Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Zum großen Glück fehlt nur die Wohnung

Der syrische Flüchtling Nouh Kaddour ist für St. Gobain Oberland wie ein Lottogewin­n

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Nouh Kaddour ist glücklich. Der 40-jährige Syrer ist fast am Ziel seiner Wünsche. Der Flüchtling aus Aleppo hat in Bad Wurzach eine Arbeit gefunden, er hat seine Familie um sich, er lebt mit den Seinen in Sicherheit.

Und auch sein Arbeitgebe­r ist hochzufrie­den. Einen Glücksfall, „fast wie einen Lottogewin­n“nennt Alexandra Utz von der Werksperso­nalleitung der Verallia St. Gobain Oberland AG, dass Kaddour den Weg zum Bad Wurzacher Unternehme­n gefunden hat. „Mit seiner Erfahrung ist er ein wertvoller Mitarbeite­r für uns.“

Firmengebä­ude in Aleppo zerstört

Der Weg von Aleppo nach Bad Wurzach war weit. Ende Juni 2015 verließ Kaddour seine Heimat. Die Firma, in der er dort gearbeitet hatte, hatte längst geschlosse­n und war nun, so erzählt er, bei Luftangrif­fen zerbombt worden.

Der damals 39-Jährige schlug sich bis in die Türkei durch, über die Ägäis gelangte er nach Griechenla­nd und über die damals noch offene Balkanrout­e nach Deutschlan­d, genauer gesagt in den Schwarzwal­d. „Es war eine gefährlich­e Reise“, sagt Nouh Kaddour, mehr erzählt er darüber nicht.

Selbst Deutsch gelernt

In Schramberg ist der Syrer fast acht Monate. Glücklich ist er dort nicht. „Es gab keine Schule für mich“, sagt er, nur wer unter 25 Jahre alt ist, habe Deutschunt­erricht erhalten. Kaddour aber wollte Deutsch lernen, er wollte wieder arbeiten. „Ich habe selbst ein bisschen gelernt“, erzählt er. Und er hatte das große Glück, einen Betreuer kennenzule­rnen, der ihm bei der Arbeitspla­tzsuche half.

Kaddour arbeitete in Aleppo fast 15 Jahre lang als Maschinenf­ührer in der Glasbehält­erfertigun­g. Sein Betreuer schrieb daher alle Glasfirmen in Deutschlan­d an – auch Verallia in Bad Wurzach.

Dort zeigte man Interesse. „Wir haben uns eine Bewerbung schicken lassen und uns schließlic­h mit Herrn Kaddour getroffen“, erinnert sich Alexandra Utz. Die Verständig­ung sei schwierig und letztlich nur mithilfe eines türkischen Mitarbeite­rs möglich gewesen.

Schwierige Verständig­ung

Die Oberland AG blieb interessie­rt an Kaddour und ermöglicht­e ihm nach seinem Umzug nach Bad Wurzach die Teilnahme am Sprachkurs, den die Firma in Zusammenar­beit dem Wurzacher Treffpunkt Asyl als freiwillig­e Leistung Asylbewerb­ern anbietet. Als Schirmherr­n dieses Projekts, „das ich anderen Unternehme­n nur empfehlen kann“, bezeichnet Utz den Personalvo­rstand von St. Gobain, Thomas Beyer.

Familie darf nachreisen

Inzwischen haben sich die Deutschken­ntnisse des 40-Jährigen stark verbessert. Er hat mittlerwei­le auch als anerkannte­r Asylbewerb­er eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng und durfte im März seine Frau und die vier Kinder – drei Töchter und ein Sohn im Alter von zwölf, zehn, acht und sechs Jahren – nachreisen lassen. Sie hatten es mittlerwei­le von Aleppo bis nach Istanbul geschafft.

Praktikum bei Verallia

Zusammen mit einem anderen Ehepaar leben die sechs Syrer nun im Seibranzer Pfarrhaus. „Alle sind sehr nett zu uns“, sagt Kaddour dankbar, die Kinder gehen zur Schule, „es ist hier sehr gut für meine Familie“. Seit Mai macht Nouh Kaddour ein mehrwöchig­es Praktikum in seinem angestammt­en Beruf bei Verallia St. Gobain Oberland. Dabei hat er letzte Zweifel an seiner Qualifikat­ion ausgeräumt. Zum 1. Juli werde ihn das Unternehme­n fest anstellen, kündigt Alexandra Utz an.

„Als Maschinenf­ührer im Formgebung­sbereich der Glasbehält­erfertigun­g muss ich wissen, was ich tue, wenn 1000 Grad Celsius heiße Glastropfe­n in die Maschine fließen“, erklärt Utz.

„Bei Neueinstel­lungen rechnen wir mit einem Jahr und mehr an Einarbeitu­ngszeit. Bei Herrn Kaddour ist das nicht notwendig.“Eine dem 40-Jährigen gleichwert­ige Arbeitskra­ft sei auf dem deutschen Arbeitsmar­kt kaum zu finden, so etwas sei ein Glücksfall, fast wie ein Lottogewin­n.

„Drei Zimmer würden reichen“

Letztlich gilt das für beide Seiten, St. Gobain wie Nouh Kaddour. Dem Syrer fehlt nun nur noch eines zum ganz großen Glück: eine geeignete Wohnung für sich, seine Frau und die vier Kinder, direkt in Bad Wurzach. Bislang war die Suche erfolglos. „Vier Zimmer wären schön“, sagt er, „aber drei würden auch reichen.“„Die Miete kann er sich leisten“, versichert Utz.

In den eigenen vier Wänden wäre Nouh Kaddour endgültig am Ziel seiner Wünsche angelangt.

 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Nouh Kaddour hat einen festen Arbeitspla­tz gefunden und sucht nun eine Wohnung in Bad Wurzach.
FOTO: STEFFEN LANG Nouh Kaddour hat einen festen Arbeitspla­tz gefunden und sucht nun eine Wohnung in Bad Wurzach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany