Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Sie ist die Brücke zu den Studenten
Neue Hochschulbeauftragte Melanie Koller mit Kampagne für Erstsemester in Weingarten
- Mit Melanie Koller möchte die Weingartener Stadtverwaltung nach Kritik eine Brücke zu den rund 7500 Studenten schlagen. Die 30-Jährige aus Rheinland-Pfalz ist die neue städtische Hochschulbeauftragte und arbeitet bereits an einer Kampagne zur Begrüßung der Erstsemester. Das ist neu. Dabei hofft die Stadt auch, mehr Studenten dazu bewegen zu können, ihren Wohnsitz in Weingarten zu melden – das tun wohl zu wenig.
Der Liebe wegen ist Melanie Koller aus der Ecke Koblenz in den Bodenseekreis gezogen. Sie studierte an einer Hochschule für öffentliche Verwaltung und habe sich in der Stellenausschreibung für die Hochschulbeauftragte in Weingarten direkt wiedergefunden. „Ich möchte mit meiner Stelle etwas bewirken und sehe enorm viele Potenziale, Weingarten als Hochschulstadt weiterzuentwickeln“, sagt sie. Im November 2022 hat sie die unbefristete 50-Prozent-Stelle ihrer Vorgängerin übernommen, die den Job nur etwa ein halbes Jahr ausführte.
Dass die Studenten mit der Kommunikation zwischen ihnen und der Stadt hadern, im vergangenen Jahr sogar für Verbesserungen demonstriert haben, weiß Melanie Koller. Deshalb setzt sie ihren Schwerpunkt nun genau dort: in der direkten Zusammenarbeit mit den Studenten. In den zwei vergangenen Monaten habe sie sämtliche Akteure kennengelernt, von den Studenten, über die Fachschaften und Rektorate, den Studentenschaften bis hin zur Studentenkneipe Alibi. Jetzt gelte es, die Strukturen der Stadt und der Studenten zu verknüpfen.
Als ein Beispiel nennt die 30-Jährige die Gruppe „Bürger in Kontakt“, die auch Umweltthemen bearbeitet. Auf der anderen Seite gebe es die Umwelt-AG an der Hochschule. Eine Kooperation liege hier auf der Hand. Sabine Weisel, in deren Abteilung für Kommunikation, Integration und Bürgerschaftliches Engagement das Thema angesiedelt ist, möchte auch, dass der Wissenstransfer in Zukunft besser gelingt. Das Wissen, das an der Hochschule gelehrt wird, solle in die Stadt und zum Bürger weitergetragen werden.
Melanie Koller hofft nun, dass man die Unstimmigkeiten hinter sich lassen könne, um nach vorne zu schauen. „Ich sehe mich als Schnittstelle zwischen Stadt, Hochschulen und Studierenden. Ich möchte alle Akteure einladen, sich auf dieses Projekt einzulassen“, sagt sie. Sie sehe sich als Botschafterin, die vermittelt und netzwerkt. Beide Seiten müssten sich gehört fühlen, aber auch zu Kompromissen bereit sein.
Der Wille sei da, so die Hochschulbeauftragte. Sie sei überall auf
offene Türen gestoßen. Dass die Stadt Räume schaffen möchte, in denen Studenten auch Studenten sein können, ist für Melanie Koller klar. Weisel ergänzt: „Im Moment konzentrieren sich die Partys in der Oberstadt. Mit einer weiteren Location für die Studenten in einem anderen Teil des Stadtgebiets würde sich die Situation deutlich entzerren.“Dazu müssten jedoch zunächst alle Akteure, die über Flächen verfügen, miteinander am Tisch sitzen – das Land, die Hochschulen und die Stadt.
Auf all diese Themen möchte sich Melanie Koller konzentrieren, wenn nicht gerade die Semester beginnen, denn dann muss sie versuchen, den neuen Studenten das Einwohnermeldeamt näherzubringen. Weisel erklärt: „Wir vermuten, dass sich viele Studierende mit der Thematik, ,Erstwohnsitz’ bei ihrem Umzug nach Weingarten noch gar nicht auseinandergesetzt haben. Wir wollen die Informationen dazu studierendenfreundlich vermitteln.“
Die Sache ist deshalb von Bedeutung, weil die Stadt für jeden gemeldeten Bürger eine Pauschale im höheren dreistelligen Bereich vom Land erhält. Genutzt werde das Geld für die Infrastruktur der Stadt, die
auch die Studenten in Anspruch nehmen. Rechtlich betrachtet sei die Anmeldung gar eine Pflicht, weshalb unangemeldete Bürger mit einer Strafe rechnen müssen. Durch die Anmeldung hingegen ergebe sich laut Stadt kein Nachteil für die Studenten.
„Wir möchten als Stadt nicht mit erhobenem Finger belehren oder an Haustüren klopfen, sondern mit einer Kampagne den Studenten auf Augenhöhe begegnen und ihnen die wichtigsten Informationen zum Thema Erstwohnsitz vermitteln“, stellt Melanie Koller klar. Mit der neuen Kampagne wollen sich Stadt und verschiedene Unternehmen erstmals an der Erstsemester-Begrüßung beteiligen. Los geht es in den sogenannten „Ersti-Wochen“Ende März bis Anfang April. Derzeit werde auch ein Logo entwickelt, mit dem künftig alles versehen wird, was mit dem Thema Hochschule zu tun hat.
„Eine Stadt wird nicht aufgrund eines neuen Ortsschilds zur Hochschulstadt. Alle, ob Bürger, Unternehmen, Stadträte, Hochschulakteure, Studierende oder Mitarbeiter der Stadtverwaltung, müssen dieses Projekt nun Schritt für Schritt mit Leben füllen“, so Weisel. Es werde schnell umsetzbare Projekte geben,
aber auch Marathons, die Weisel und Koller auf sich nehmen wollen. „Meine ersten Wochen hier haben gezeigt, dass die meisten meiner Gesprächspartner für das Thema Hochschulstadt brennen“, so Koller. Es liege noch ein „gehöriger Weg“vor ihnen, doch er werde konsequent beschritten.
Marlon Stawinoga, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Pädagogischen Hochschule Weingarten, glaubt, dass die neue Hochschulbeauftragte eine schwierige Position hat. Sie stehe zwischen den Fronten von Stadt und Studenten, sei aber gleichzeitig der Stadt verpflichtet. Dennoch sieht er das Potenzial, dass sich etwas ändern könnte. Er sagt: „Wir wünschen uns, dass wir von Anfang in die Prozesse miteingebunden werden. Wir kennen ja auch die Bedürfnisse der Studenten.“
Bislang sei das Kernproblem die fehlende Teilhabe der Studenten an Entscheidungen, die die Studenten zwar betreffen, die Stadt jedoch alleine fälle. Weingarten sei laut Stawinoga noch keine Hochschulstadt, er würde sie zusammen mit der Stadtverwaltung aber gern dazu machen und strebt ein „Miteinander, statt ein Nebeneinander“an.