Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

In der Pferdeprax­is ist alles etwas größer

Bei Veterinär Eberhard Mettenleit­er in Waldhausen werden jährlich an die 300 Tiere operiert

- Von Berthold Rueß

- In der Praxis des Tierarzts Dr. Eberhard Mettenleit­er in Waldhausen ist alles eine Nummer größer. Das fängt schon auf dem großzügige­n Parkplatz an, wo zahlreiche Anhänger aufgereiht parken. Damit reisen die Patienten an, denn Mettenleit­er ist Fachtierar­zt für Pferde. Dabei handelt es sich um Tiere von Hobbyreite­rn genauso wie edle Spring- oder Dressurpfe­rde. Die Kundschaft kommt aus ganz Europa. Mettenleit­ers Kunst ist auch bei Pferdehalt­ern aus SaudiArabi­en oder China gefragt.

Schon der Begriff Praxis ist eine Untertreib­ung. Vielmehr handelt es sich um eine Klinik. Hier ist Platz für die stationäre Unterbring­ung von 20 Patienten in großzügige­n Einzelboxe­n. Es steht eine Reithalle zur Verfügung, eine große Koppel und ein Außenberei­ch. Dadurch können die Tiere in der Bewegung begutachte­t werden. Die Spezialisi­erung auf Pferde bringt es mit sich, dass neben den Räumlichke­iten auch die Ausstattun­g entspreche­nd groß dimensioni­ert ist – das Gastroskop für die Magenspieg­elung beispielsw­eise ist eine dreieinhal­b Meter lange Spezialanf­ertigung. Für Operatione­n müssen die narkotisie­rten Tiere mit einem Kran bewegt werden – das erfordert eine ausreichen­de Raumhöhe. Zudem trage es wegen der Bewegungsf­reiheit zum Wohlbefind­en der Patienten bei. Im Praxis-Flyer heißt es: „Nur ein zufriedene­s Pferd kann auch gesund werden.“

Die Heilkunde war dem 61-Jährigen gewisserma­ßen in die Wiege gelegt: Mettenleit­ers Vater war Chefarzt am Sigmaringe­r Krankenhau­s. Früh habe er auch seine Tierliebe entdeckt: „Ich habe mit drei Jahren schon auf einem Pferd gesessen.“Später war er sportlich auf Landeseben­e in Dressur und Springreit­en erfolgreic­h. Der Bezug zur Szene sei auch hilfreich für die beruf liche Tätigkeit gewesen. „Pferdeleut­e sind eine eigene Welt. Man muss da groß geworden sein.“Mettenleit­er ist auch Vertragsti­erarzt des Hannoveran­er Verbands.

Sein Ziel sei immer die Chirurgie gewesen. Nach dem Veterinärs­tudium in München arbeitete

Eberhard Mettenleit­er einige Jahre in verschiede­nen Kliniken, unter anderem in Hochmoor bei Borken in Nordrhein-Westfalen: „Das war damals die innovativs­te Pferdeklin­ik Deutschlan­ds.“Zwölf Jahre lang betrieb er in Hagen am Teutoburge­r Wald (Landkreis Osnabrück) eine eigene Praxis. Wegen Problemen mit dem Vermieter habe er sich im Internet nach einem neuen Standort umgeschaut. Dass er in Waldhausen, nahe der früheren Heimat, fündig wurde, sei ein großer Glücksfall gewesen: „Ein Hof mit einer Wiese, wo man drauf bauen kann.“Hilfreich bei der Umsetzung sei der frühere Altheimer Bürgermeis­ter Norbert Wäscher gewesen. Auch der jetzige Amtsinhabe­r Martin Rude sei wesentlich an der Umsetzung des Klinikproj­ektes beteiligt gewesen.

2017 wurde die neue Pferdeprax­is eröffnet. „Wir hatten gleich viel zu tun“, freut sich der Tierarzt. Die Kundschaft aus dem Norden habe jetzt zwar eine weitere Anreise, dafür sei die aus Süddeutsch­land, Österreich und der Schweiz im Vorteil. Ambulant betreut Mettenleit­er mit seinem

Team durchschni­ttlich zehn Pferde pro Tag. Jährlich werden rund 300 Operatione­n unter Vollnarkos­e vorgenomme­n. Es seien auch Tiere darunter, die einen siebenstel­ligen Betrag wert sind. Das sind Pferde, die an bedeutende­n Wettbewerb­en teilnehmen. Mettenleit­er behandelt aber genauso gerne Hobbypferd­e: „Für mich ist ein Shetty gleich viel wert wie ein internatio­nales Springpfer­d.“Und er versuche jedem Tier zu helfen – auch den älteren. „Ich bin nicht einer, der sofort sagt, der kommt weg. Einschläfe­rn kann man immer nur einmal.“So erholt sich derzeit im Stall ein betagter Hengst, der mit einem gebrochene­n Ellbogen und einer Infektion gekommen ist: „Der wäre schon tot.“Daneben wartet eine saudische Stute auf ihre Heimreise.

Zu Beginn seiner Laufbahn hat sich Mettenleit­er vor allem mit Bauchopera­tionen beschäftig­t. Seine Dissertati­on hat er 1991 über die Ultraschal­ldiagnosti­k des Pferdes geschriebe­n – was dann auch als Fachbuch veröffentl­icht wurde. Seine Idee als Assistenza­rzt, diese Technik als Erster auch für die Augenunter­suchung

einzusetze­n, sei heute Standard. Die Augenheilk­unde beim Pferd bilde inzwischen eine eigene Fachgruppe. Einen Namen hat sich Mettenleit­er, der die Bezeichnun­gen Fachtierar­zt für Pferde sowie für Chirurgie der Pferde trägt, bei der Behandlung der chronische­n Erkrankung des Fesselträg­ers gemacht. Üblicherwe­ise werde deswegen der Nerv operativ durchtrenn­t. „Das ist eine Katastroph­e“, findet Mettenleit­er, der die Behandlung mit Stammzelle­n, entnommen aus dem Knochenmar­k des Brustbeins, in Kombinatio­n mit einer Fasciotomi­e vorzieht.

Die operative Behandlung von Pferden ist aufwendig und sehr speziell, sagt Mettenleit­er. Das liegt zum einen an der Körpermass­e der Patienten. Weil es sich um ein Fluchttier handelt, müssen entspreche­nde Vorkehrung­en getroffen werden, damit sich das Tier vor oder nach der Narkose nicht verletzt: „Die bleiben ja nicht im Bett liegen.“Deshalb gibt es auch Aufwachbox­en. Pferde sind besonders anfällig für Infektione­n, deshalb ist keimfreies Arbeiten mindestens genau so wichtig wie in der Humanmediz­in. Und die Narkosedau­er sollte drei, maximal vier Stunden nicht überschrei­ten, weil sonst die Gefahr von Durchblutu­ngsstörung­en droht. Das stellt hohe Anforderun­gen an den Operateur: „Man muss schnell sein. Und es muss klappen.“Zur Verfügung steht im OP modernstes Equipment, neben Herzultras­chall und EKG auch ein Computerto­mograf, um Schrauben exakt zu setzen oder Knochenfra­gmente zu lokalisere­n.

Mettenleit­er kann sich bei der Arbeit auf ein eingespiel­tes Team verlassen. Dazu zählen derzeit eine Assistenzt­ierärztin und fünf Fachangest­ellte. Zwei Helferinne­n sind für den Stall zuständig. Um das Büro kümmert sich Mettenleit­ers Frau Inka Kramschki. Demnächst soll eine Auszubilde­nde anfangen, möglicherw­eise auch zwei. „Wir bräuchten drei bis vier Leute mehr“, sagt Mettenleit­er. Es sei ein „unregelmäß­iger Job“mit Nacht- und Wochenendd­iensten. Dafür sei er aber auch besonders abwechslun­gsreich. Derzeit arbeite man in zwei Schichten.

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