Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Abstimmung über Atombewaffnung offenbart Zerstrittenheit
Die Labour-Opposition zerfleischt sich und ihren Vorsitzenden Jeremy Corbyn
LONDON - Eine Abstimmung im Unterhaus über die Zukunft der britischen Atombewaffnung offenbarte am Montag die Zerstrittenheit in der britischen Labour-Party. Die Modernisierung des Waffenträgersystems Trident („Dreizack“) steht seit rund einem Jahrzehnt auf der politischen Tagesordnung. Während die Raketen mit Nuklearsprengköpfen bis auf Weiteres funktionsfähig sind, müssen die vier atomar angetriebenen UBoote der Vanguard-Klasse in absehbarer Zeit ersetzt werden. Das Waffenprogramm soll nach derzeitiger Rechnung 32 Milliarden Pfund (38,3 Milliarden Euro) über 20 Jahre kosten und die wenigen verbliebenen Spezialwerften des Landes auslasten.
Die Abstimmung wurde noch vom ausgeschiedenen Premierminister David Cameron anberaumt, um nach dem heftig umstrittenen Brexit-Referendum seine konservative Partei zu einigen. Aus demselben Grund behielt die neue Amtsinhaberin Theresa May den Termin bei. Dass die wichtigste Oppositionspartei über die Frage gespalten ist, dürfte zum konservativen Wohlbefinden beitragen. Im Parlament gab sich die Premierministerin aber staatstragend und wies auf weiterhin bestehende Bedrohungen hin; die „letzte Versicherung durch Atomwaffen“aufzugeben, käme einer „schlimmen Verantwortungslosigkeit“ gleich, sagte die Premierministerin.
Ganz anders argumentieren die Gegner der fortdauernden Atombewaffnung. Die rund 200 Nuklearsprengköpfe seien im Zeitalter asymmetrischer Bedrohung durch Terrorangriffe und Cyberattacken nicht mehr zeitgemäß, glauben schottische und walisische Nationalisten ebenso wie der pazifistische Flügel der Labour-Party, zu dem auch der linksradikale Parteivorsitzende Jeremy Corbyn gehört. In seiner 33-jährigen Parlamentszugehörigkeit hat der Abgeordnete für den Nord-Londoner Bezirk Islington stets für die einseitige atomare Abrüstung votierte. Während sich die außen- und verteidigungspolitischen Sprecher der Stimme enthielten, folgte ein Großteil der Fraktion der Parteilinie und stimmte mit der Regierung.
Dazu gehörten auch jene beiden Abgeordneten, die Corbyn herausfordern wollen. Der Waliser Owen Smith, 46, hat sich links von der bereits bekannten Kandidatin Angela Eagle, 55, positioniert. Die erfahrene frühere Staatssekretärin weist darauf hin, es sei auch in ihrer Partei „Zeit für eine Frau“. Parteiintern gilt Eagle als kompetent, aber wenig leutselig.
Beide Anti-Corbyn-Kandidaten stellten sich am Montag einem Schaulaufen innerhalb der Fraktion, die dem Parteichef mit 80-prozentiger Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen hatte. Das Wahlergebnis soll Ende September feststehen.