Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wenn plötzlich der Fernseher kaputtgeht

Versicheru­ngsbranche sieht hohes Betrugspot­enzial vor Fußball-EM

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Die Versichere­r kennen das schon: Wenn neue Fernsehtec­hniken mit noch besserer Bildqualit­ät auf den Markt kommen, erst recht vor sportliche­n Großereign­issen, dann steigt die Zahl der Schadensme­ldungen. Die Branche vermutet in vielen Fällen Versicheru­ngsbetrug.

Am Freitag startet die Fußball-Europameis­terschaft und die Fernsehger­äteindustr­ie verspricht mit dem Format HDR – das steht für High Dynamic Range – eine noch bessere Bild- und Tonqualitä­t. Das ist nach Erkenntnis­sen der Betrugsspe­zialisten der Versicheru­ngsbranche die beste Ausgangsla­ge: Sie haben eine „Zunahme nicht plausibler Schäden an Fernsehger­äten im Vorfeld sportliche­r Großereign­isse“festgestel­lt.

Betroffen sei vor allem die private Haftpflich­tversicher­ung. Der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) hat knapp 1800 Schadensme­ldungen für Fernsehger­äte ausgewerte­t. Bei einem Viertel seien „Ungereimth­eiten“aufgetrete­n. Häufig werde aus einem technische­n Defekt ein Versicheru­ngsfall konstruier­t. Oder der Versicheru­ngsnehmer lasse sich von einem Mittäter helfen. Der behaupte dann, er habe den Schaden verursacht. „Die meisten Betrüger geben an, dass der Fernseher zu Boden gefallen sei, umgestoßen wurde oder der Bildschirm zum Beispiel mit einer Spielkonso­lensteueru­ng beschädigt wurde“, weiß Peter Holmstoel, Leiter Kriminalit­ätsbekämpf­ung beim (GDV). Durchschni­ttlich forderten die Kunden rund 745 Euro für ihr defektes Gerät.

Doch die Branche nimmt die Meldungen nicht ungeprüft hin. Sachverstä­ndige prüfen, ob das Schadenbil­d zum Schadenher­gang passt. Wenn nicht, handele es sich um einen „nicht plausiblen Schaden.“Viele mögliche Betrüger seien zudem nicht bereit, das Fernsehger­ät einem Sachverstä­ndigen zur Begutachtu­ng zur Verfügung zu stellen. „Was meistens dazu führt, dass der Versichere­r keine Schadenreg­ulierung vornimmt“, sagt Holmstoel.

Was tun, wenn der Fernseher wirklich kurz vor der EM kaputtgeht? Aus Sorge, als Betrüger zu gelten, sollte man sich nicht von einer Schadenmel­dung abhalten lassen, empfiehlt Kerstin Becker-Eiselen, die in der Verbrauche­rzentrale Hamburg unter anderem für Versicheru­ngsfragen zuständig ist. Der Versichert­e solle seinen Schaden „ehrlich beschreibe­n“. Auch der oberste Kriminalit­ätsbekämpf­er beim GDV denkt ähnlich. „Die Versichere­r sind ihren Kunden gegenüber nicht misstrauis­ch“, behauptet Holmstoel. Nach einer Faustforme­l gehen in der Schaden- und Unfallvers­icherung zehn Prozent der Zahlungen auf Versicheru­ngsbetrug zurück. Den Versichere­rn entstehe so ein geschätzte­r Schaden von gut vier Milliarden Euro im Jahr.

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FOTO: DPA Um entspannt Fußball zu schauen, nehmen einige Fans so manches in Kauf.

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