Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Zum großen Glück fehlt nur die Wohnung
Der syrische Flüchtling Nouh Kaddour ist für St. Gobain Oberland wie ein Lottogewinn
BAD WURZACH - Nouh Kaddour ist glücklich. Der 40-jährige Syrer ist fast am Ziel seiner Wünsche. Der Flüchtling aus Aleppo hat in Bad Wurzach eine Arbeit gefunden, er hat seine Familie um sich, er lebt mit den Seinen in Sicherheit.
Und auch sein Arbeitgeber ist hochzufrieden. Einen Glücksfall, „fast wie einen Lottogewinn“nennt Alexandra Utz von der Werkspersonalleitung der Verallia St. Gobain Oberland AG, dass Kaddour den Weg zum Bad Wurzacher Unternehmen gefunden hat. „Mit seiner Erfahrung ist er ein wertvoller Mitarbeiter für uns.“
Firmengebäude in Aleppo zerstört
Der Weg von Aleppo nach Bad Wurzach war weit. Ende Juni 2015 verließ Kaddour seine Heimat. Die Firma, in der er dort gearbeitet hatte, hatte längst geschlossen und war nun, so erzählt er, bei Luftangriffen zerbombt worden.
Der damals 39-Jährige schlug sich bis in die Türkei durch, über die Ägäis gelangte er nach Griechenland und über die damals noch offene Balkanroute nach Deutschland, genauer gesagt in den Schwarzwald. „Es war eine gefährliche Reise“, sagt Nouh Kaddour, mehr erzählt er darüber nicht.
Selbst Deutsch gelernt
In Schramberg ist der Syrer fast acht Monate. Glücklich ist er dort nicht. „Es gab keine Schule für mich“, sagt er, nur wer unter 25 Jahre alt ist, habe Deutschunterricht erhalten. Kaddour aber wollte Deutsch lernen, er wollte wieder arbeiten. „Ich habe selbst ein bisschen gelernt“, erzählt er. Und er hatte das große Glück, einen Betreuer kennenzulernen, der ihm bei der Arbeitsplatzsuche half.
Kaddour arbeitete in Aleppo fast 15 Jahre lang als Maschinenführer in der Glasbehälterfertigung. Sein Betreuer schrieb daher alle Glasfirmen in Deutschland an – auch Verallia in Bad Wurzach.
Dort zeigte man Interesse. „Wir haben uns eine Bewerbung schicken lassen und uns schließlich mit Herrn Kaddour getroffen“, erinnert sich Alexandra Utz. Die Verständigung sei schwierig und letztlich nur mithilfe eines türkischen Mitarbeiters möglich gewesen.
Schwierige Verständigung
Die Oberland AG blieb interessiert an Kaddour und ermöglichte ihm nach seinem Umzug nach Bad Wurzach die Teilnahme am Sprachkurs, den die Firma in Zusammenarbeit dem Wurzacher Treffpunkt Asyl als freiwillige Leistung Asylbewerbern anbietet. Als Schirmherrn dieses Projekts, „das ich anderen Unternehmen nur empfehlen kann“, bezeichnet Utz den Personalvorstand von St. Gobain, Thomas Beyer.
Familie darf nachreisen
Inzwischen haben sich die Deutschkenntnisse des 40-Jährigen stark verbessert. Er hat mittlerweile auch als anerkannter Asylbewerber eine Aufenthaltsgenehmigung und durfte im März seine Frau und die vier Kinder – drei Töchter und ein Sohn im Alter von zwölf, zehn, acht und sechs Jahren – nachreisen lassen. Sie hatten es mittlerweile von Aleppo bis nach Istanbul geschafft.
Praktikum bei Verallia
Zusammen mit einem anderen Ehepaar leben die sechs Syrer nun im Seibranzer Pfarrhaus. „Alle sind sehr nett zu uns“, sagt Kaddour dankbar, die Kinder gehen zur Schule, „es ist hier sehr gut für meine Familie“. Seit Mai macht Nouh Kaddour ein mehrwöchiges Praktikum in seinem angestammten Beruf bei Verallia St. Gobain Oberland. Dabei hat er letzte Zweifel an seiner Qualifikation ausgeräumt. Zum 1. Juli werde ihn das Unternehmen fest anstellen, kündigt Alexandra Utz an.
„Als Maschinenführer im Formgebungsbereich der Glasbehälterfertigung muss ich wissen, was ich tue, wenn 1000 Grad Celsius heiße Glastropfen in die Maschine fließen“, erklärt Utz.
„Bei Neueinstellungen rechnen wir mit einem Jahr und mehr an Einarbeitungszeit. Bei Herrn Kaddour ist das nicht notwendig.“Eine dem 40-Jährigen gleichwertige Arbeitskraft sei auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum zu finden, so etwas sei ein Glücksfall, fast wie ein Lottogewinn.
„Drei Zimmer würden reichen“
Letztlich gilt das für beide Seiten, St. Gobain wie Nouh Kaddour. Dem Syrer fehlt nun nur noch eines zum ganz großen Glück: eine geeignete Wohnung für sich, seine Frau und die vier Kinder, direkt in Bad Wurzach. Bislang war die Suche erfolglos. „Vier Zimmer wären schön“, sagt er, „aber drei würden auch reichen.“„Die Miete kann er sich leisten“, versichert Utz.
In den eigenen vier Wänden wäre Nouh Kaddour endgültig am Ziel seiner Wünsche angelangt.