Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die Bayxitaner wittern Morgenluft
Seit 1946 kämpft die Bayernpartei für die Abspaltung Bayerns von der Bundesrepublik – Die Idee findet immer mehr Freunde
Innerhalb der deutschen Völker ist der Bayer ein ganz besonders besonderer Typ. Das zeigt sich allein schon an der CSU, die sich in ihrem Selbstverständnis als verlängerter Arm aller Bayern sieht und demgemäß schlagkräftig mit wuchtigem Selbstbewusstsein gerne mit der Faust auf den Berliner Koalitionstisch haut. Dabei geht es noch ein ganzes Stück bayerischer. So jedenfalls nehmen sich die Mitglieder der Bayernpartei wahr. Und während die CSU gelegentlich durchblicken lässt, dass es durchaus denkbar sei, die Schwesterpartei CDU bei Wahlen bundesweit anzugreifen oder sogar hinter sich zu lassen, geht die Bayernpartei einen Schritt weiter und will Deutschland gleich ganz hinter sich lassen. Erklärtes Ziel: die unabhängige Republik Bayern. Der Weg dorthin: Sicher noch lang, aber seit der Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, ein gehöriges Stück kürzer, findet zumindest Florian Weber, der Parteivorsitzende.
Glaubwürdiger Bayer
Wer hinter dem gestandenen Mann so eine Art folkloristische Bayernkarikatur erwartet, eine blauweiße Witzfigur á la „Königlich Bayerisches Amtsgericht“, muss nach ein paar Sätzen im Gespräch mit ihm erkennen: Der Separatist vertritt Positionen, die besonders in dieser Zeit der politischen Zerrissenheit, durchaus mit Sinn und Verstand formuliert sind. Florian Weber geht in seinem Trachtenjanker und mit dem Bauch sehr glaubwürdig als Bayer durch. Und was er da über ein abgespaltetes Bayern innerhalb Europas sagt, ist durchaus ernst gemeint. „Wir haben natürlich mit Spannung auf die Entwicklungen in Großbritannien geschaut. Um ehrlich zu sein: Mit dem tatsächlichen Brexit haben wir nicht gerechnet.“
Innere EU-Erweiterung
Als es dann so weit war, hat Weber sich mit seinen Freunden in Schottland in Verbindung gesetzt. Denn die Schotten hätten sich beim Referendum 2014 vor allem deshalb für den Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden, weil sie Teil der Europäischen Union bleiben wollten. Der Brexit stellt das damalige Votum nun auf den Kopf. Gut denkbar, dass die Schotten künftig zur EU und eben nicht mehr zu Großbritannien gehören. „Wir vertreten ohnehin die Position, dass es eine innere EU-Erweiterung braucht und keine äußere“, unterstreicht Weber. Innere EU-Erweiterung? Der Bayernpartei-Chef meint damit, dass die EU davon profitieren könne, wenn nach Eigenständigkeit strebende Regionen in Europa sich von ihren ungeliebten Nationalstaaten abspalteten, aber Teil der EU würden: „Warum sollten denn Schotten nicht selbstständig Teil der Europäischen Union sein dürfen, genauso wie Katalanen, Flamen, Korsen, Basken und natürlich auch wir Bayern?“
Ob der richtige Zeitpunkt für die Bajuwaren jetzt gekommen ist, um zum Rest von Deutschland leise Servus zu sagen? „Nach meiner Einschätzung gibt es derzeit selbst unter Bayern noch keine Mehrheit für ein eigenständiges Bayern“, gibt Weber zu, um sofort ein großes Aber nachzuschieben: „In unserer Wahrnehmung nimmt der Zuspruch für die Bayernpartei stetig zu.“Als Beleg für diese These führt Weber unter anderem den Übertritt zweier Münchner Stadträte von der CSU zur Bayernpartei an. Im März hatte sich die Bayernpartei-Fraktion im Stadtrat durch das Überlaufen auch eines zusätzlichen Stadtrats der Freien Wähler plötzlich von drei auf sechs verdoppelt. Pikantes Detail: Die CSU verlor dadurch ihre Mehrheit im Stadtrat.
Rund 5000 Mitglieder
Die Bayernpartei, die mit rund 5000 Mitgliedern in der Rangliste der Parteien in Deutschland auf dem 13. Platz steht, nimmt sowohl an Landtags-, Europa- als auch an Bundestagswahlen teil, wobei sie nur jeweils bayernweit antritt. Insbesondere bei der Landtagswahl 2013 in Bayern konnte sie mit 2,1 Prozent der Stimmen ihr Ergebnis im Vergleich zu 2008 nahezu verdoppeln, auch wenn sie freilich noch meilenweit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt ist. An das Rekord-Landtagswahlergebnis von 1950, als die Separatisten 17,9 Prozent erzielten, konnte die Partei jedenfalls nie wieder anknüpfen. Immerhin: In den aktuellen Bezirkstagen, einer bayerischen Sonderform der kommunalen Selbstverwaltung, hat die Bayernpartei drei Sitze in Oberbayern und jeweils einen in Niederbayern, Schwaben und der Oberpfalz. Nach den Bezirkstagswahlen 2008 hatte die Kleinpartei lediglich einen Sitz in Oberbayern inne und sonst nirgendwo.
Diese Entwicklung als positives Vorzeichen für eine baldige Republik Bayern zu sehen, ist sozusagen obligatorisch für den Vorsitzenden der Bayernpartei. Mit aktuellen Zahlen was den Unabhängigkeitsdrang seiner bayerischen Mitbürger angeht, kann der 52-Jährige allerdings nicht dienen. Die wachsende Zustimmung, die er in der Bevölkerung registriert haben will, ist damit zunächst vor allem eine gefühlte. Die jüngste Umfrage zum Thema bayerische Unabhängigkeit hat 2011 die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung in Auftrag gegeben. Ergebnis: Fast ein Viertel der Befragten wünschte sich damals die Unabhängigkeit Bayerns vom Rest der Bundesrepublik. 20 Prozent gaben an, es sich zumindest vorstellen zu können.
Heute fiele das Ergebnis noch deutlicher aus, sagt Florian Weber mit Gewissheit in der Stimme: „Wir merken ganz massiv, dass unsere Zustimmung drastisch steigt.“Doch die Bayernpartei will sich nicht auf das Thema Bayxit allein reduzieren lassen. Der Vorsitzende verortet den politischen Heimathafen in liberalkonservativen Gefilden. Er fordert mehr direkte Demokratie. Europa habe sich um die großen Themen wie Sicherheits- und Außenpolitik zu kümmern, alles andere solle in der Hand der Nationalstaaten bleiben.
Obwohl Weber betont, hinter dem Asylrecht zu stehen, hält er die Flüchtlingspolitik der Regierung für verfehlt und zeigt Verständnis für die Deutschland-Kritiker innerhalb der EU: „Andere EU-Staaten beschweren sich aus nachvollziehbaren Gründen: Deutschland hat immer auf die Einhaltung der Verträge gepocht. Und jetzt hält es sich im Zuge der unkontrollierten Einwanderung selbst nicht an die Verträge und fordert von den anderen auch noch, bei diesem Rechtsbruch mitzumachen.“
Geld fließt ab
Das stärkste Pfund, mit dem die Bayernpartei seit jeher wuchert, ist die finanzielle Umverteilung zulasten Bayerns, etwa beim Länderfinanzausgleich. „Viele wissen gar nicht, dass es darüber weit hinausgeht“, sagt Weber. Auch über die Sozialkassen finde zum Beispiel eine gewaltige Umverteilung statt, die das schöne bayerische Geld in den Rest der Bundesrepublik abfließen lasse. Auch deshalb steht für die Separatisten fest: „Bayern steht ohne Deutschland besser da!“
Seit die Fliehkräfte nach dem EUAusstieg der Briten stärker zu werden scheinen, sei die Zahl derer, die sich über die Bayernpartei lustig machten und ihre Mitglieder sogar als Spinner bezeichneten, merklich zurückgegangen. „Man muss ja auch mal berücksichtigen: Bayern hat knapp 13 Millionen Einwohner und ist damit bevölkerungsreicher als 19 der EU-Staaten. Wirtschaftlich betrachtet bewegen wir uns sogar zwischen den Plätzen fünf bis sieben“, rechnet Weber vor. „Kein Mensch käme auf die Idee, diesen Staaten das Lebensrecht abzusprechen. Und Deutschland wäre auch ohne uns Bayern noch immer das größte EU-Mitgliedsland.“
Königreich Bayern
Neben der Bayernpartei gibt es übrigens noch weitere Bewegungen, die sich ein radikal anderes Bayern wünschen: zum Beispiel die Monarchisten, die sich nach dem Königreich Bayern sehnen und im Juni gerade den 130. Todestag des Märchenkönigs Ludwig des II. gefeiert haben. Florian Weber ist zwar durch und durch Demokrat, wie er betont. Aber eines gefällt dem Parteivorsitzenden, wenn er an die Monarchie im 19. Jahrhundert denkt: Damals gehörte Bayern noch nicht zur Bundesrepublik, weil es die noch gar nicht gab.