Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hochwasser: Gefahr geht von Rinnsalen aus
Ernteeinbußen in der Landwirtschaft befürchtet – Gute Bedingungen für den Wald
RAVENSBURG - Während die Forstwirte dem Starkregen der vergangenen Tage sogar positive Seiten abgewinnen können, wird in der Landwirtschaft durchaus mit Ernteeinbußen gerechnet. Gezeigt hat sich, dass vor allem von Nebengewässern Hochwassergefahr ausgeht.
Dafür, dass sich in Stadt und Kreis Ravensburg die Wasserschäden in Grenzen halten, hat Walter Sieger eine einfache Erklärung: „Es hat nicht genug geregnet.“Die Niederschlagsmengen seien lokal völlig unterschiedlich ausgefallen, so der zuständige Dezernatsleiter im Landratsamt.
Während die Maßnahmen zum Hochwasserschutz an der Schussen greifen, gehe vor allem von den kleinen Seitengewässern Gefahr aus. So trat am Freitagabend der Kapellenbach, normalerweise ein Rinnsal, in Oberzell über die Ufer, die Wassermassen überfluteten Straßen und Parkplätze. In Taldorf lief das Musikerheim voll. Im Herbst soll im Rahmen der Hochwasserpartnerschaft ein Leitfaden vorgestellt werden, welche Gefahren von Starkniederschlägen ausgehen, kündigt Sieger an. Allerdings: „Man weiß dann immer noch nicht, woher sie drohen.“Gefragt seien „hochindividuelle Einzellösungen“. Zu den problematischen Nebengewässern zählt Sieger auch den Flappach. Das sei allerdings eine kommunale Angelegenheit. „Einen Überblick über die Gefahrenlagen haben wir nicht.“Derzeit geplant werden auch Maßnahmen zum Hochwasserschutz für die Scherzach, die vor drei Jahren in Weingarten erhebliche Schäden verursacht hat. „Starkregenniederschläge gab es immer“, sagt Sieger, der Eindruck, dass sie in immer stärkerem Ausmaß auftreten, könne nicht belegt werden: „Vielleicht ist es auch nur ein statistisches Phänomen.“Logisch sei die Erklärung mit der Klimaerwärmung: Wärmere Luftmassen können mehr Feuchtigkeit aufnehmen.
Ernte wird erschwert
Mit Ernteeinbußen rechnet der stellvertretende Vorsitzende des Bauernverbands Bodensee-Oberschwaben, Thomas Hagmann aus EbersbachMusbach. Etwa zwei Drittel der Agrarflächen im Landkreis sind Grünland; wegen der Staunässe können die Wiesen nicht befahren und der Schnittzeitpunkt könne nicht eingehalten werden. Dadurch leiden sowohl Menge wie auch Qualität der Silage. Auch die Felder können nicht befahren werden, um die Pflanzen gegen Pilzbefall zu behandeln. Pilzkrankheiten wie Gelbrost und Septoia können sich ausbreiten.
Staunässe auf den Feldern
Neben der Sommergerste leide auch der Mais unter der Staunässe. Geringere Erträge bei Erdbeeren und Spargel können zum Teil über den Preis ausgeglichen werden, sagt Hagmann. Bei Kirschen liege der Ernteausfall bei bis zu 50 Prozent – allerdings nicht wegen des Regens, sondern wegen der Nachtfröste im Mai. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, zieht Albrecht Siegel vom Landwirtschaftsamt Ravensburg Bilanz. Andere Landkreise seien von Extremniederschlägen viel stärker betroffen. „Wenn es so bliebe, können wir uns glücklich schätzen.“Die Pflanzen seien in der Lage, auch Extremsituationen zu kompensieren. „In sechs Wochen reden wir vielleicht über die extreme Trockenheit“, sagt Siegel. Am meisten gefährdet sei aktuell die Maisernte.
Hilfreich für die Landwirte wäre jetzt eine trockene Phase, da für die Grünlandbauern der zweite Schnitt ansteht. Außerdem seien die Güllegruben voll und müssen geleert werden.
Wälder sind weniger betroffen
Für den Wald seien die Rahmenbedingungen gut, heißt es im Forstamt. Amtsleiter Marijan Gogic verweist auf die Wasservorräte, die nach dem trockenem Sommer des Vorjahres nun wieder aufgefüllt werden konnten, die Wachstumsbedingungen seien ideal und die Jungpflanzen gut angewachsen. Allenfalls für Waldarbeiten wie Holzrücken seien die Bodenverhältnisse schlecht. Erfreulich für den Forstmann: „Der Borkenkäfer hat im Moment kein leichtes Spiel.“
Im Vorjahr hat der Schädling noch vom Sturmholz und der anschließenden Trockenheit profitiert.