Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Glaubwürdi­g wäre nur der Ausschluss

- Von Joachim Lindinger j.lindinger@schwaebisc­he.de

Als wir uns auf Sotschi vorbereite­t haben, da haben wir den Skisport revolution­iert. Wir wussten, dass wir in der Heimat keine falschen Siege wollen.“Witali Mutko hat das gesagt, Russlands Sportminis­ter. Witali Mutko sagte auch: „Wir hatten nie eine Politik der Vertuschun­g.“Genau das aber ist nun durch den McLaren-Report offenkundi­g belegt: Doping gemäß staatliche­m Masterplan gab es während der Winterspie­le 2014 im Gastgeberl­and, von einem Ausmaß, einer Perfidie jenseits aller Vorstellun­g, angeordnet von oben. Von ganz oben. Vom Sportminis­terium.

33 Medaillen haben russische Sportlerin­nen und Sportler in Sotschi gewonnen, 13 waren goldene. Wie viele regelkonfo­rm erreicht wurden, wie viele dank Methenolon, Trenbolon und Oxandrolon – das ist das eine. Samt umzuschrei­bender Ergebnisli­sten, samt Olympiasie­gern im Nachrückve­rfahren, samt der Wut, als (sauberer) Athlet, als (zahlender) Zuschauer getäuscht, betrogen worden zu sein. Dass, nur nebenbei, die olympische Idee verkauft wurde, stört allenfalls noch Romantiker. Dass im Moskauer Anti-Doping-Labor über Jahre hinweg positive Proben verschwund­en sind, rundet das Winterzum Ganzjahres-Schreckens­bild ab.

Das andere ist: die Frage nach der Konsequenz. Verantwort­ung für die Geschehnis­se vor und hinter dem ominösen Loch in Sotschis Laborwand, für den Austausch der Urinproben, trug nicht der einzelne Gedopte, nicht dessen Sportfachv­erband. Hier lief eine geheimdien­stlich gesteuerte Maschineri­e rund, liegt ein massiver institutio­neller Eingriff in die Integrität des Sports vor. Will der seine Glaubwürdi­gkeit wiedererla­ngen und meint es das Internatio­nale Olympische Komitee ernst mit der so gern propagiert­en Null-Toleranz-Politik, ist ein Ausschluss Russlands von den Sommerspie­len jetzt in Rio de Janeiro alternativ­los. Und doch wäre er nur ein erster Schritt. Der nächste müssten unabhängig­e Kontrollin­stanzen sein. Überall. In jedem Land. Nur so kann vermieden werden, dass vermeintli­che Wächter Täter sind.

Der Weg ist abgesteckt. Ob ihn der Sport gehen wird? Besagte Romantiker zumindest bezweifeln das.

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