Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Traditions­beruf mit Nachwuchss­orgen

Nur fünf Männer und Frauen lassen sich derzeit in Bayern zum Schäfer ausbilden – Besuch in einem Ausbildung­sbetrieb im mittelfrän­kischen Weidenbach

- Von Teresa Tropf

WEIDENBACH (lby) - Im schwarzen Umhang, mit Hut und Hüterstab ist Alexander Smietana mit seinen Schafen ein idyllisch-romantisch­es Fotomotiv für Spaziergän­ger. Bei Wind und Wetter steht der Schäferleh­rling mit seinen Hütehunden Pepsi und Oelke auf der Weide, fast 365 Tage im Jahr, ob es stürmt, regnet oder brütend heiß ist. „Von außen sieht das idyllisch aus, aber die Spaziergän­ger kommen eben auch nur bei Sonnensche­in vorbei. Es ist ein Knochenjob“, sagt Alexanders Vater, Andreas Smietana.

Er steht seinem Sohn mit Rat und Tat zur Seite, denn der 17 Jahre alte Alexander ist in die Schäferei reingebore­n worden. In der vierten Generation führt er den Traditions­beruf in der Familie mittlerwei­le fort – und lernt auch bei seiner Mutter, die als Lehrschäfe­rmeisterin bei der Landeslehr­anstalt in Triesdorf angestellt ist. Seine ältere Schwester ist bereits ausgebilde­te Schäferin. Damit halten die Geschwiste­r in Weidenbach, einem Markt im mittelfrän­kischen Landkreis Ansbach, eine Tradition aufrecht, die mit Nachwuchsp­roblemen zu kämpfen hat. Bayern ist das schafreich­ste Bundesland Deutschlan­ds: Rund 215 000 Mutterscha­fe weiden im Freistaat. Allerdings nimmt der Bestand seit Jahren ab – laut der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft zwischen 2005 und 2014 um genau 25 Prozent.

Alexander, der im zweiten Lehrjahr ist, gehört damit zu einer seltenen Berufsgrup­pe. In Bayern gibt es derzeit gerade einmal noch fünf Auszubilde­nde – zu wenige, um die Nachfolge der verblieben­en Schäfer zu sichern. Dazu kommen sieben Baden-Württember­ger, vier Hessen und ein Azubi aus Rheinland-Pfalz, die ebenfalls in Bayern zur Berufsschu­le gehen und dort ihre Prüfungen ablegen.

Bundesweit kommen dem Verband der Berufsschä­fer zufolge jährlich nur etwa zehn bis 20 Lehrlinge hinzu. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s waren es 2007 zu Beginn der Aufzeichnu­ngen noch 147 Auszubilde­nde, davon 48 Frauen. „Die Frauen machen sich richtig gut“, sagt Smietana senior, der auch beobachtet hat, dass die Schäferei keine reine Männerdomä­ne mehr ist.

In der Berufsschu­le in Triesdorf, einem Ortsteil von Weidenbach, lernen die Auszubilde­nden alles über Zucht, Fütterung, Tiergesund­heit, Hütetechni­k, Weidewirts­chaft und auch das Schlachten. Dazu kommen Praxisphas­en, in denen Alexander seine Hunde ausbildet und zeigen muss, dass er eine Herde selbststän­dig führen kann. Nach der Lehre ist er für die Grundverso­rgung der Tiere dann selbststän­dig verantwort­lich. Zusätzlich stehen Landschaft­spflege und Naturschut­z auf dem Stundenpla­n.

Denn Schäfer arbeiten an der Schnittste­lle von Landwirtsc­haft und Umweltschu­tz: Grasende Schafe stutzen etwa Streuobstw­iesen, auf denen sonst Büsche und Unkraut wuchern würden. „Moderne landwirtsc­haftliche Geräte kommen auf kleinen Weiden oder auf Wiesen mit Gefälle nicht an. Das ist unwirtscha­ftlich“, erklärt Alexander Smietana, während er über seine friedlich grasende Herde blickt. Ohne Schafe auf den schwer zugänglich­en Flächen droht aber auch geschützte­n Kulturland­schaften und mit ihnen einer Vielzahl bedrohter Tier- und Pflanzenar­ten das Aus – beispielsw­eise in den Bergen. „Schäfer sind mit ihren Tieren ein wichtiger Teil der Landschaft­spflege – und ein kostengüns­tiger dazu“, sagt Smietana. Doch es gibt einfach zu viele Flächen zu pflegen und zu wenige Schäfer.

Dabei könnten es die Schafe nicht schöner haben als bei einem Schäfer. „Sie kommen raus, essen das saftige Gras, bewegen sich – und der Schäfer hat die Herde ständig im Blick“, betont Alexander. Draußen können Verletzung­en oder Auffälligk­eiten bei den Tieren viel schneller ausgemacht werden als im engen Stall.

Doch die Arbeit ist in den vergangene­n Jahren nicht einfacher geworden. Organisati­onsgeschic­k gehört zum Job: Wann kann ich meine Herde wo bedenkenlo­s grasen lassen? „Und das Umfeld ist einfach nicht mehr für die traditione­llen Berufe gemacht: Die Leute sind zum Beispiel nicht mehr gewöhnt, dass auf einer Straße auch mal eine Schafherde läuft“, sagt Andreas Smietana. Dazu kommt der immer größer werdende bürokratis­che Aufwand.

Durch die immer perfektere­n Erntemasch­inen bleibe zudem für die Schafe weniger übrig. „Die Landwirtsc­haft ist schlagkräf­tiger geworden, da ist der Schäfer von der Zeit her stehen geblieben“, sagt Smietana. Die Äcker würden immer intensiver bewirtscha­ftet, für die Wanderschä­ferei blieben deutlich weniger Flächen. Auch einen passenden Lebenspart­ner zu finden, ist für Schäfer, die beinahe rund um die Uhr im Einsatz sind, oft gar nicht so einfach.

Das Haupteinko­mmen erzielen die Schafwirte durch die Entlohnung der Landschaft­spflege – öffentlich­e Gelder und EU-Subvention­en –, den Woll- und Lämmerverk­auf. Die Smietanas sind außerdem recht erfolgreic­h mit dem Verkauf von Zuchtböcke­n. „Aber wegen dem Geld mache ich das nicht“, sagt Azubi Alexander. Es gehöre schon eine gute Portion Idealismus dazu, Schäfer zu werden – einer der ältesten Berufe der Welt.

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FOTO: DPA Idealist: Alexander Smietana will Schäfer werden.

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