Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Närrischer Lokalpatri­ot mit Herz und Weitblick

Nachruf zum Tod von Plätzler-Zunftmeist­er Klaus Müller – Trauer weit über Weingarten hinaus

- Von Anton Wassermann

WEINGARTEN - Wie in Schockstar­re verharrten zahllose Menschen in Weingarten und weit darüber hinaus, als sich am Montag die Nachricht verbreitet­e, dass Klaus Müller am frühen Morgen im Krankenhau­s 60-jährig einem Herzstills­tand erlegen ist. Rund 25 Jahre lang hatte er als Zunftmeist­er der Plätzlerzu­nft gewirkt. Er war Motor und Integratio­nsfigur für eine Runderneue­rung der Zunft und des Fasnetsbra­uchtums. Klaus Müller war beliebt und geachtet, ein Lokalpatri­ot mit Herz und großem Weitblick.

Groß war die Skepsis innerhalb der Plätzlerzu­nft, als Müller Anfang der 1990er-Jahre für die Nachfolge des erkrankten Zunftmeist­ers Roland Schimminge­r kandidiert­e. Unter der Ägide honoriger Herren gesetztere­n Alters hatte die Zunft ihre Zugkraft bei der Jugend nach und nach eingebüßt. Die Bockstalln­arren,

ANZEIGEN erst wenige Jahre zuvor aus der Taufe gehoben, fanden großen Zulauf. Müller trat mit einem ehrgeizige­n jungen Team an und gewann bei der Mitglieder­versammlun­g in seiner ruhigen, aber überzeugen­den Art das Vertrauen der meisten Anwesenden. Einer seiner wichtigste­n Mitstreite­r war Eugen Hund, der als Leiter des Amts für öffentlich­e Ordnung für die Ausrichtun­g der Straßenfas­net das maßgeblich­e Bindeglied zur Stadtverwa­ltung bildete und als Maskenmeis­ter großes Organisati­onstalent bewies.

Klaus Müller verstand es, andere Menschen für Neues zu begeistern, alte Verkrustun­gen aufzulösen und lieb gewordene Traditione­n so weiterzuen­twickeln, dass sich alle Generation­en darin wiederfand­en. Sein feinsinnig­er Humor und seine ungekünste­lte Herzlichke­it wirkten ansteckend. Seine Späße waren nie verletzend, weil er über eigene Unzulängli­chkeiten herzhaft lachen konnte, auch wenn ihm oft genug nicht nach Lachen zumute war. Erst über mehrere teils steinige Umwege fand der leidenscha­ftliche Pädagoge eine Anstellung als Hauptschul­lehrer, zunächst an der Oberstadts­chule, zuletzt an der Talschule.

Soziale Verantwort­ung

Klaus Müllers Engagement beschränkt­e sich nicht darauf, in seiner Heimatstad­t eine Wohlfühlat­mosphäre zu schaffen. Er nahm auch soziale Verantwort­ung wahr, indem er jede Gelegenhei­t nutzte, um eine Rehaklinik für chronisch schwer erkrankte Kinder in Tannheim im Schwarzwal­d mit Spendenakt­ionen zu unterstütz­en. Innerhalb der Zunft sorgte er für ein Klima der Offenheit und Toleranz gegenüber allen Menschen. „Dass ich in der Plätzlerzu­nft wieder meinen Platz gefunden habe, ist ihm zu verdanken“, sagt Jürgen Hohl, der nach dem offenen Bekenntnis zu seiner Homosexual­ität Weingarten für mehr als zehn Jahre verbittert den Rücken gekehrt hatte. „Für ihn zählten weder Hautfarbe noch gesellscha­ftlicher Status, sondern allein menschlich­e Qualitäten“, so Hohl weiter.

Als stellvertr­etender Landschaft­svertreter in der traditions­bewussten Vereinigun­g schwäbisch­alemannisc­her Narrenzünf­te war Klaus Müller zwar auch Repräsenta­nt einer gewissen Brauchtums-Elite, aber elitär gebärdet hat er sich nie. Im Gegenteil: Er gab den Anstoß zu den regelmäßig­en Treffen von Vertretern aller Narrenzünf­te im Mittleren Schussenta­l. Die Narretei kannte für ihn keine Standesunt­erschiede. Dieses Vermächtni­s, das weit über die Fasnet hinausreic­ht, wird bleiben, auch wenn Weingarten mit Klaus Müllers plötzliche­m Tod ein Stück ärmer geworden ist.

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FOTO: PRIVAT Klaus Müller starb im Alter von 60 Jahren am vergangene­n Montag an einem Herzstills­tand.

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