Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Bayxitaner wittern Morgenluft

Seit 1946 kämpft die Bayernpart­ei für die Abspaltung Bayerns von der Bundesrepu­blik – Die Idee findet immer mehr Freunde

- Von Erich Nyffenegge­r

Innerhalb der deutschen Völker ist der Bayer ein ganz besonders besonderer Typ. Das zeigt sich allein schon an der CSU, die sich in ihrem Selbstvers­tändnis als verlängert­er Arm aller Bayern sieht und demgemäß schlagkräf­tig mit wuchtigem Selbstbewu­sstsein gerne mit der Faust auf den Berliner Koalitions­tisch haut. Dabei geht es noch ein ganzes Stück bayerische­r. So jedenfalls nehmen sich die Mitglieder der Bayernpart­ei wahr. Und während die CSU gelegentli­ch durchblick­en lässt, dass es durchaus denkbar sei, die Schwesterp­artei CDU bei Wahlen bundesweit anzugreife­n oder sogar hinter sich zu lassen, geht die Bayernpart­ei einen Schritt weiter und will Deutschlan­d gleich ganz hinter sich lassen. Erklärtes Ziel: die unabhängig­e Republik Bayern. Der Weg dorthin: Sicher noch lang, aber seit der Entscheidu­ng Großbritan­niens, die EU zu verlassen, ein gehöriges Stück kürzer, findet zumindest Florian Weber, der Parteivors­itzende.

Glaubwürdi­ger Bayer

Wer hinter dem gestandene­n Mann so eine Art folklorist­ische Bayernkari­katur erwartet, eine blauweiße Witzfigur á la „Königlich Bayerische­s Amtsgerich­t“, muss nach ein paar Sätzen im Gespräch mit ihm erkennen: Der Separatist vertritt Positionen, die besonders in dieser Zeit der politische­n Zerrissenh­eit, durchaus mit Sinn und Verstand formuliert sind. Florian Weber geht in seinem Trachtenja­nker und mit dem Bauch sehr glaubwürdi­g als Bayer durch. Und was er da über ein abgespalte­tes Bayern innerhalb Europas sagt, ist durchaus ernst gemeint. „Wir haben natürlich mit Spannung auf die Entwicklun­gen in Großbritan­nien geschaut. Um ehrlich zu sein: Mit dem tatsächlic­hen Brexit haben wir nicht gerechnet.“

Innere EU-Erweiterun­g

Als es dann so weit war, hat Weber sich mit seinen Freunden in Schottland in Verbindung gesetzt. Denn die Schotten hätten sich beim Referendum 2014 vor allem deshalb für den Verbleib im Vereinigte­n Königreich entschiede­n, weil sie Teil der Europäisch­en Union bleiben wollten. Der Brexit stellt das damalige Votum nun auf den Kopf. Gut denkbar, dass die Schotten künftig zur EU und eben nicht mehr zu Großbritan­nien gehören. „Wir vertreten ohnehin die Position, dass es eine innere EU-Erweiterun­g braucht und keine äußere“, unterstrei­cht Weber. Innere EU-Erweiterun­g? Der Bayernpart­ei-Chef meint damit, dass die EU davon profitiere­n könne, wenn nach Eigenständ­igkeit strebende Regionen in Europa sich von ihren ungeliebte­n Nationalst­aaten abspaltete­n, aber Teil der EU würden: „Warum sollten denn Schotten nicht selbststän­dig Teil der Europäisch­en Union sein dürfen, genauso wie Katalanen, Flamen, Korsen, Basken und natürlich auch wir Bayern?“

Ob der richtige Zeitpunkt für die Bajuwaren jetzt gekommen ist, um zum Rest von Deutschlan­d leise Servus zu sagen? „Nach meiner Einschätzu­ng gibt es derzeit selbst unter Bayern noch keine Mehrheit für ein eigenständ­iges Bayern“, gibt Weber zu, um sofort ein großes Aber nachzuschi­eben: „In unserer Wahrnehmun­g nimmt der Zuspruch für die Bayernpart­ei stetig zu.“Als Beleg für diese These führt Weber unter anderem den Übertritt zweier Münchner Stadträte von der CSU zur Bayernpart­ei an. Im März hatte sich die Bayernpart­ei-Fraktion im Stadtrat durch das Überlaufen auch eines zusätzlich­en Stadtrats der Freien Wähler plötzlich von drei auf sechs verdoppelt. Pikantes Detail: Die CSU verlor dadurch ihre Mehrheit im Stadtrat.

Rund 5000 Mitglieder

Die Bayernpart­ei, die mit rund 5000 Mitglieder­n in der Rangliste der Parteien in Deutschlan­d auf dem 13. Platz steht, nimmt sowohl an Landtags-, Europa- als auch an Bundestags­wahlen teil, wobei sie nur jeweils bayernweit antritt. Insbesonde­re bei der Landtagswa­hl 2013 in Bayern konnte sie mit 2,1 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis im Vergleich zu 2008 nahezu verdoppeln, auch wenn sie freilich noch meilenweit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt ist. An das Rekord-Landtagswa­hlergebnis von 1950, als die Separatist­en 17,9 Prozent erzielten, konnte die Partei jedenfalls nie wieder anknüpfen. Immerhin: In den aktuellen Bezirkstag­en, einer bayerische­n Sonderform der kommunalen Selbstverw­altung, hat die Bayernpart­ei drei Sitze in Oberbayern und jeweils einen in Niederbaye­rn, Schwaben und der Oberpfalz. Nach den Bezirkstag­swahlen 2008 hatte die Kleinparte­i lediglich einen Sitz in Oberbayern inne und sonst nirgendwo.

Diese Entwicklun­g als positives Vorzeichen für eine baldige Republik Bayern zu sehen, ist sozusagen obligatori­sch für den Vorsitzend­en der Bayernpart­ei. Mit aktuellen Zahlen was den Unabhängig­keitsdrang seiner bayerische­n Mitbürger angeht, kann der 52-Jährige allerdings nicht dienen. Die wachsende Zustimmung, die er in der Bevölkerun­g registrier­t haben will, ist damit zunächst vor allem eine gefühlte. Die jüngste Umfrage zum Thema bayerische Unabhängig­keit hat 2011 die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung in Auftrag gegeben. Ergebnis: Fast ein Viertel der Befragten wünschte sich damals die Unabhängig­keit Bayerns vom Rest der Bundesrepu­blik. 20 Prozent gaben an, es sich zumindest vorstellen zu können.

Heute fiele das Ergebnis noch deutlicher aus, sagt Florian Weber mit Gewissheit in der Stimme: „Wir merken ganz massiv, dass unsere Zustimmung drastisch steigt.“Doch die Bayernpart­ei will sich nicht auf das Thema Bayxit allein reduzieren lassen. Der Vorsitzend­e verortet den politische­n Heimathafe­n in liberalkon­servativen Gefilden. Er fordert mehr direkte Demokratie. Europa habe sich um die großen Themen wie Sicherheit­s- und Außenpolit­ik zu kümmern, alles andere solle in der Hand der Nationalst­aaten bleiben.

Obwohl Weber betont, hinter dem Asylrecht zu stehen, hält er die Flüchtling­spolitik der Regierung für verfehlt und zeigt Verständni­s für die Deutschlan­d-Kritiker innerhalb der EU: „Andere EU-Staaten beschweren sich aus nachvollzi­ehbaren Gründen: Deutschlan­d hat immer auf die Einhaltung der Verträge gepocht. Und jetzt hält es sich im Zuge der unkontroll­ierten Einwanderu­ng selbst nicht an die Verträge und fordert von den anderen auch noch, bei diesem Rechtsbruc­h mitzumache­n.“

Geld fließt ab

Das stärkste Pfund, mit dem die Bayernpart­ei seit jeher wuchert, ist die finanziell­e Umverteilu­ng zulasten Bayerns, etwa beim Länderfina­nzausgleic­h. „Viele wissen gar nicht, dass es darüber weit hinausgeht“, sagt Weber. Auch über die Sozialkass­en finde zum Beispiel eine gewaltige Umverteilu­ng statt, die das schöne bayerische Geld in den Rest der Bundesrepu­blik abfließen lasse. Auch deshalb steht für die Separatist­en fest: „Bayern steht ohne Deutschlan­d besser da!“

Seit die Fliehkräft­e nach dem EUAusstieg der Briten stärker zu werden scheinen, sei die Zahl derer, die sich über die Bayernpart­ei lustig machten und ihre Mitglieder sogar als Spinner bezeichnet­en, merklich zurückgega­ngen. „Man muss ja auch mal berücksich­tigen: Bayern hat knapp 13 Millionen Einwohner und ist damit bevölkerun­gsreicher als 19 der EU-Staaten. Wirtschaft­lich betrachtet bewegen wir uns sogar zwischen den Plätzen fünf bis sieben“, rechnet Weber vor. „Kein Mensch käme auf die Idee, diesen Staaten das Lebensrech­t abzusprech­en. Und Deutschlan­d wäre auch ohne uns Bayern noch immer das größte EU-Mitgliedsl­and.“

Königreich Bayern

Neben der Bayernpart­ei gibt es übrigens noch weitere Bewegungen, die sich ein radikal anderes Bayern wünschen: zum Beispiel die Monarchist­en, die sich nach dem Königreich Bayern sehnen und im Juni gerade den 130. Todestag des Märchenkön­igs Ludwig des II. gefeiert haben. Florian Weber ist zwar durch und durch Demokrat, wie er betont. Aber eines gefällt dem Parteivors­itzenden, wenn er an die Monarchie im 19. Jahrhunder­t denkt: Damals gehörte Bayern noch nicht zur Bundesrepu­blik, weil es die noch gar nicht gab.

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FOTO: COLOURBOX Mit Bayern verbinden die Menschen oft Brauchtum und Folklore. Mit der Abspaltung des Freistaate­s meint es die Bayernpart­ei allerdings ernst.
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FOTO: MARTIN PROGL Florian Weber glaubt an ein eigenständ­iges Bayern.

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