Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Närrischer Lokalpatriot mit Herz und Weitblick
Nachruf zum Tod von Plätzler-Zunftmeister Klaus Müller – Trauer weit über Weingarten hinaus
WEINGARTEN - Wie in Schockstarre verharrten zahllose Menschen in Weingarten und weit darüber hinaus, als sich am Montag die Nachricht verbreitete, dass Klaus Müller am frühen Morgen im Krankenhaus 60-jährig einem Herzstillstand erlegen ist. Rund 25 Jahre lang hatte er als Zunftmeister der Plätzlerzunft gewirkt. Er war Motor und Integrationsfigur für eine Runderneuerung der Zunft und des Fasnetsbrauchtums. Klaus Müller war beliebt und geachtet, ein Lokalpatriot mit Herz und großem Weitblick.
Groß war die Skepsis innerhalb der Plätzlerzunft, als Müller Anfang der 1990er-Jahre für die Nachfolge des erkrankten Zunftmeisters Roland Schimminger kandidierte. Unter der Ägide honoriger Herren gesetzteren Alters hatte die Zunft ihre Zugkraft bei der Jugend nach und nach eingebüßt. Die Bockstallnarren,
ANZEIGEN erst wenige Jahre zuvor aus der Taufe gehoben, fanden großen Zulauf. Müller trat mit einem ehrgeizigen jungen Team an und gewann bei der Mitgliederversammlung in seiner ruhigen, aber überzeugenden Art das Vertrauen der meisten Anwesenden. Einer seiner wichtigsten Mitstreiter war Eugen Hund, der als Leiter des Amts für öffentliche Ordnung für die Ausrichtung der Straßenfasnet das maßgebliche Bindeglied zur Stadtverwaltung bildete und als Maskenmeister großes Organisationstalent bewies.
Klaus Müller verstand es, andere Menschen für Neues zu begeistern, alte Verkrustungen aufzulösen und lieb gewordene Traditionen so weiterzuentwickeln, dass sich alle Generationen darin wiederfanden. Sein feinsinniger Humor und seine ungekünstelte Herzlichkeit wirkten ansteckend. Seine Späße waren nie verletzend, weil er über eigene Unzulänglichkeiten herzhaft lachen konnte, auch wenn ihm oft genug nicht nach Lachen zumute war. Erst über mehrere teils steinige Umwege fand der leidenschaftliche Pädagoge eine Anstellung als Hauptschullehrer, zunächst an der Oberstadtschule, zuletzt an der Talschule.
Soziale Verantwortung
Klaus Müllers Engagement beschränkte sich nicht darauf, in seiner Heimatstadt eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Er nahm auch soziale Verantwortung wahr, indem er jede Gelegenheit nutzte, um eine Rehaklinik für chronisch schwer erkrankte Kinder in Tannheim im Schwarzwald mit Spendenaktionen zu unterstützen. Innerhalb der Zunft sorgte er für ein Klima der Offenheit und Toleranz gegenüber allen Menschen. „Dass ich in der Plätzlerzunft wieder meinen Platz gefunden habe, ist ihm zu verdanken“, sagt Jürgen Hohl, der nach dem offenen Bekenntnis zu seiner Homosexualität Weingarten für mehr als zehn Jahre verbittert den Rücken gekehrt hatte. „Für ihn zählten weder Hautfarbe noch gesellschaftlicher Status, sondern allein menschliche Qualitäten“, so Hohl weiter.
Als stellvertretender Landschaftsvertreter in der traditionsbewussten Vereinigung schwäbischalemannischer Narrenzünfte war Klaus Müller zwar auch Repräsentant einer gewissen Brauchtums-Elite, aber elitär gebärdet hat er sich nie. Im Gegenteil: Er gab den Anstoß zu den regelmäßigen Treffen von Vertretern aller Narrenzünfte im Mittleren Schussental. Die Narretei kannte für ihn keine Standesunterschiede. Dieses Vermächtnis, das weit über die Fasnet hinausreicht, wird bleiben, auch wenn Weingarten mit Klaus Müllers plötzlichem Tod ein Stück ärmer geworden ist.