Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Habeck für mehr Solaranlagen auf Ackerflächen
Klimaminister startet die große Solarstrom-Offensive – Erste Praxistests der Technologie im Südwesten – Förderung noch ungeklärt
- Mit deutlich mehr Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen will die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Photovoltaikanlagen auf diesen Flächen sowie auf landwirtschaftlich genutzten Moorböden sollen künftig im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert werden. Darauf einigten sich das Wirtschaftsund Klimaschutzministerium, das Umweltministerium sowie das Agrarministerium. Die Einigung sieht laut eines Eckpunktepapiers auch Naturschutzkriterien vor.
Die Solar-Offensive auf dem Acker soll einfließen in das von Habeck geplante „Osterpaket“: Bis Ostern soll das Kabinett umfassende Maßnahmen beschließen, um das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne zu erhöhen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, der Vorschlag der Ministerien könne einen maßgeblichen Beitrag zum Ausbau der Photovoltaik (PV) leisten. Auf landwirtschaftlichen Flächen könnten bis zu 200 Gigawatt zusätzliche Photovoltaikleistung installiert werden. „Das ist eine enorme Steigerung, heute haben wir knapp 60 Gigawatt. Das bringt den Klimaschutz voran und behält gleichzeitig die Belange der Landwirtschaft und des Naturschutzes im Auge.“
Bei dem nun geplanten Paket geht es um sogenannte Agri-PV-Anlagen (APV). Diese sollen auf allen Ackerflächen laut Eckpunktepapier grundsätzlich zulässig sein und über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden. Die Anlagen sollen sowohl eine landwirtschaftliche als auch eine energetische Nutzung derselben Fläche ermöglichen – Solarzellen bilden dabei ein Dach über dem Anbau von Nutzpflanzen, zusätzliche Flächen werden nicht verbraucht. Potenzial haben APV-Anlagen
vor allem über Sonderkulturen wie Kern- und Steinobst.
Die Förderung mit Mitteln der EUAgrarfinanzierung soll laut Papier weiterhin möglich sein, sofern die landwirtschaftliche Nutzung nur bis zu 15 Prozent durch die Stromerzeugung beeinträchtigt sei. Schutzgebiete, Grünland, naturschutzrelevante Ackerflächen und Moorböden sollen aus Gründen des Naturschutzes und des Klimaschutzes ausgeschlossen werden.
Wie die Förderung nach dem EEG künftig ausgestaltet werden soll, ist noch offen. Derzeit wird das Geld zur Förderung der erneuerbaren Energien per Ausschreibungen vergeben – es erhalten jene Gebote den Zuschlag, die am wenigsten Subventionen verlangen.
In Baden-Württemberg experimentiert man mit der Technologie schon seit einigen Jahren. 2016 ging auf dem Gelände der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach in der Nähe von Herdwangen-Schönach (Kreis Sigmaringen) eine APV-Versuchsanlage in Betrieb. Auf einem Drittel Hektar – 25 Meter breit und 136 Meter lang – wird seitdem in acht Metern Höhe Strom geerntet. Darunter: landwirtschaftliche Nutzfläche, auf der in Fruchtfolge Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut werden.
„In den vergangenen Jahren hatten wir je nach Feldfrucht Mindererträge zwischen null und 30 Prozent“, berichtet Florian Reyer. Die Stromausbeute sei sogar über Plan. Sein Fazit: Technisch ist eine Doppelnutzung kein Problem, wobei APV-Anlagen vor allem bei Sonderkulturen sinnvoll seien und da insbesondere auf Flächen, auf denen bereits Hagelschutznetze installiert sind.
Genau das wollen Landwirt Hubert Bernhard aus Kressbronn (Bodenseekreis) und das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) in Bavendorf (Kreis Ravensburg) herausfinden. An den beiden Standorten sollen APV-Versuchsanlagen entstehen. Während in Kressbronn eine 0,4 Hektar große, bereits bestehende Apfelplantage überdacht wird, steht auf dem KOB-Gelände der wissenschaftlich-technische Aspekt der Technologie im Mittelpunkt. Geplant sind zwei APV-Varianten – eine mit starren, eine mit beweglichen PV-Modulen – sowie eine Referenzanlage, die mit schwarzen Hagelschutznetzen ausgerüstet wird.
Während Landwirt Bernhard die Baugenehmigung bereits hat und in den nächsten Tagen mit dem Bau beginnen will, wartet Ulrich Mayr vom KOB noch auf das Okay der Behörden. „Wir sind startklar und hoffen, dass die Baugenehmigung in den nächsten Tagen erteilt wird“, erklärt Mayr im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Gefördert werden die Projekte vom Land Baden-Württemberg – für die rund 400 000 Euro teure APV-Anlage von Landwirt Bernhard aus Kressbronn schießt das Land die Hälfte hinzu. Aktuell sind rund 5000 Hektar Obstanbauflächen in der Bodenseeregion unter Hagelschutznetzen. Würde man diese Flächen in Zukunft konsequent für Agrophotovoltaik nutzen, könnten 1,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden, hat der Energieversorger Regionalwerk Bodensee errechnet.