Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Abgeklemmt
Kleine Energieunternehmen befürchten Nachteile – EEG-Novelle könnte Vielfalt auf dem Strommarkt gefährden
RAVENSBURG - Für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhält die Bundesregierung mächtig Gegenwind. Heute will das Bundeskabinett die Novelle beschließen, die neben fixen Ausbaukorridoren für Wind-, Fotovoltaikund Biomasse-Anlagen den Umstieg auf ein Ausschreibungsmodell vorsieht. Künftig gilt: Wer die besten Konditionen bietet, bekommt den Zuschlag und kann die Anlage zu den vereinbarten Bedingungen bauen und betreiben.
Viele – vor allem kleinere Unternehmen – befürchten dadurch massive Wettbewerbsnachteile. „Aus meiner Sicht ist die Novelle das Ende der Energiewende – zumindest der bürgerschaftlich getragenen. Die kleinen und mittleren Anbieter werden künftig außen vor sein, es profitieren nur die großen Anbieter“, schimpft Sebastian Sladek, Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau, einem kleinen Energieversorger aus dem Schwarzwald, der in ganz Deutschland Ökostrom vertreibt. Seiner Meinung nach bevorzugt die Novelle die Offshore-Windenergie, die Genossenschaften nicht stemmen können.
Selektion durch Ausschreibung
Das Ausschreibungsprozedere tut ein Übriges: Bislang können Betreiber für den ins Netz eingespeisten Strom staatlich festgelegte Vergütungen von den Netzbetreibern verlangen. Künftig soll es für neue Anlagen Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur geben. „Kleinere Anbieter werden den hohen Aufwand nicht eingehen können ohne die Sicherheit, einen Zuschlag zu bekommen. Nur große Konzerne und finanzstarke Investoren werden sich an den Ausschreibungen beteiligen“, fürchtet Sladek.
Carsten Tschamber, Vorstand des Verbandes Solarcluster Baden-Württemberg, findet Ausschreibungen zwar sinnvoll. Doch müssten die Einstiegshürden niedrig sein und das Prozedere einfach. Danach sehe es momentan jedoch nicht aus. „Die Politik vergibt damit die Chance, alle Bürger an der Energiewende teilhaben zu lassen“, so Tschamber. Diese Sorgen teilt man beim regionalen Energieversorger TWS aus Ravensburg, der angesichts des neuen Ausschreibungsregimes auf die Bremse tritt. Das Unternehmen, hat sich im Jahr 2008 entschieden, nur noch in erneuerbare Energieerzeugungsanlagen zu investieren. Inzwischen hat die TWS ein Portfolio aus Windparks und Fotovoltaik-Kraftwerken mit einer Leistung von 44 Megawatt aufgebaut. „Bei neuen Projekten müssen wir nun aber genauer hinschauen“, sagt Helmut Hertle, verantwortlicher Geschäftsführer regenerative Energieerzeugung bei den TWS. Hertle sieht die Gefahr, dass mit dem Ausschreibungsregime viele Projekte gar nicht mehr realisiert werden, obwohl eine Genehmigung vorliegt. „Einen Windpark zu planen, verschlingt im Vorfeld rund 500 000 Euro.“
Aufwändige Vorleistungen
„Diese Vorleistungen muss ein Investor erst einmal bringen, um zum Ausschreibungsverfahren zugelassen zu werden – ohne zu wissen, ob er es dann realisieren kann“, sagt Herle. Dieses Risiko könnten sich kleinere Akteure wie die TWS nur bedingt leisten, die Akteursvielfalt – wie es im Branchenjargon heißt – würde leiden.
Auch Pierre-Pascal Urbon, Chef der SMA Solartechnologie AG aus Kassel, nennt die Novelle einen „großen Fehler“, weil die Neuerungen den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter ausbremsen werden. SMA ist Weltmarktführer bei Wechselrichtern, die in Fotovoltaikanlagen gewonnene Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln. „Das Ziel einer dezentralen Energieversorgung wird so ad absurdum geführt“, sagt Urbon.
Bene Müller, Vorstand der Solarcomplex AG aus Singen glaubt, dass sich mit der Novelle die Pariser Klimaziele, zu denen sich die Bundesrepublik bekannt hat, nicht erreichen lassen. Solarcomplex versteht sich als Bürgerunternehmen für erneuerbare Energien und betreibt in der Bodenseeregion Anlagen zur Stromund Wärmebereitstellung aus erneuerbaren Energien: „Heute haben wir einen Mix, bei dem die erneuerbaren Energien 32 Prozent und die Atomkraftwerke 16 Prozent beisteuern. Die EEG-Novelle legt das Maximum der Erneuerbaren bis 2025 auf 45 Prozent fest. Damit muss ein Teil des Atomstromersatzes aus fossilen Energien kommen“. Deutschland werde künftig mehr Energie aus fossilen Energien brauchen. Die Unterschrift unter dem Pariser Klimavertrag stünde dazu im Widerspruch.
Herr Wansleben, muss über den Zeitplan für die Energiewende nachgedacht werden?
Gerade weil wir Grundsatzfragen nicht wieder aufmachen wollen, ist die Verzögerung des Netzausbaus ein echtes Problem. Selbst wenn es gelingt, trotz des langsamen Netzausbaus die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bleibt die Frage: Zu welchen Kosten? Bereits im letzten Jahr haben uns fehlende Netze eine Milliarde Euro gekostet. Die Kosten werden weiter davongaloppieren, je weniger Netzausbau und Neubau von Wind- und Solaranlagen zueinander passen. Wichtigste Aufgabe bleibt daher, den Netzausbau entschieden voranzutreiben.
Wie stark belasten die steigenden Kosten die Unternehmen?
Die Kostenbelastung ist mit 24 Milliarden Euro EEG-Umlage bereits gewaltig. Viele Unternehmen sind daher in ihrer Wirtschaftlichkeit schon stark beeinträchtigt. Das Ende der Fahnenstange ist bei der EEG-Umlage auch noch nicht erreicht. Hinzu kommt: Die Netzentgelte werden gerade für die Industrie deutlich steigen. Die hohe Kostenbelastung und die Unsicherheit über die künftige Kostenentwicklung sind ein wesentlicher Grund dafür, dass in vielen Bereichen wenig investiert wird. Folge ist eine schleichende Abkehr vom Standort Deutschland.
Wie lange wird Deutschland noch auf Kohlestrom angewiesen sein?
Mit dem CO2-Zertifikatehandel und dem Ausbaupfad für erneuerbare Energien sind die Leitplanken für die Kohle in Deutschland gesetzt. Ansonsten sollte der Markt entscheiden, wie lange es wirtschaftlich ist, Kohle für die Stromerzeugung zu nutzen.