Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit der Telekom zurück in die Steinzeit
IPhone gekauft, Stein bekommen – Das Protokoll einer skurrilen Internetbestellung
RAVENSBURG - Als der hagere Mann mit dem schwarzen Rollkragenpulli die Bühne einer Technik-Messe in San Francisco betritt, hält die Welt den Atem an. Die Botschaft des Kaliforniers: Glück kann man kaufen. Fast zehn Jahre später kam die Botschaft auch bei mir an. Nur das passende Gerät dazu nicht.
Der Mann, der damals während der Präsentation des ersten iPhones selbst den unabhängigsten Fachjournalisten in Verzückung versetzte, hieß Steve Jobs. Als Apple-Chef verstand er es wie kein Zweiter, einen einfachen Gebrauchsgegenstand mit religiöser Bedeutung aufzuladen. Das ist lange her, Steve Jobs mittlerweile verstorben und das iPhone ein Smartphone wie jedes andere. Zeit also, mir endlich auch eins anzuschaffen – jetzt, da der Hype vorüber ist.
3. Juli: Im Online-Shop der Telekom entdecke ich ein unverhofft günstiges Angebot: 40 Euro im Monat für eine „Allnet-Flat“samt iPhone plus 100 Euro für mein altes Nokia-Fossil. Gekauft!
4. Juli: „Vielen Dank für Ihr Vertrauen“schreibt mir die Telekom. Gern geschehen.
5. Juli: Lieferverzögerungen. Der Kundenservice-Leiter verspricht mir aber höchstpersönlich und mit Unterschrift „am Ball zu bleiben“. Toll!
8. Juli: Steve Jobs’ Glücksversprechen klingelt an meiner Haustür – und ich bin nicht da.
9. Juli: Ich vereinbare mit DHL Express eine neue Zustellung zum 11. Juli. Diesmal an meinen Arbeitsplatz. Service: tippi, toppi! 11. Juli, 15.24 Uhr: Das von Steve Jobs versprochene Glück kommt in Gestalt eines leicht überforderten Paketzustellers ins Medienhaus. „Viel Spaß mit Handy“, sagt er. 15.29 Uhr: Ich öffne das Paket heimlich am Arbeitsplatz. Vertragsunterlagen: da. Ein Gegenstand mit sanften Formen und abgerundeten Ecken, das Hand und Augen schmeichelt: ebenfalls vorhanden. Nur Telefonieren kann man damit nicht.
15.30 Uhr: Meine Befürchtung wird traurige Gewissheit: Bei meinem neuen iPhone handelt es sich um einen Stein. 16.30 Uhr: Ich hänge zwanzig Minuten in der Warteschleife der Telekom-Hotline, ehe ich einer jungen Call-Center-Mitarbeiterin mein Steinproblem schildern kann. „WAAAS? DAS IST JA KRASS!“, brüllt sie ins Telefon. Irgendwie sympathisch ihre Reaktion, aber irgendwie auch wenig hilfreich. Schließlich gibt sie mir zu verstehen, dass sie mich zwar nicht für einen Betrüger hält, aber dennoch erst mal sichergehen muss, dass ich kein Betrüger bin. Sobald ich „das Formular“ausgefüllt habe, das sie mir „sofort“zuschicken würde, werde mein iStone „umgehend“durch ein iPhone ersetzt. Mein anfängliches Staunen weicht der Wut.
17.41 Uhr: Ich entscheide mich für einen #Aufschrei auf Twitter und frage die @deutschetelekom, wo ich meinen neuen iStone einschalte.
18.05 Uhr: Zwei Dutzend Retweets und Antworten innerhalb weniger Minuten. Darunter auch Häme: „Der Stein ist für die Glasscheibe vom Apple Store, kauf dir ein @Fairphone“, zwitschert „iceagezero“. Ein gewisser „Läb“verschlimmert mein ohnehin schon schlechtes Gewissen: „sehe keinerlei abriebspuren wie es durch den versand mit stein gegeben hätte. nice try.“User „Ingo Mörl“fühlt sich an die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 erinnert: „In Stuttgart würde es heißen: Vertrag ist Vertrag! Das Volk hat über den geschlossenen Karton abgestimmt. #S21“. Auch die Telekom meldet sich zu Wort – und versucht es mit Ironie und einem verkappten Vorwurf statt mit einer Entschuldigung: „Wie alle neuen iPhones auf der rechten Seite. Scherz beiseite, Paket wirklich so erhalten? Schon beim Zusteller reklamiert?“
15. Juli: In meiner Verzweiflung wende ich mich an die Verbraucherzentrale. „So einen Fall hatten wir noch nie“, gesteht eine etwas ratlose Juristin am Telefon. Die „Gefahrtragung“während des Transports liege allerdings bei der Telekom, sagt sie.
16. Juli: „Das Formular“ist da. Darauf teilt mir die Telekom mit, dass ich ein weiteres Formular benötige. Wegen einer „Schadensmeldung“, die ich in einer DHL-Filiale ausfüllen müsse.
18. Juli: In der Ravensburger DHL-Filiale erläutert mir ein Mitarbeiter, dass er die Postbank sei und nicht DHL – und schon gar nicht DHL Express. Das Formular für die Schadensmeldung müsse ich telefonisch bei DHL Express beantragen. Als ich in meiner Erregung in Jugendsprech verfalle, rät er mir, die Sache von den „Cops“noch mal „checken“zu lassen. Bei der DHLExpress-Hotline wird mir dann zwar das Recht eingeräumt, mich zu beschweren. Um den Versand des Formulars allerdings kümmerten sich „Kollegen“. Wer diese Kollegen sind und wann diese meine Anfrage bearbeiten – man weiß es nicht.
Mir reicht’s. Ich rufe bei der Pressestelle von DHL und der Telekom an. Plötzlich geht alles ganz schnell. Auch ohne Schadensmeldung. Das Paket mit Stein und „Schadenserklärung“gebe ich im Telekom-Shop ab.
Fazit: Steve Jobs iPhone-Himmel ist eine kafkaeske Hölle. Inzwischen habe ich wieder reumütig mein Motorola-Smartphone aus der Schublade gekramt. Ob, und wenn ja, wann ich mein neues iPhone bekomme, lesen Sie (vielleicht) demnächst in der „Schwäbischen Zeitung“.