Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Stirnband mit Klunkern
Acht Sonderbriefmarken wurden zum Kronjubiläum von Queen Elizabeth herausgegeben – quasi eine extravagante Hutmodenschau quer durch 70 Jahre. Aber kein Foto zeigt die Königin mit einem Diadem. Was sehr erstaunlich ist, denn an kostbarsten Diademen mangelt es wahrhaft nicht in ihren Schmuckschatullen – wohlgemerkt: Schatullen, Mehrzahl. Auch der größte Überseekoffer dürfte nicht ausreichen für die royalen Juwelen. Wer will, kann im Internet eine prachtvolle Parade von Diademen mit gleißenden Diamanten, Rubinen, Saphiren, Smaragden etc. auf sich wirken lassen. Dabei ist dieser erlesene Luxus im altgriechischen Wort Diadem gar nicht angelegt. Am Anfang war nur ein Stirnband – Diadem heißt wörtlich übersetzt Umgebundenes.
Unter einem Diadem verstand man also zunächst eine Binde, um die Haare zusammenzuhalten. Daraus entwickelte sich zum einen der Reif für einen Herrscher, zum anderen der Lorbeerkranz für einen Sieger im Wettkampf – beides Vorläufer der Krone. Als Diadem aber galt fortan eine Halbkrone mit einer erhöhten Partie über der Stirnmitte. Dieses Urmodell trugen bei den Griechen sowohl Männer als auch Frauen. Als sich später aber nur die Gemahlinnen der römischen Kaiser mit Diademen schmückten, war eine Linie vorgezeichnet, die sich bis heute durchzieht: Halbkronen galten stets als beliebte Accessoires der aristokratischen Damenwelt. Ihre höchste Blüte erreichte diese Mode in der Zeit des Empire nach 1800. Heute schmücken sich in der Regel nur noch Vertreterinnen des Hochadels – Königinnen, Fürstinnen, Gräfinnen – mit echten Diademen. Aber auch die Häubchen der Dienstmädchen in herrschaftlichen Familien oder der Bedienungen in feinen Kaffeehäusern darf man in dieser Tradition sehen – nur eben Spitze statt Spitzenschmuck.
Wer nun in einer Londoner Zeitung von the Queen’s wonderful tiara liest, wird zunächst stutzen. Aber tiara ist im Englischen in der Tat ein anderes Wort für diadem. Wir Deutschen verstehen unter Tiara dagegen die dreistufige Krone der Päpste, die während des Mittelalters – aus Byzanz
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf. kommend – in Rom eingeführt wurde. Als letzter Papst wurde Paul VI. 1963 mit einer Tiara gekrönt. Ein Jahr später spendete er sie für wohltätige Zwecke.
Mit dem Spezialausdruck Tiara werden allerdings auch die Kopfbedeckungen altorientalischer Herrscher bezeichnet. Und damit sind wir an der Wurzel: Tiara ist die griechische Version eines persischen Wortes. Eine Tiara war ursprünglich eine hohe, konisch zulaufende Mütze aus Wolle oder Fell, deren Spitze nach vorne umgeklappt werden konnte. Damit ist sie in Verbindung zu sehen mit der typischen Kopfbedeckung der Phryger, eines benachbarten antiken Volkes in der heutigen Türkei. Deren Mütze war – um es unverblümt zu sagen – aus dem Hodensack eines Stieres
Bei den Griechen galt die phrygische Mütze zunächst als schlechthin barbarisch. Aber das änderte sich, abzulesen an vielen antiken Darstellungen: Nicht mehr nur den Feinden aus Persien oder Troja stülpte man sie über den Kopf, sondern auch den Makedoniern. Weil Alexander der Große Makedonier war, bürgerte sich diese Art von Kappe in Griechenland ein, und seither ist sie aus der Geschichte der Kleidung einfach nicht mehr wegzudenken: von den Weisen aus dem Morgenland auf einem Mosaik in Ravenna über die Dogen von Venedig und die Jakobiner der Französischen Revolution – bis hin zu unseren Gartenzwergen.
Manche Zeitgenossen mit Beanie auf dem Kopf sind davon auch nicht weit entfernt. Ein Beanie – von englisch bean (Bohne) – ist im heutigen Modeslang gemeinhin eine hohe Wollmütze. Queen Elizabeth trägt nie Beanies.
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