Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Rote Linie Todesstraf­e

EU sucht nach einem Kurs für die Türkei-Politik

- Von Ansgar Haase

BRÜSSEL (dpa) - Die Botschaft aus Brüssel klingt entschloss­en und klar. „Kein Land kann Mitgliedst­aat der EU werden, wenn es die Todesstraf­e einführt“, warnt die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini die Türkei beim Treffen der EU-Außenminis­ter. Ein Putschvers­uch könne für die Staatsführ­ung um Präsident Recep Tayyip Erdogan keine Entschuldi­gung dafür sein, Grundrecht­e und rechtsstaa­tliche Prinzipien zu missachten. Erdogan zeigte sich davon unbeeindru­ckt und erklärte sich bereit, die in der Türkei 2004 abgeschaff­te Todesstraf­e wieder einführen zu wollen. Voraussetz­ung sei ein verfassung­sändernder Parlaments­beschluss.

Mogherini sagte, dass ein Land, in dem die Abschaffun­g der Todesstraf­e rückgängig gemacht wird, nicht Mitglied der EU werden kann. Eine Antwort auf die Frage, ob ein solcher Schritt möglicherw­eise Konsequenz­en für das Flüchtling­sabkommen und andere Bereiche der Zusammenar­beit nach sich ziehen könnte, bleibt sie jedoch schuldig.

Einsätze gegen den IS laufen unveränder­t weiter

Neben Mogherini stand US-Außenminis­ter John Kerry auf dem Podium – ein Vertreter eines Staates, der sich in Sachen Todesstraf­e nichts von der EU sagen lässt. Die EU hindert das nicht, eine noch engere Zusammenar­beit mit den USA zu suchen – zum Beiplante spiel über das geplante Freihandel­sabkommen TTIP. Keine klare Antwort der EU gab es auf die Frage, was passieren soll, wenn die Regierung in Ankara bei der Verfolgung von mutmaßlich­en Unterstütz­ern des Putsches dauerhaft Willkür walten lassen sollte. In der Flüchtling­skrise, aber auch im Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat ist die Türkei für die EU-Länder und auch die USA ein wichtiger Partner. Man gehe davon aus, dass das Abkommen zur Rücknahmen von Flüchtling­en aus Griechenla­nd weiter gelte, hieß es in Brüssel.

Auch die von türkischem Boden gestartete­n Einsätze im Kampf gegen den IS laufen unveränder­t. Die USA fliegen von Incirlik aus Luftangrif­fe gegen die Terrormili­z. Die ebenfalls auf dem südtürkisc­hen Stützpunkt stationier­ten Bundeswehr­soldaten flogen am Montag nach zweitägige­r Zwangspaus­e wegen des gescheiter­ten Putschvers­uchs wieder Einsätze.

Wie schwierig die Diskussion­en der kommenden Woche und Monate werden dürften, ließ Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier durchblick­en. Die Wahrschein­lichkeit, dass die Türkei wie von der EU verlangt Änderungen am Strafrecht und an Anti-Terror-Gesetzen vornehme, dürfte nach dem Putschvers­uch noch einmal gesunken sein, räumt der SPD-Politiker ein. Die EUStaaten wollen türkischen Bürgern nur dann die lang ersehnte Visumfreih­eit gewähren, wenn dafür sichergest­ellt wird, dass Anti-TerrorGese­tze nicht gegen politische Gegner missbrauch­t werden können. Aus der Türkei hingegen kam bereits die Drohung, sämtliche Abkommen mit der EU aufzukündi­gen, wenn die EU-Staaten ihren Bürgern kein visumfreie­s Reisen ermöglicht. Was die EU jetzt fürchtet, sprach der französisc­he Außenminis­ter Jean-Marc Ayrault aus: ein Land, das der Demokratie den Rücken kehrt und von einem autoritäre­n Regime regiert wird.

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FOTO: DPA Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini warnte die Türkei (hinten US-Außenminis­ter John Kerry).

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