Jahren den Aroma- und Duftstoffspezialisten Symrise an die Börse, inzwischen ist er in den Deutschen Aktienindex Dax aufgestiegen. 2021 kaufte EQT gemeinsam mit dem US-Finanzinvestor Hellman und Friedman den deutschen Tierbedarfsonlinehändler Zooplus. EQT ist auch am Prothesenspezialisten Ottobock und dem Breitbandnetzbetreiber Deutsche Glasfaser beteiligt, beides Kandidaten für einen Börsengang in diesem Jahr.