Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wenn plötzlich der Fernseher kaputtgeht
Versicherungsbranche sieht hohes Betrugspotenzial vor Fußball-EM
FRANKFURT - Die Versicherer kennen das schon: Wenn neue Fernsehtechniken mit noch besserer Bildqualität auf den Markt kommen, erst recht vor sportlichen Großereignissen, dann steigt die Zahl der Schadensmeldungen. Die Branche vermutet in vielen Fällen Versicherungsbetrug.
Am Freitag startet die Fußball-Europameisterschaft und die Fernsehgeräteindustrie verspricht mit dem Format HDR – das steht für High Dynamic Range – eine noch bessere Bild- und Tonqualität. Das ist nach Erkenntnissen der Betrugsspezialisten der Versicherungsbranche die beste Ausgangslage: Sie haben eine „Zunahme nicht plausibler Schäden an Fernsehgeräten im Vorfeld sportlicher Großereignisse“festgestellt.
Betroffen sei vor allem die private Haftpflichtversicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat knapp 1800 Schadensmeldungen für Fernsehgeräte ausgewertet. Bei einem Viertel seien „Ungereimtheiten“aufgetreten. Häufig werde aus einem technischen Defekt ein Versicherungsfall konstruiert. Oder der Versicherungsnehmer lasse sich von einem Mittäter helfen. Der behaupte dann, er habe den Schaden verursacht. „Die meisten Betrüger geben an, dass der Fernseher zu Boden gefallen sei, umgestoßen wurde oder der Bildschirm zum Beispiel mit einer Spielkonsolensteuerung beschädigt wurde“, weiß Peter Holmstoel, Leiter Kriminalitätsbekämpfung beim (GDV). Durchschnittlich forderten die Kunden rund 745 Euro für ihr defektes Gerät.
Doch die Branche nimmt die Meldungen nicht ungeprüft hin. Sachverständige prüfen, ob das Schadenbild zum Schadenhergang passt. Wenn nicht, handele es sich um einen „nicht plausiblen Schaden.“Viele mögliche Betrüger seien zudem nicht bereit, das Fernsehgerät einem Sachverständigen zur Begutachtung zur Verfügung zu stellen. „Was meistens dazu führt, dass der Versicherer keine Schadenregulierung vornimmt“, sagt Holmstoel.
Was tun, wenn der Fernseher wirklich kurz vor der EM kaputtgeht? Aus Sorge, als Betrüger zu gelten, sollte man sich nicht von einer Schadenmeldung abhalten lassen, empfiehlt Kerstin Becker-Eiselen, die in der Verbraucherzentrale Hamburg unter anderem für Versicherungsfragen zuständig ist. Der Versicherte solle seinen Schaden „ehrlich beschreiben“. Auch der oberste Kriminalitätsbekämpfer beim GDV denkt ähnlich. „Die Versicherer sind ihren Kunden gegenüber nicht misstrauisch“, behauptet Holmstoel. Nach einer Faustformel gehen in der Schaden- und Unfallversicherung zehn Prozent der Zahlungen auf Versicherungsbetrug zurück. Den Versicherern entstehe so ein geschätzter Schaden von gut vier Milliarden Euro im Jahr.