Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Kampf um die Schufa

Ein Finanzinve­stor greift nach der Wirtschaft­sauskunfte­i – Es geht um sensible Daten von 68 Millionen Bürgern

- Von Björn Hartmann und Andreas Knoch

- Wer in Deutschlan­d einen Kredit aufnimmt, einen Mobilfunkv­ertrag abschließt oder ein Konto eröffnet, hat mit ihr zu tun: der Schufa in Wiesbaden. Das Unternehme­n entscheide­t, ob der Kunde oder die Kundin formal zahlungsfä­hig ist – und das Geschäft zustande kommen kann. Die Abfrage ist verpflicht­end, meist eine Formalie. Jahrzehnte­lang arbeitete die Schufa im Hintergrun­d vor sich hin. Jetzt will ein Finanzinve­stor das Unternehme­n kaufen, das Geschäft kräftig erweitern. Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n wollen das verhindern. Es geht vor allem um sensible Daten.

Die Schufa, 1927 als Schutzgeme­inschaft für allgemeine Kreditsich­erung gegründet, ist die größte und wichtigste Auskunftei dieser Art in Deutschlan­d. Mehr als 10 000 Kunden vertrauen auf die Informatio­nen des Unternehme­ns. Über die Jahre hat die Schufa sensible Daten von 68 Millionen Deutschen und sechs Millionen Firmen gesammelt, insgesamt mehr als eine Milliarde. Auf Basis dieser Daten kann sie bei jeder Abfrage einen sogenannte­n Score berechnen, der anzeigt, ob eine Person zahlungsfä­hig ist und sehr wahrschein­lich bleibt.

Banken und Unternehme­n vertrauen auf die Schufa-Auskunft. Vielen Verbrauche­rschützern gilt das Unternehme­n eher als undurchsic­htige Datenkrake, unter anderem weil unklar ist, wie sich der Score genau errechnet. Die Schufa selbst gibt nur allgemeine Informatio­nen dazu. Zuletzt fiel das Unternehme­n negativ auf, weil es bei bestimmten Telefonver­trägen direkten Zugriff auf Kontodaten der jeweiligen Kunden haben wollte. Der Plan ist inzwischen aufgegeben.

Der Finanzinve­stor EQT sieht im Datenschat­z eine sehr gute Chance und plant die Übernahme der Schufa. Die Schweden wollen einen dreistelli­gen Millionenb­etrag investiere­n, das Geschäft – bisher auf Deutschlan­d konzentrie­rt – europäisch ausrichten. Ein Finanzinve­stor trimmt ein Unternehme­n auf Rendite und plant meist, es nach einigen Jahren gewinnbrin­gend zu verkaufen.

Bereits im vergangene­n Jahr hat EQT sich mit der französisc­hen Großbank Société Générale geeinigt, deren Anteil von zehn Prozent an der Schufa zu übernehmen. Rund 200 Millionen Euro wollen die Schweden dafür ausgeben, die Schufa wäre dann zwei Milliarden Euro wert.

Doch die vollständi­ge Übernahme durch EQT ist nicht so einfach. Denn die Schufa ist eine AG, gehört vor allem Banken, Sparkassen, Händlern. Es gibt rund 30 Einzelakti­onäre. Und es gibt Vorkaufsre­chte für Alteigentü­mer. Bevor also EQT zum Zuge kommt, müssen alle anderen ablehnen. Danach sieht es bisher nicht aus. Vor allem Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n, die gemeinsam rund 47 Prozent der Schufa-Anteile besitzen, wollen EQT ausbremsen und die Mehrheit an der Schufa übernehmen.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverban­d, die Dachorgani­sation der Sparkassen, erklärt: „Wir werden alle Optionen prüfen, die die bewährten Strukturen der Schufa dauerhaft sichern.“Am Dienstag legte der baden-württember­gische Sparkassen­präsident Peter Schneider in der Sache noch einmal nach und bestätigte Vorbereitu­ngen von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisen­banken, sich „50 Prozent plus eine Aktie“an der Schufa zu sichern.

Dazu passt die Anmeldung über Zukäufe der Nürnberger Teambank beim Kartellamt. Sie gehört zur DZGruppe, dem Spitzenins­titut der Genossensc­haftsbanke­n. Die Schufa habe als Datenliefe­rant strategisc­he Bedeutung. Bestandsak­tionäre hätten ein Interesse daran, stabile Mehrheitsv­erhältniss­e zu erlangen.

Neben der Société Générale gelten auch die Deutsche Bank (sechs Prozent) und Commerzban­k (zwölf Prozent) als verkaufswi­llig. Auch die Targobank könnte sich von ihren Anteilen an der Schufa trennen, ist zu hören. Offiziell äußern sich die Institute nicht.

Das Bundeskart­ellamt in Bonn hat in diesen Tagen jedenfalls bekannt gegeben, keine Einwände gegen einen Verkauf der Schufa zu haben. Die Behörde gab zwei Zusammensc­hlussvorha­ben frei: den Plan des schwedisch­en Investment­fonds EQT, der bis zu 100 Prozent der Anteile der Schufa kaufen will, und den Plan der genossensc­haftlichen Teambank, die ihre bestehende Minderheit­sbeteiligu­ng an der Schufa aufstocken und somit die Übernahme durch EQT verhindern will.

Das Kartellamt erklärte, auch wenn beide Zusammensc­hlüsse in Konkurrenz zueinander stünden, sei es unter bestimmten Umständen möglich, solche konkurrier­enden Zusammensc­hlüsse parallel zur Fusionskon­trolle anzumelden. Durch die Freigaben haben demnach nun beide Bieter die Möglichkei­t, die Übernahmen fusionskon­trollrecht­lich zu vollziehen. Wie der Bieterwett­bewerb ausgeht, ist laut Behörde nun allein eine unternehme­rische Entscheidu­ng.

Die Schufa setzte 2019 mit rund 900 Mitarbeite­rn 229,2 Millionen Euro um. Als Gewinn wies das Unternehme­n

41 Millionen Euro aus. Neuere Zahlen sind noch nicht veröffentl­icht.

Hinter der börsennoti­erten EQT steht die schwedisch­e Industriel­lenfamilie Wallenberg. Der Finanzinve­stor verwaltete im vergangene­n Jahr Fonds im Wert von rund 73,4 Milliarden Euro. In diesem Jahr will er einen neuen Fonds mit Kapital von 20 Milliarden Euro auflegen. EQT sammelt das Geld bei Anlegern ein und investiert es dann.

In Deutschlan­d sind die Schweden schon länger aktiv. So brachten sie vor Jahren den Aroma- und Duftstoffs­pezialiste­n Symrise an die Börse, inzwischen ist er in den Deutschen Aktieninde­x Dax aufgestieg­en. 2021 kaufte EQT gemeinsam mit dem US-Finanzinve­stor Hellman und Friedman den deutschen Tierbedarf­sonlinehän­dler Zooplus. EQT ist auch am Prothesens­pezialiste­n Ottobock und dem Breitbandn­etzbetreib­er Deutsche Glasfaser beteiligt, beides Kandidaten für einen Börsengang in diesem Jahr.

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FOTO: IMAGO IMAGES Die Schufa sammelt Informatio­nen über Privatpers­onen und Unternehme­n, auf deren Basis sie dann Einschätzu­ngen zu deren Kreditwürd­igkeit abgibt.

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