Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mordfall in Brasilien scheint gelöst

Für die Eltern des Baindters Kevin Gesualdi Doll endet eine Odyssee

- Von Philipp Richter ●

- Neue Entwicklun­g im Fall des in Brasilien getöteten Baindters: Nach brasiliani­schen Medienberi­chten hat sich der mutmaßlich­e Mörder von Kevin Gesualdi Doll das Leben genommen. Daher wird es in Brasilien auch nicht zum Prozess kommen. Damit endet für die Eltern von Kevin Gesualdi Doll eine Odyssee.

„Letztlich ist uns Gerechtigk­eit widerfahre­n, trotzdem hätten wir den Mann lieber vor Gericht gesehen“, sagt der Vater von Kevin Gesualdi Doll, Ralf Doll, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seit dem Tod seines Sohnes kämpfte er zusammen mit seiner Frau für die Aufklärung des Falls und dafür, dass es zu einem Prozess kommt.

Wie berichtet, hatte die Staatsanwa­ltschaft des brasiliani­schen Bundesstaa­tes Minas Gerais am 19. Oktober 2021 gegen den Tatverdäch­tigen Anklage wegen Mordes erhoben. Es sollte der Mann verurteilt werden, der im Verdacht stand, seinen damals 22-jährigen Sohn getötet zu haben. Dass es überhaupt zur Anklage kam, war für die Eltern ein langer Kampf.

Dieser lange Kampf kostete das Ehepaar aus Baindt nicht nur Energie, sondern auch viel Geld, denn den Kampf – auch gegen Widerständ­e in den brasiliani­schen Behörden – führten sie mit Rechtsanwä­lten.

Nach zweieinhal­b Jahren hatte das Ehepaar nun insgesamt schon drei Rechtsanwä­lte engagiert. Die Kosten für die Rechtsanwä­lte seien so hoch gewesen, dass man von der Summe einen Kleinwagen hätte kaufen können, berichtet Doll.

Kevin Gesualdi Doll lebte zuletzt in der 2,5-Millionen-Metropole Belo Horizonte, nördlich von Rio de Janeiro. Aufgewachs­en ist er in Oberschwab­en.

In Bodnegg ging er zur Schule und machte schließlic­h in Brasilien sein Abitur, weil er wegen seiner brasiliani­sch-stämmigen Mutter Portugiesi­sch sprach.

Nach dem Abitur studierte er Psychologi­e. Doch das sollte er nicht zu Ende studieren können. Am 9. August 2020 wurde er im Treppenhau­s eines mehrstöcki­gen Wohnhauses niedergest­ochen. Anfänglich

entstand der Eindruck, der 22-Jährige hätte sich aggressiv verhalten und sein Kontrahent sich gewehrt.

Im Internet kursierte ein Video einer Überwachun­gskamera des Treppenhau­ses. Dieses zeigt, wie Kevin Gesualdi Doll einen Mann schlägt. Es ließ die Vermutung zu, dass die Aggression von dem 22-jährigen Baindter ausging. Doch für die

Eltern war der Fall nicht so klar, wie es dieses Video scheinen ließ. Sie gehen davon aus, dass das Video vom Tatverdäch­tigen selbst ins Netz gestellt worden ist und nur einen Teil der Geschichte zeigt.

Ein weiteres Video einer Überwachun­gskamera zeigte, dass sich der Tatverdäch­tige und sein Opfer schon in der Tiefgarage des Hauses getroffen haben. Auf diesem Video ist zu sehen, wie der Angreifer seinem späteren Opfer Kevin Gesualdi Doll dort bereits unvermitte­lt ins Gesicht geschlagen hat.

Die Eltern kämpften mithilfe von Anwälten und wollten, dass der Fall aufgeklärt wird und klar wird, dass ihr Sohn nicht Täter, sondern Opfer ist. Doch das war anfangs schwierig. Letztlich aber ermittelte die Staatsanwa­ltschaft und erhob Anklage wegen Mordes gegen den Mann, der Kevin Gesualdi Doll niedergest­ochen haben soll.

Tatverdäch­tig ist ein ehemaliger Polizeibea­mter der Polícia Civil in Belo Horizonte – ein damaliger Nachbar von Kevin Gesualdi Doll. Letztlich offenbarte der Obduktions­bericht, wie brutal der Täter gegen Kevin Gesualdi Doll vorgegange­n ist. Laut Ralf Doll geht aus dem Bericht hervor, dass sein Sohn mit neun Messerstic­hen getötet wurde – drei Stiche seien ins Herz gegangen. Ein wichtiges Detail im Bericht: Es wurden keine Drogen im Blut gefunden. Wie das brasiliani­sche OnlinePort­al

globo.com berichtet, ist der mutmaßlich­e Mörder von Kevin Gesualdi jetzt tot. Offenbar ist der 35Jährige im brasiliani­schen Bundesstaa­t Bahia untergetau­cht, wo er zuletzt als Koch arbeitete. Weil der Mann untergetau­cht war, konnte auch der Prozess gegen ihn nicht geführt werden. Familie Gesualdi Doll hatte darüber nachgedach­t, Detektive einzusetze­n, um herauszufi­nden, wo sich der Mann befindet. Doch diese Frage hat sich nun geklärt. In Bahia hat sich der Mann laut den Medienberi­chten selbst das Leben genommen, nachdem er zuvor seine Partnerin erstickt hatte. Sie hatte sich von ihm getrennt. In einem angebliche­n Abschiedsb­rief habe er den Mord gestanden. Außerdem habe er auch den Mord an Kevin Gesualdi Doll gestanden, wie in den Berichten zu lesen ist.

Jetzt können die Eltern zur Ruhe kommen, auch wenn sie sich einen anderen Ausgang des Falls gewünscht hätten. „Es ist schlimm, dass noch ein Mensch sterben musste“, sagt Ralf Doll. Doch die Mühlen der brasiliani­schen Behörden hätten zu langsam gemahlen. „Aber es ist schön, dass wir letztlich doch recht bekommen haben, weil die Staatsanwa­ltschaft Anklage wegen Mordes erhoben hat“, sagt der Vater. Dass es überhaupt soweit kam, sei ihrem Druck und den Fragen der Medien zu verdanken, ist er sich sicher.

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ARCHIVFOTO­S: PRIVAT/DPA Kevin Gesualdi Doll ist im August 2020 in Belo Horizonte in Brasilien getötet worden.

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