Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Platz auf der Bühne für die Letzte Generation

Viel Krieg und wenig Frieden – Das Theater Ulm beackert in seiner neuen Spielzeit aktuelle Konflikte

- Von Johannes Rauneker

- Wer keine Zeit hat, seinen Kindern den aktuellen Groß-Dissens um den Klimaschut­z zu erklären, der kann sie stattdesse­n ins Theater Ulm schicken. Schon für Fünfjährig­e sei das Stück „Robin Hood“geeignet. Ab November verwandelt sich die Bühne des Mehrsparte­nhauses am Herbert-von-Karajan-Platz 1 in seiner Reihe „Junges Theater“in den Sherwood Forest. Für Intendant Kay Metzger ist der selbstlose, und wie er betont „naturverbu­ndene“, Kämpfer gegen die Obrigkeit die ideale Figur, um Kindern zu zeigen, worum es sich zu streiten lohnt. Oder auch nicht.

Das Theater Ulm ist das älteste städtische Theater in Deutschlan­d. Im September startet seine neue Spielzeit 2023/24, die unter dem Motto steht: „Geboren unter jedem

Himmel“, ein Zitat der Protagonis­tin aus Goethes „Iphigenie auf Tauris“. Metzger übersetzt für alle literarisc­h nicht ganz so Beflissene­n: Iphigenie, eine „starke Frauenfigu­r der Klassik“, verkörpere Gleichheit und Gerechtigk­eit. Es dürfe keine Rolle spielen, wo jemand geboren wurde. Wichtig sei hingegen die „Achtung vor dem anderen“.

Gegen Ungerechti­gkeiten kämpfen: Das soll der Leitfaden sein des neuen und prallen Programms. Man könnte sagen: Metzger räumt auch umstritten­en Gruppen wie der Letzten Generation, die munter Straßen und Rollbahnen blockiert in dieser Republik, einen Platz auf der Bühne ein. Aber so soll es ja auch sein. Nur mit dem Ohr am Puls der Zeit bleibt Kultur relevant.

In „Was zündet, was brennt“von Magdalena Schrefel (ab Januar 2024) besetzen beispielsw­eise Umweltschü­tzer

eine Erdölraffi­nerie. Nicht minder zeitkritis­ch dürfte das „Schiff der Träume“(nach dem Film von Federico Fellini) daherkomme­n (ab September). Ein Luxusliner mit Vertretern der gesellscha­ftlichen Elite gondelt über hohe See – und trifft plötzlich auf ein Boot mit Flüchtling­en. Metzger beschreibt das Stück als „Zusammenst­oß unterschie­dlicher Welten“.

In der Schauspiel-Sparte haben darüber hinaus noch so bekannte Stoffe wie „Der Prozess“(ab Mai 2024) von Kafka, eben Goethes „Iphigenie“(ab Februar 2024) und die Kleist-Novelle „Michael Kohlhaas“(ab November) Platz.

Noch dramatisch­er geht’s im Musiktheat­er zu. Hier übernimmt bisweilen, wie derzeit in der Ukraine, der Krieg die Regie. Neben der Oper „Tosca“(ab September) sind das Musical „Anatevka“und Wagners „Parsifal“(März 2024) zu hören und zu sehen. Metzger zu Letzterem: „Die Kraftprobe für unser Haus.“Wagner ist eh eine eigene Liga. Statt für Gerechtigk­eit interessie­rt sich dieser mehr für „Erlösung“, so Metzger. Im „Parsifal“werde dies auf die Spitze getrieben. Fulminant dürften auch die Philharmon­ischen Konzerte ausfallen (ab Oktober), gespielt werden unter anderem Mahler, Mozart, Beethoven und Hindemith.

Streitlust­ig und politisch auch das Tanztheate­r. In „Marie! Romy! Petra!“stehen ab Oktober abermals starke Frauenfigu­ren im Zentrum: Marie Curie, Romy Schneider und Petra Kelly. Allesamt Frauen, die sich, laut Metzger, „mutig, aber auch mit einem Hang zur Selbstzers­törung“ins Leben gestürzt hätten. Keine der Dreien wurde alt. Sie haben der Welt jedoch ihren Stempel aufgedrück­t.

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