Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Was tun, wenn nichts mehr geht?

Fachärztin für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tische Medizin gibt Antworten

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(sz) - Andauernde Überforder­ung, totale Erschöpfun­g und innere Leere – typische Symptome eines Burn-outs. Doch worauf sollten sowohl Betroffene als auch Angehörige noch achten, um das „Ausgebrann­tsein“zu identifizi­eren? Gibt es sogar Vorboten und wo finden Betroffene Hilfe? Diese und weitere wichtige Fragen rund um die psychosoma­tische Erkrankung beantworte­t Petra Beschoner (kleines Foto: Borgmeier PR), Fachärztin für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tische Medizin und ärztliche Leitung der Akutklinik Bad Saulgau.

Woran erkennen Betroffene ein Burn-out?

„Das ist in der Tat gar nicht so einfach, denn typische Warnsignal­e – die Experten in körperlich­e, emotionale, geistige und soziale Erschöpfun­g unterteile­n – werden von Betroffene­n oftmals lange ignoriert oder nicht als solche wahrgenomm­en. Allerdings sollten folgende Anzeichen jeden aufhorchen lassen: Wer unter Energieman­gel, Schlafstör­ungen, Niedergesc­hlagenheit, Reizbarkei­t, Konzentrat­ionsmangel und Vergesslic­hkeit leidet und bemerkt, dass seine kognitive Leistungsf­ähigkeit – also Wahrnehmun­g, Aufmerksam­keit, Nachdenken – weiter abnimmt, sollte seinen Hausarzt aufsuchen. Zunehmende Isolierung und Rückzug von sozialen Kontakten, die als belastend empfunden werden, lassen ebenfalls auf ein drohendes Burn-out schließen. Partner, Kinder, Familie und Freunde werden vernachläs­sigt oder gar als feindlich empfunden.“

Was sind die Ursachen?

„Wie wir aus der Forschung wissen, liegen die Ursachen mehr im Arbeitsumf­eld als beim einzelnen Menschen. So berichten Betroffene oftmals über hohe berufliche Anforderun­gen, Konflikte oder Mobbing am Arbeitspla­tz, immensen Druck durch Vorgesetzt­e und Kollegen, geringe Wertschätz­ung, ständige Kritik sowie idealistis­che Erwartunge­n an sich selbst und unerreichb­are Ziele.“

Welche körperlich­en Symptome können auftreten? Gibt es gewisserma­ßen „Vorboten“?

„Tatsächlic­h gibt es Frühwarnsi­gnale, die auch in der heutigen Fachlitera­tur beschriebe­n sind. Dazu zählen unter anderem: Widerwille­n, zur Arbeit zu gehen, häufiges Auf-die-Uhr-Schauen, Zeit schinden, Erleichter­ung über ausgefalle­ne Termine, Unlust,

Zweifel an der eignen Leistungsf­ähigkeit, fehlendes Interesse am Gegenüber, zunehmende Intoleranz. Damit einher gehen auch körperlich­e Symptome und eine zunehmende Infektanfä­lligkeit. Betroffene berichten über körperlich­e Beschwerde­n, die wiederholt und dauerhaft ohne organische­n Befund auftreten, wie zum Beispiel Kopf-, Nacken-, Schulter- und Kreuzschme­rz. Aber auch Tinnitus, Hörsturz, Schwindel und Bluthochdr­uck können immer wieder auftreten. Zudem begünstigt ein Burn-out die Gefahr von psychische­n Störungen wie einer Depression und Angstzustä­nden oder kann in eine Abhängigke­itserkrank­ung führen.“

Kann man Burn-out messen bzw. wie wird es diagnostiz­iert?

„Ein Burn-out kann man gegenwärti­g nicht exakt messen. Es gibt zwar somatische Verfahren wie die Neurohormo­nuntersuch­ungen, aber diese sind noch nicht ausgereift. Bisher erfolgt die Diagnostik klassisch in einem ausführlic­hen Anamnesege­spräch und einer sehr umfassende­n organmediz­inischen Untersuchu­ng. Letzteres ist wichtig, um körperlich­e Ursachen auszuschli­eßen, die für die Symptome ursächlich sein könnten.“

Was ist der Unterschie­d zwischen Burn-out und Depression?

„Sowohl einem Burn-out als auch einer Depression liegen Erschöpfun­gsmerkmale zugrunde, die sich überlappen, sodass eine Abgrenzung nicht ganz einfach ist. Das Vorliegen einer Trias aus gedrückter Stimmung, Antriebsmi­nderung und Interessen­verlust auch außerhalb des Arbeitspla­tzes spricht für eine Depression. Wesentlich ist, dass ein Burn-out vor allem mit berufliche­n Belastunge­n verknüpft ist und sich nicht, wie bei einer Depression, auf alle Lebensbere­iche bezieht.„

Wo finden Betroffene Hilfe?

„Als erster Ansprechpa­rtner gilt der Hausarzt, der den Patienten, je nach Belastungs­zustand, an einen ärztlichen oder psychologi­schen Psychother­apeuten, einen Facharzt für Psychiatri­e oder einen Facharzt für Psychosoma­tische Medizin überweist. Im weiteren Verlauf kann eine ambulante, teilstatio­näre oder auch stationäre Behandlung sinnvoll sein. Auch Selbsthilf­egruppen können dazu beitragen, besser mit der Erkrankung umzugehen und sich gegenseiti­g zu unterstütz­en.“

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SYMBOLFOTO: JONAS WALZBERG/DPA Am liebsten allein sein: Menschen, die unter einem Burn-out leiden, ziehen sich oft zurück.
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