Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Sagans Tigersprung
Der Slowake schnappt dem Norweger Kristof den Sieg in Bern weg – Degenkolb Vierter
BERN (dpa/SID) - John Degenkolb und Tony Martin kämpften wie die Löwen, doch am Ende konnten auch sie die Tour-Krise der deutschen Radprofis nicht beenden: Beim dritten Tagessieg von Weltmeister Peter Sagan auf der 16. Etappe der Frankreich-Rundfahrt mit Ziel in Bern blieb Martins waghalsige Flucht über mehr als 170 Kilometer ohne Happy End, Degenkolb wurde im Sprint um den Sieg Vierter.
„Das war eine Riesenchance, deshalb bin ich extrem enttäuscht, dass es nur der vierte Platz geworden ist“, sagte Degenkolb, der sich Anfang Februar bei einem Trainingsunfall so schwer verletzt hatte. „Es geht wieder viel besser, ich kann wieder ganz vorne mithalten.“
Der 27 Jahre alte Degenkolb versuchte im knüppelharten Finale auf der ansteigenden Zielgeraden alles. Im Finale fehlte dem Geraer, das entscheidende Quäntchen. „Die Beine hätte ich gehabt, um durchzuziehen, aber es fehlte noch das Selbstvertrauen“, sagte Degenkolb.
Weltmeister Sagan spielte erneut seine ganze Cleverness aus. Als der Norweger Alexander Kristoff schon wie der sichere Sieger aussah und schon jubelnd die Faust zeigte, riss der Slowake noch mit einem „Tigersprung“sein Rad nach vorne und lag auf dem Zielfoto einen Hauch vor Kristoff. „Ich bin sehr stolz auf mein Team. Zuletzt habe ich um so wenig verloren, jetzt um so wenig gewonnen. Das ist Schicksal“, sagte Sagan, dem das Grüne Trikot des Punktbesten kaum noch zu nehmen ist – es wäre der fünfte Erfolg des Slowaken in dieser Wertung in Serie.
Marcel Kittel hatte rund 25 Kilometer vor dem Ziel den Anschluss verloren, sein Sprintrivale Andre Greipel war auf der Zielgeraden ebenfalls nicht mehr zu sehen. In der Gesamtwertung gab es keine gravierenden Veränderungen, es führt weiter der Brite Chris Froome 1:47 Minuten vor dem Niederländer Bauke Mollema und 2:45 Minuten vor seinem Landsmann Adam Yates. Der kolumbianische Mitfavorit Nairo Quintana liegt 2:59 Minuten zurück auf dem vierten Rang.
Der dreimalige Zeitfahrweltmeister Martin hatte früh sein Glück in der Flucht gesucht und sich nach nicht einmal 15 Kilometern in einer Zweiergruppe mit seinem französischen Quick-Step-Kollegen Julian Alaphilippe abgesetzt. Der tempoharte Martin fuhr fast über die komplette Flucht hinweg als Lokomotive für seinen Teamkollegen, der wohl für den ersten Etappensieg eines Franzosen bei der laufenden Tour sorgen sollte. Doch auch Alaphilippe fehlte die Frische. 25 Kilometer vor dem Ziel fiel der Franzose zurück, kurz darauf war es auch um Martin geschehen.
Der große Schweizer Fabian Cancellara, der zum Saisonende seine Karriere beendet, konnte nahe seiner Heimatstadt Bern nicht den ersehnten Coup landen und wurde Sechster. „Wenn eine Etappe des größten Rennens der Welt nur vier Kilometer an deiner Haustür vorbeiführt, dann ist das selbstverständlich ganz speziell“, hatte Cancellara gesagt.
Nach der ersehnten Ruhepause steuert die Tour de France 2016 auf ihre Entscheidung zu. Schon die 17. Etappe am Mittwoch mit der Bergankunft auf 1960 Meter Höhe in Finhaut-Emosson bietet die nächste Chance zur Attacke auf Christopher Froome – oder dem britischen Dominator die Gelegenheit, im Kampf um Gelb fast schon uneinholbar davonzuziehen.