Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Café Bismarck
In meinem Heimatstädtchen gab es ein schickes Café, das weithin für seine vorzüglichen, aber auch sehr teuren Torten berühmt war. Wir nannten es nur Café Bismarck – jeder Biss e Mark. Das war zweifellos recht witzig – aber nur bis 2002 der Euro kam. Erzählt man heute irgendwelchen Nachgeborenen davon, so kann es eine Zeit lang dauern, bis der Groschen fällt – wenn die nicht beim Namen Bismarck ohnehin nur an einen Hering denken.
Damit sind wir bei Redewendungen rund um unser Münzwesen, die durch besondere Umstände – etwa die Euro-Umstellung – fragwürdig geworden sind. Manche Sprüche lassen sich zwar in die neue Zeit hinüberretten, sprich: auf den Euro ummünzen. Man kann sagen, dass jemand den Euro zweimal umdrehen muss – so wie früher die Mark. Aber dass man für etwas keinen müden Euro mehr ausgeben will, hat sich bislang nicht eingebürgert. Der Grund liegt auf der Hand: Von einer müden Mark hat man – bar jeder Sinnhaftigkeit – ja auch nur gesprochen, weil es ein netter Stabreim war. Da tut man sich beim Euro schwerer. Ein euklidischer Euro, ein eustachischer, ein eutropher? Alles zwar stabreimtauglich, aber noch absurder als müde.
Ähnlich liegt der Fall beim Groschen, auch eine alte Münze, die zuletzt für zehn Pfennig stand, nach der Euro-Umstellung aber ihren Daseinszweck verloren hat. „Hast du mir zwei Groschen?“, fragte einer früher, wenn er kein Kleingeld für die Telefonzelle hatte. Das ist schon seit 2002 vorbei, und die gelben Häuschen haben ja auch ausgedient. Allerdings spricht man immer noch vom Notgroschen oder vom Groschenheft, und Groschengrab ist weiterhin ein gängiger, zudem hübsch stabreimender Ausdruck für Parkuhren oder Glücksspielautomaten. Auch der gute alte Pfennig – er stammt immerhin aus den Zeiten Kaiser Karls des Großen – hat seit 2002 fast nur noch einen Erinnerungswert. Allerdings einen sehr hohen. „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“, das hat man uns Kindern eingebläut – und das hallt nach. An Anschauungsmaterial fehlte es damals nicht: Bei uns zu Hause wurde immer wieder ehrfürchtig die Spardose aus Omas Jugendjahren herumgezeigt: ein Holzkästchen mit Pfennig-Schlitz sowie der Aufschrift: „Junges Blut, spar dein Gut, Armut im Alter wehe tut“. So versuchten wir uns als Pfennigfuchser – mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Auch zwei weitere alte Münzen fristen nur noch ein eher bescheidenes Dasein: der Heller und der Batzen. Von geringem Wert war der Heller. Mit der Redewendung „Keinen Heller auf etwas geben“wurde die Aussichtslosigkeit eines Unterfangens angedeutet. Ab und zu hört man das noch. Auch der etwas wertvollere Batzen wird weiterhin bemüht: „Das kostet einen schönen Batzen Geld“. Und schließlich kennen wir die beiden im Verbund: „Ein Heller und ein Batzen, die waren beide mein, ja mein, der Heller ward zu Wasser, der Batzen ward zu Wein“. Zunächst ein studentisches Trinklied, wurde es mit der Zeit zum lauthals geschmetterten Marschlied, vor allem beim Militär. Und so harmlos der Text auch sein mag: Weil überstrapaziert von der Wehrmacht in besetzten Gebieten während des 2. Weltkriegs und dort als eine Art Siegeshymne interpretiert, hat das Lied heute zu Recht keinen besonders guten Ruf. Von wegen Heidi Heido Heida …