Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Von Milchbubis und verrückten Teenies
Meine peinlichste Platte enthält Songs mit solchen Passagen: „Ich habe immer geglaubt, ein Mann sollte nicht weinen, bis du aufgestanden und gegangen bist.“Dieser Auszug aus dem Lied „Just Because of You“ist einer dieser schnulzigen Liedtexte, die typisch für die Boyband US5 waren. Es ist Musik wie diese, die ich als Teenager rauf und runter gehört habe. Wenn ich heute darauf zurückblicke bin ich entsetzt. Entsetzt über den unfassbar unterirdischen Musikgeschmack, den ich zu dieser Zeit hatte.
Es ist nicht so, dass ich mittlerweile einen besonders guten Geschmack in Sachen Musik hätte. Ich kann mich ja nicht einmal auf ein bestimmtes Genre festlegen, sondern höre querbeet so ziemlich alles. „Aber US5, ernsthaft?“, muss ich da mein inneres Ich zu Recht zur Rede stellen. Irgendetwas muss mich wohl dazu bewogen haben, die fünf Jungs „cool“zu finden. Wobei das noch untertrieben ist: Ich war geradezu vernarrt, habe jeden winzigen Schnipsel und jedes Poster aus Jugendzeitschriften wie der „Bravo“gesammelt. „Am süßesten“fand ich, wie soll es auch anders sein, den Milchbubi mit dem extremsten zahnpastaweißen Grinsen: Richie Stringini.
Und so schwamm ich also eine Etappe der Erfolgswelle mit. Ganz so „unerfolgreich“war die Boyband zur damaligen Zeit ja nicht. Songs wie „Come Back to Me Baby“oder ihre Debüt-Single „Maria“schafften Platzierungen in den Top fünf der deutschen Charts. Das 2005 erschienene Album „Here We Go“erreichte Gold- und Platin-Status. Augenscheinlich war ich also nicht der einzige US5-verrückte Teenie. Doch der Erfolg hielt – genau wie meine Pubertät – nicht ewig an: 2009 lösten sich die Band auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits raus aus dem Teenie-Alter, mein Interesse an dieser Meldung hielt sich dementsprechend in Grenzen. Erst später - um genau zu sein bei der Recherche zu diesem Beitrag - erfuhr ich, dass die Auflösung für meinen damaligen „Liebling“Richie wohl ein harter Schlag war: Mehrmals musste er sich seitdem einem Alkohol- und Drogenentzug unterziehen. Gut, dass ich davon als 13-Jährige noch nichts ahnte. Es hätte mein Weltbild zerstört.