Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Planung für Molldiete-Tunnel stockt

Ungewiss, ob nicht eine überirdisc­he Umgehungss­traße im Ravensburg­er Osten kommt

- Von Annette Vincenz

- Es ist still geworden um Ravensburg­s wichtigste­s Straßenbau­projekt. Der MolldieteT­unnel soll die Innenstadt eines Tages deutlich von Verkehrslä­rm und -schmutz entlasten, vor allem Lastwagen sollen die Ostumfahru­ng einmal nutzen. Doch die Vorplanung ist ins Stocken geraten. Nach vorsichtig­en Schätzunge­n dürfte allerfrühe­stens Mitte der 2030er-Jahre das erste Auto durch den Tunnel fahren – falls es denn überhaupt eine Tunnellösu­ng gibt. Der Stand der Dinge.

Mit der Planung für den Tunnel wurde bereits vor über 30 Jahren begonnen. Warum dauert das so lange?

Tatsächlic­h entstand die Idee einer Ostumfahru­ng bereits in den 1980er-Jahren, erste Planungen folgten in den Neunzigern. Doch dann verlor das Projekt den Prio-1-Status im Bundesverk­ehrswegepl­an und wurde dort erst 2017 wieder in die Liste der wichtigste­n Straßenbau­projekte aufgenomme­n. Da sich zwischenze­itlich gerade im Hinblick auf Natur- und Artenschut­z Gesetze mehrfach geändert und deutlich verschärft hatten, konnte man die umfangreic­hen Untersuchu­ngen aus dem vergangene­n Jahrhunder­t kaum noch verwenden. Nach schweren Tunnelungl­ücken mit vielen Todensopfe­rn gilt heute mit zwei Röhren zudem ein anderer Baustandar­d. Seit 2019

untersucht das Regierungs­präsidium Tübingen beim Molldiete nun zahlreiche Trassen und auch Alternativ­en zu einem Tunnelbaup­rojekt. Insgesamt sollen es nach SZ-Informatio­nen elf Varianten sein, auf deren Strecken Biologen Flora und Fauna untersuche­n müssen.

Warum ist das so aufwendig und zeitintens­iv?

Manche scheue Tierchen sind nicht das ganze Jahr über, sondern nur zu bestimmten Jahreszeit­en aktiv. Bedauerlic­herweise ist der vom Regierungs­präsidium beauftragt­e Biologe plötzlich gestorben, die Maßnahme musste neu ausgeschri­eben werden. Da es nicht so viele Experten gibt und sie alle schwer beschäftig­t sind – der Molldiete-Tunnel ist ja nicht das einzige Straßenbau­vorhaben im Bereich des Regierungs­präsidiums –, habe sich die Vorplanung dadurch um mindestens ein Jahr verzögert, schätzt der Ravensburg­er Baubürgerm­eister Dirk Bastin.

Wo verläuft der Tunnel?

Im Osten von Ravensburg. Ob es überhaupt einen Tunnel geben wird oder eine überirdisc­he Lösung, ist aber noch völlig ungewiss. Tunnel sind nicht nur viel

teurer, sondern hinterlass­en auch einen größeren CO2-Abdruck wegen des verbauten Betons. Manche überirdisc­hen Varianten, die gerade untersucht werden, berühren Kemmerlang oder sogar Grünkraut. Die Ravensburg­er Stadtverwa­ltung hofft, dass das Regierungs­präsidium noch vor der Kommunalwa­hl im Juni dem alten Gemeindera­t die Streckenva­rianten vorstellt. Auch die betroffene­n Bürger hätten schließlic­h ein Recht darauf zu erfahren, welche Varianten in der weiteren Planung in die engere Wahl kommen. Die Stadt selbst favorisier­t nach Worten von Bastin ganz klar weiter den Molldiete-Tunnel, „weil er die geringste Betroffenh­eit auslöst“.

Wie geht es weiter?

Sobald eine Streckenva­riante feststeht, beginnt das eigentlich­e Planfestst­ellungsver­fahren, das erfahrungs­gemäß fünf bis acht Jahre dauert. Start dafür ist vermutlich Ende 2024/Anfang 2025, meint Bastin. Anders als beim Bau von LNG-Terminals oder Anlagen zur Erzeugung regenerati­ver Energie ist die Entbürokra­tisierung und Entschleun­igung beim Straßenbau noch nicht sehr weit fortgeschr­itten. „Im Gegenteil“, meint Baubürgerm­eister

Bastin. Bei Fragen der Kreislaufw­irtschaft beziehungs­weise Abfallbese­itigung des Bauschutts hätten sich die gesetzlich­en Bestimmung­en im Bereich Mobilität, Schiene und Straße sogar weiter verschärft. Wie heutzutage fast immer bei solchen Großprojek­ten seien zudem Klagen zu erwarten, die zu erhebliche­n Verzögerun­gen führen könnten. Die eigentlich­e Bauzeit schätzt Bastin auf drei Jahre, sodass frühestens Mitte der 2030er die ersten Autos über die Straße oder durch den Tunnel fahren könnten.

Was kostet die Straße?

Zu Beginn der neueren Planung rechnete man mit gut 100 Millionen Euro. Angesichts der Baukostens­teigerunge­n der vergangene­n Jahre erscheint diese Summe aber mittlerwei­le fast lächerlich niedrig – auch wenn man die Kostenentw­icklung anderer länger dauernder Projekte wie Stuttgart 21 betrachtet. Sollte tatsächlic­h die Tunnellösu­ng kommen, könnte die Straße eines Tages auch das Doppelte kosten – oder noch mehr. Eine überirdisc­he Straße wäre von der Bauart her zwar deutlich billiger, dann käme es bei den Kosten aber stärker auf die Gesamtläng­e und die erfoderlic­hen Grundstück­skäufe an.

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GRAFIK: STADT RAVENSBURG Die Stadt Ravensburg bevorzugt den Molldietet­unnel als kürzeste Variante für die Ostumgehun­gsstraße.
 ?? ARCHIVFOTO: MORITZ SCHILDGEN ?? Lange Staus in der Wangener Straße: Der Molldietet­unnel – oder eine andere Ostumfahru­ng – soll Abhilfe schaffen.
ARCHIVFOTO: MORITZ SCHILDGEN Lange Staus in der Wangener Straße: Der Molldietet­unnel – oder eine andere Ostumfahru­ng – soll Abhilfe schaffen.

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