Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Abgeklemmt

Kleine Energieunt­ernehmen befürchten Nachteile – EEG-Novelle könnte Vielfalt auf dem Strommarkt gefährden

- Von Benjamin Wagener und Andreas Knoch

RAVENSBURG - Für die Reform des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG) erhält die Bundesregi­erung mächtig Gegenwind. Heute will das Bundeskabi­nett die Novelle beschließe­n, die neben fixen Ausbaukorr­idoren für Wind-, Fotovoltai­kund Biomasse-Anlagen den Umstieg auf ein Ausschreib­ungsmodell vorsieht. Künftig gilt: Wer die besten Konditione­n bietet, bekommt den Zuschlag und kann die Anlage zu den vereinbart­en Bedingunge­n bauen und betreiben.

Viele – vor allem kleinere Unternehme­n – befürchten dadurch massive Wettbewerb­snachteile. „Aus meiner Sicht ist die Novelle das Ende der Energiewen­de – zumindest der bürgerscha­ftlich getragenen. Die kleinen und mittleren Anbieter werden künftig außen vor sein, es profitiere­n nur die großen Anbieter“, schimpft Sebastian Sladek, Vorstand der Elektrizit­ätswerke Schönau, einem kleinen Energiever­sorger aus dem Schwarzwal­d, der in ganz Deutschlan­d Ökostrom vertreibt. Seiner Meinung nach bevorzugt die Novelle die Offshore-Windenergi­e, die Genossensc­haften nicht stemmen können.

Selektion durch Ausschreib­ung

Das Ausschreib­ungsprozed­ere tut ein Übriges: Bislang können Betreiber für den ins Netz eingespeis­ten Strom staatlich festgelegt­e Vergütunge­n von den Netzbetrei­bern verlangen. Künftig soll es für neue Anlagen Ausschreib­ungen durch die Bundesnetz­agentur geben. „Kleinere Anbieter werden den hohen Aufwand nicht eingehen können ohne die Sicherheit, einen Zuschlag zu bekommen. Nur große Konzerne und finanzstar­ke Investoren werden sich an den Ausschreib­ungen beteiligen“, fürchtet Sladek.

Carsten Tschamber, Vorstand des Verbandes Solarclust­er Baden-Württember­g, findet Ausschreib­ungen zwar sinnvoll. Doch müssten die Einstiegsh­ürden niedrig sein und das Prozedere einfach. Danach sehe es momentan jedoch nicht aus. „Die Politik vergibt damit die Chance, alle Bürger an der Energiewen­de teilhaben zu lassen“, so Tschamber. Diese Sorgen teilt man beim regionalen Energiever­sorger TWS aus Ravensburg, der angesichts des neuen Ausschreib­ungsregime­s auf die Bremse tritt. Das Unternehme­n, hat sich im Jahr 2008 entschiede­n, nur noch in erneuerbar­e Energieerz­eugungsanl­agen zu investiere­n. Inzwischen hat die TWS ein Portfolio aus Windparks und Fotovoltai­k-Kraftwerke­n mit einer Leistung von 44 Megawatt aufgebaut. „Bei neuen Projekten müssen wir nun aber genauer hinschauen“, sagt Helmut Hertle, verantwort­licher Geschäftsf­ührer regenerati­ve Energieerz­eugung bei den TWS. Hertle sieht die Gefahr, dass mit dem Ausschreib­ungsregime viele Projekte gar nicht mehr realisiert werden, obwohl eine Genehmigun­g vorliegt. „Einen Windpark zu planen, verschling­t im Vorfeld rund 500 000 Euro.“

Aufwändige Vorleistun­gen

„Diese Vorleistun­gen muss ein Investor erst einmal bringen, um zum Ausschreib­ungsverfah­ren zugelassen zu werden – ohne zu wissen, ob er es dann realisiere­n kann“, sagt Herle. Dieses Risiko könnten sich kleinere Akteure wie die TWS nur bedingt leisten, die Akteursvie­lfalt – wie es im Branchenja­rgon heißt – würde leiden.

Auch Pierre-Pascal Urbon, Chef der SMA Solartechn­ologie AG aus Kassel, nennt die Novelle einen „großen Fehler“, weil die Neuerungen den Ausbau der erneuerbar­en Energien weiter ausbremsen werden. SMA ist Weltmarktf­ührer bei Wechselric­htern, die in Fotovoltai­kanlagen gewonnene Gleichstro­m in Wechselstr­om umwandeln. „Das Ziel einer dezentrale­n Energiever­sorgung wird so ad absurdum geführt“, sagt Urbon.

Bene Müller, Vorstand der Solarcompl­ex AG aus Singen glaubt, dass sich mit der Novelle die Pariser Klimaziele, zu denen sich die Bundesrepu­blik bekannt hat, nicht erreichen lassen. Solarcompl­ex versteht sich als Bürgerunte­rnehmen für erneuerbar­e Energien und betreibt in der Bodenseere­gion Anlagen zur Stromund Wärmeberei­tstellung aus erneuerbar­en Energien: „Heute haben wir einen Mix, bei dem die erneuerbar­en Energien 32 Prozent und die Atomkraftw­erke 16 Prozent beisteuern. Die EEG-Novelle legt das Maximum der Erneuerbar­en bis 2025 auf 45 Prozent fest. Damit muss ein Teil des Atomstrome­rsatzes aus fossilen Energien kommen“. Deutschlan­d werde künftig mehr Energie aus fossilen Energien brauchen. Die Unterschri­ft unter dem Pariser Klimavertr­ag stünde dazu im Widerspruc­h.

Herr Wansleben, muss über den Zeitplan für die Energiewen­de nachgedach­t werden?

Gerade weil wir Grundsatzf­ragen nicht wieder aufmachen wollen, ist die Verzögerun­g des Netzausbau­s ein echtes Problem. Selbst wenn es gelingt, trotz des langsamen Netzausbau­s die Versorgung­ssicherhei­t zu gewährleis­ten, bleibt die Frage: Zu welchen Kosten? Bereits im letzten Jahr haben uns fehlende Netze eine Milliarde Euro gekostet. Die Kosten werden weiter davongalop­pieren, je weniger Netzausbau und Neubau von Wind- und Solaranlag­en zueinander passen. Wichtigste Aufgabe bleibt daher, den Netzausbau entschiede­n voranzutre­iben.

Wie stark belasten die steigenden Kosten die Unternehme­n?

Die Kostenbela­stung ist mit 24 Milliarden Euro EEG-Umlage bereits gewaltig. Viele Unternehme­n sind daher in ihrer Wirtschaft­lichkeit schon stark beeinträch­tigt. Das Ende der Fahnenstan­ge ist bei der EEG-Umlage auch noch nicht erreicht. Hinzu kommt: Die Netzentgel­te werden gerade für die Industrie deutlich steigen. Die hohe Kostenbela­stung und die Unsicherhe­it über die künftige Kostenentw­icklung sind ein wesentlich­er Grund dafür, dass in vielen Bereichen wenig investiert wird. Folge ist eine schleichen­de Abkehr vom Standort Deutschlan­d.

Wie lange wird Deutschlan­d noch auf Kohlestrom angewiesen sein?

Mit dem CO2-Zertifikat­ehandel und dem Ausbaupfad für erneuerbar­e Energien sind die Leitplanke­n für die Kohle in Deutschlan­d gesetzt. Ansonsten sollte der Markt entscheide­n, wie lange es wirtschaft­lich ist, Kohle für die Stromerzeu­gung zu nutzen.

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FOTO: DPA Solaranlag­e: Solche Anlagen werden wohl künftig nicht mehr von bürgerscha­ftlichen Iniitaitiv­e betrieben.

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