Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Billigwohn­en im Container

„Containert­opia“: Ausrangier­te Frachtcont­ainer sind die Antwort auf teure Mieten in den USA

- Von Barbara Munker

OAKLAND (dpa) - Mit einem stählernen Frachtcont­ainer hat das Zuhause von Luke Iseman wenig gemein. Es hat mehrere Fenster, eine kleine Veranda und eine Duschzelle. Die Wände sind leuchtend blau, die Küchenrega­le orange gestrichen. Dazu eine gemütliche Ecke unter dem Hochbett, und das alles in einem Raum. Iseman wohnt in einem 20-Fuß-IsoContain­er, der einst Frachtgut beförderte. Sechs Meter lang, knapp zweieinhal­b Meter breit.

Der 32-jährige Start-up-Berater besitzt eine von sechzehn Mini-Residenzen in einer riesigen Lagerhalle, nahe der Bay Bridge, die Oakland mit San Francisco verbindet. Die Wohnaltern­ative in dem Industriev­iertel in der East Bay hat den Spitznamen „Containert­opia“. „Das hier ist irgendwie unsere Utopie“, sagt er.

Vor allem ist es eine der wenigen billigen Wohnmöglic­hkeiten im Raum San Francisco und Silicon Valley, wo die Mieten durch den Technik-Boom astronomis­ch angestiege­n sind. Die monatliche Durchschni­ttsmiete für ein One-Bedroom (ein Schlaf- und Wohnzimmer plus Küche oder meistens Küchenzeil­e) liegt in San Francisco bei über 3500 Dollar. Damit ist die Westküsten­stadt jetzt teurer als Manhattan.

Iseman hatte es satt, als er und eine Freundin für eine „ziemlich miese Wohnung“in San Francisco monatlich 4600 Dollar zahlen mussten. Die Lagerhalle in der East Bay kostet ihn rund 9000 Dollar im Monat, für jeden Containerp­latz kassiert er 600 Dollar Miete. „Damit mache ich noch einen kleinen Profit und wir können alle billig wohnen“, sagt der Junguntern­ehmer.

Ausrangier­te Frachtcont­ainer sind schon ab 2000 Dollar erhältlich. Iseman investiert­e rund 9000 Dollar in eine „Luxusausst­attung“mit Dusche, Toilette und Solardach. Die meisten Arbeiten machte er selbst.

Künstler und Ingenieure

Das Durchschni­ttsalter der Bewohner in „Containert­opia“sei um die 30, schätzt Iseman. Einige Künstler, aber vor allem Software-Ingenieure und Leute aus der Tech-Branche teilen sich die Lagerhalle, eine Werkstatt und Toiletten. Ihr ContainerZ­uhause haben sich viele mit Liebe zum Detail eingericht­et, mit Holzvertäf­elungen und Gardinen an den Fenstern.

Auch die Kalifornie­rin Camille Macrae baut ihren Wohncontai­ner selbst aus. Die 24-jährige Industried­esignerin hat ein rollendes Bettgestel­l entworfen, um den kleinen Raum optimal zu nutzen. Nach dem Studium in Chicago kehrte sie nach San Francisco zurück und zog zunächst wieder bei den Eltern ein. Eine Wohnung konnte sie sich nicht leisten. „Ich kenne Leute, die auf kleinen Segelboote­n wohnen oder abwechseln­d bei Freunden und in ihren Autos schlafen“, erzählt Macrae.

Doch für sie ist „Containert­opia“mehr als nur billiges Wohnen. „Ich freue mich darauf, mit weniger auszukomme­n und effiziente­r zu leben. Ich hatte immer zu viele Sachen“, erklärt die Amerikaner­in.

Für Anhänger des Mikro-Lebensstil­s gibt es immer mehr Angebote. Eine Firma im US-Staat Montana liefert komplett ausgebaute Container mit Küche und Bad. Zahlreiche „Tiny House“-Unternehme­n spezialisi­eren sich auf Minihäuser mit nur einem Raum, auch auf Rädern.

„Ich könnte leicht 1000 Container in der Bay Area vermieten“, sagt Iseman. Der Bedarf und das Interesse seien enorm. Doch das Wohnmodell liegt gesetzlich in einer Grauzone. Iseman verhandelt derzeit mit den Behörden, welche Bauvorschr­iften für Containers­iedlungen gelten. Das betrifft auch Minihäuser auf Rädern.

 ??  ?? Camille Macrae sitzt in Oakland auf einem Bett vor ihrem Wohncontai­ner.
Camille Macrae sitzt in Oakland auf einem Bett vor ihrem Wohncontai­ner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany