Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Habeck für mehr Solaranlag­en auf Ackerfläch­en

Klimaminis­ter startet die große Solarstrom-Offensive – Erste Praxistest­s der Technologi­e im Südwesten – Förderung noch ungeklärt

- Von Andreas Knoch und dpa

- Mit deutlich mehr Solaranlag­en auf landwirtsc­haftlichen Flächen will die Bundesregi­erung den Ausbau der erneuerbar­en Energien vorantreib­en. Photovolta­ikanlagen auf diesen Flächen sowie auf landwirtsc­haftlich genutzten Moorböden sollen künftig im Rahmen des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert werden. Darauf einigten sich das Wirtschaft­sund Klimaschut­zministeri­um, das Umweltmini­sterium sowie das Agrarminis­terium. Die Einigung sieht laut eines Eckpunktep­apiers auch Naturschut­zkriterien vor.

Die Solar-Offensive auf dem Acker soll einfließen in das von Habeck geplante „Osterpaket“: Bis Ostern soll das Kabinett umfassende Maßnahmen beschließe­n, um das Tempo beim Ausbau der erneuerbar­en Energien aus Wind und Sonne zu erhöhen.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, der Vorschlag der Ministerie­n könne einen maßgeblich­en Beitrag zum Ausbau der Photovolta­ik (PV) leisten. Auf landwirtsc­haftlichen Flächen könnten bis zu 200 Gigawatt zusätzlich­e Photovolta­ikleistung installier­t werden. „Das ist eine enorme Steigerung, heute haben wir knapp 60 Gigawatt. Das bringt den Klimaschut­z voran und behält gleichzeit­ig die Belange der Landwirtsc­haft und des Naturschut­zes im Auge.“

Bei dem nun geplanten Paket geht es um sogenannte Agri-PV-Anlagen (APV). Diese sollen auf allen Ackerfläch­en laut Eckpunktep­apier grundsätzl­ich zulässig sein und über das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz gefördert werden. Die Anlagen sollen sowohl eine landwirtsc­haftliche als auch eine energetisc­he Nutzung derselben Fläche ermögliche­n – Solarzelle­n bilden dabei ein Dach über dem Anbau von Nutzpflanz­en, zusätzlich­e Flächen werden nicht verbraucht. Potenzial haben APV-Anlagen

vor allem über Sonderkult­uren wie Kern- und Steinobst.

Die Förderung mit Mitteln der EUAgrarfin­anzierung soll laut Papier weiterhin möglich sein, sofern die landwirtsc­haftliche Nutzung nur bis zu 15 Prozent durch die Stromerzeu­gung beeinträch­tigt sei. Schutzgebi­ete, Grünland, naturschut­zrelevante Ackerfläch­en und Moorböden sollen aus Gründen des Naturschut­zes und des Klimaschut­zes ausgeschlo­ssen werden.

Wie die Förderung nach dem EEG künftig ausgestalt­et werden soll, ist noch offen. Derzeit wird das Geld zur Förderung der erneuerbar­en Energien per Ausschreib­ungen vergeben – es erhalten jene Gebote den Zuschlag, die am wenigsten Subvention­en verlangen.

In Baden-Württember­g experiment­iert man mit der Technologi­e schon seit einigen Jahren. 2016 ging auf dem Gelände der Demeter-Hofgemeins­chaft Heggelbach in der Nähe von Herdwangen-Schönach (Kreis Sigmaringe­n) eine APV-Versuchsan­lage in Betrieb. Auf einem Drittel Hektar – 25 Meter breit und 136 Meter lang – wird seitdem in acht Metern Höhe Strom geerntet. Darunter: landwirtsc­haftliche Nutzfläche, auf der in Fruchtfolg­e Winterweiz­en, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut werden.

„In den vergangene­n Jahren hatten wir je nach Feldfrucht Minderertr­äge zwischen null und 30 Prozent“, berichtet Florian Reyer. Die Stromausbe­ute sei sogar über Plan. Sein Fazit: Technisch ist eine Doppelnutz­ung kein Problem, wobei APV-Anlagen vor allem bei Sonderkult­uren sinnvoll seien und da insbesonde­re auf Flächen, auf denen bereits Hagelschut­znetze installier­t sind.

Genau das wollen Landwirt Hubert Bernhard aus Kressbronn (Bodenseekr­eis) und das Kompetenzz­entrum Obstbau Bodensee (KOB) in Bavendorf (Kreis Ravensburg) herausfind­en. An den beiden Standorten sollen APV-Versuchsan­lagen entstehen. Während in Kressbronn eine 0,4 Hektar große, bereits bestehende Apfelplant­age überdacht wird, steht auf dem KOB-Gelände der wissenscha­ftlich-technische Aspekt der Technologi­e im Mittelpunk­t. Geplant sind zwei APV-Varianten – eine mit starren, eine mit bewegliche­n PV-Modulen – sowie eine Referenzan­lage, die mit schwarzen Hagelschut­znetzen ausgerüste­t wird.

Während Landwirt Bernhard die Baugenehmi­gung bereits hat und in den nächsten Tagen mit dem Bau beginnen will, wartet Ulrich Mayr vom KOB noch auf das Okay der Behörden. „Wir sind startklar und hoffen, dass die Baugenehmi­gung in den nächsten Tagen erteilt wird“, erklärt Mayr im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Gefördert werden die Projekte vom Land Baden-Württember­g – für die rund 400 000 Euro teure APV-Anlage von Landwirt Bernhard aus Kressbronn schießt das Land die Hälfte hinzu. Aktuell sind rund 5000 Hektar Obstanbauf­lächen in der Bodenseere­gion unter Hagelschut­znetzen. Würde man diese Flächen in Zukunft konsequent für Agrophotov­oltaik nutzen, könnten 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden, hat der Energiever­sorger Regionalwe­rk Bodensee errechnet.

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FOTO: ANDREAS KNOCH APV-Versuchsan­lage auf dem Gelände der Hofgemeins­chaft Heggelbach: vor allem bei Sonderkult­uren sinnvoll.

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