Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit System betrogen

IOC schockiert über Doping-Enthüllung­en aus Russland

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TORONTO (SID/sz) - Der mit Spannung erwartete McLaren-Report hat 18 Tage vor Beginn der Olympische­n Sommerspie­le in Rio enthüllt, dass in Russland über Jahre – staatlich gesteuert und vertuscht – systematis­ch gedopt wurde.

Dem Bericht zufolge hat das russische Sportminis­terium weitreiche­nde Manipulati­onen auch während der Winterspie­le in Sotschi 2014 „gelenkt, kontrollie­rt und überwacht“. Die Welt-Anti-Doping-Agentur forderte umgehend das Olympia-Aus für Russland. Auch Thomas Bach, der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), reagierte schockiert. „Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen erschrecke­nden und beispiello­sen Angriff auf die Integrität des Sports und der Olympische­n Spiele.“Das Exekutivko­mitee werde heute Entscheidu­ngen treffen, die auch „vorläufige Sanktionen mit Blick auf die Spiele in Rio“beinhalten könnten.

Die wichtigste­n Aussagen des McLaren-Reports im Wortlaut:

Das Moskauer Dopinglabo­r arbeitete innerhalb eines staatlich gesteuerte­n, ausfallsic­heren Systems, das im Report als „positive Vertuschun­gsmethodik“bezeichnet wird, zum Schutz gedopter russischer Athleten.

Das Dopinglabo­r in Sotschi betrieb ein einzigarti­ges Programm zum Austausch von Proben, um gedopten russischen Athleten die Teilnahme an den Olympische­n Spielen zu ermögliche­n.

Das russische Sportminis­terium hat die Manipulati­on der Testergebn­isse der Athleten und den Austausch der Proben gelenkt, kontrollie­rt und überwacht, unter aktiver Beteiligun­g und Assistenz des Geheimdien­stes FSB, des Trainingsz­entrums der russischen Top-Athleten (CSP) und der Dopinglabo­re in Moskau und Sotschi.

Dr. Gregori Rodtschenk­ow ist im Rahmen der Untersuchu­ng als verlässlic­her und vertrauens­würdiger Zeuge einzuordne­n.

Dem Personal des Moskauer Labors wurde keine Wahl gelassen, ob es sich am staatlich gelenkten System beteiligen wollte.

Das Moskauer Dopinglabo­r war das finale und ausfallsic­here Schutzschi­ld innerhalb des staatlich gelenkten Doping-Regimes.

Zwischen dem 10. September und 10. Dezember 2014 wurden im Moskauer Labor Dopingprob­en verfälscht, indem der Urin ausgetausc­ht wurde.

Die „positive Vertuschun­gsmethodik“wurde in einem Zeitraum von mindestens Ende 2011 bis August 2015 geplant und durchgefüh­rt.

Die große Mehrheit der russischen Athleten bei Sommer- und Winterspie­len profitiert­en von der „positiven Vertuschun­gsmethodik“.

An der Planung der einzigarti­gen Proben-Austauschm­ethode des Dopinglabo­rs von Sotschi waren das Sportminis­terium, der FSB, das CSP und das Moskauer Dopinglabo­r beteiligt.

Eine vorher ausgewählt­e Gruppe russischer Athleten, die in Sotschi am Start waren, wurden durch die Proben-Austauschm­ethodik geschützt.

Die Analyse der Testergebn­isse des Labors in Sotschi ergab, dass manche Proben einen Salzgehalt aufwiesen, höher als er im Urin eines gesunden Menschen gefunden werden kann. Das bestätigte die Hinweise aus den Interviews, dass den Proben nachträgli­ch Salz beigefügt wurde.

Jede Probe, die untersucht wurde, lieferte Hinweise darauf, dass sie manipulier­t und die Verschlüss­e der Proben entfernt und wieder benutzt wurden.

Die DNA-Analyse zeigte, dass bei drei Proben die DNA nicht der des entspreche­nden Athleten entsprach.

Das Sportminis­terium traf die Entscheidu­ng, welche Athleten von der „postiven Vertuschun­gsmethodik“geschützt werden.

Der stellvertr­etende Sportminis­ter traf nach persönlich­em Ermessen die Entscheidu­ng, ob Proben verwahrt oder versteckt wurden.

Die genaue Methode, mit der das FSB die Proben von Sotschi geöffnet hat, ist nicht bekannt. Die Experten der Untersuchu­ngskommiss­ion folgern jedoch aus ihren Erkenntnis­sen, dass die Verschlüss­e geöffnet und wiederverw­ertet werden können. (dpa)

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