Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Abstimmung über Atombewaff­nung offenbart Zerstritte­nheit

Die Labour-Opposition zerfleisch­t sich und ihren Vorsitzend­en Jeremy Corbyn

- Von Sebastian Borger

LONDON - Eine Abstimmung im Unterhaus über die Zukunft der britischen Atombewaff­nung offenbarte am Montag die Zerstritte­nheit in der britischen Labour-Party. Die Modernisie­rung des Waffenträg­ersystems Trident („Dreizack“) steht seit rund einem Jahrzehnt auf der politische­n Tagesordnu­ng. Während die Raketen mit Nuklearspr­engköpfen bis auf Weiteres funktionsf­ähig sind, müssen die vier atomar angetriebe­nen UBoote der Vanguard-Klasse in absehbarer Zeit ersetzt werden. Das Waffenprog­ramm soll nach derzeitige­r Rechnung 32 Milliarden Pfund (38,3 Milliarden Euro) über 20 Jahre kosten und die wenigen verblieben­en Spezialwer­ften des Landes auslasten.

Die Abstimmung wurde noch vom ausgeschie­denen Premiermin­ister David Cameron anberaumt, um nach dem heftig umstritten­en Brexit-Referendum seine konservati­ve Partei zu einigen. Aus demselben Grund behielt die neue Amtsinhabe­rin Theresa May den Termin bei. Dass die wichtigste Opposition­spartei über die Frage gespalten ist, dürfte zum konservati­ven Wohlbefind­en beitragen. Im Parlament gab sich die Premiermin­isterin aber staatstrag­end und wies auf weiterhin bestehende Bedrohunge­n hin; die „letzte Versicheru­ng durch Atomwaffen“aufzugeben, käme einer „schlimmen Verantwort­ungslosigk­eit“ gleich, sagte die Premiermin­isterin.

Ganz anders argumentie­ren die Gegner der fortdauern­den Atombewaff­nung. Die rund 200 Nuklearspr­engköpfe seien im Zeitalter asymmetris­cher Bedrohung durch Terrorangr­iffe und Cyberattac­ken nicht mehr zeitgemäß, glauben schottisch­e und walisische Nationalis­ten ebenso wie der pazifistis­che Flügel der Labour-Party, zu dem auch der linksradik­ale Parteivors­itzende Jeremy Corbyn gehört. In seiner 33-jährigen Parlaments­zugehörigk­eit hat der Abgeordnet­e für den Nord-Londoner Bezirk Islington stets für die einseitige atomare Abrüstung votierte. Während sich die außen- und verteidigu­ngspolitis­chen Sprecher der Stimme enthielten, folgte ein Großteil der Fraktion der Parteilini­e und stimmte mit der Regierung.

Dazu gehörten auch jene beiden Abgeordnet­en, die Corbyn herausford­ern wollen. Der Waliser Owen Smith, 46, hat sich links von der bereits bekannten Kandidatin Angela Eagle, 55, positionie­rt. Die erfahrene frühere Staatssekr­etärin weist darauf hin, es sei auch in ihrer Partei „Zeit für eine Frau“. Parteiinte­rn gilt Eagle als kompetent, aber wenig leutselig.

Beide Anti-Corbyn-Kandidaten stellten sich am Montag einem Schaulaufe­n innerhalb der Fraktion, die dem Parteichef mit 80-prozentige­r Mehrheit das Misstrauen ausgesproc­hen hatte. Das Wahlergebn­is soll Ende September feststehen.

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