Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
SPD-Kandidat will als Kanzler zuerst für Lohngerechtigkeit kämpfen
Martin Schulz konkretisiert in einem Interview seine Pläne für die ersten 100 Tage im Amt – Union zweifelt Wirtschaftskompetenz an
BERLIN - Martin Schulz kommt aus der Deckung, konkretisiert seine Pläne für die ersten 100 Tage im Amt, sollte er am 24. September zum neuen Bundeskanzler gewählt werden. „Ich würde zwei Sachen unmittelbar anpacken“, kündigte Schulz in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“an: „Das klare Bekenntnis zur Stärkung der Europäischen Union und die Abschaffung einer der größten Ungerechtigkeiten: Dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer.“
Der SPD-Kanzlerkandidat will den Vorwurf entkräften, er bediene oder schüre gar das Ungerechtigkeitsgefühl in der Gesellschaft, ohne konkrete Pläne zu präsentieren. Nun liefert der neue Parteichef und Merkel-Herausforderer zumindest etwas mehr Klarheit und verspricht Wohltaten für diejenigen, die nicht viel verdienen. Er will sich „um das Leben der ganz normalen Leute kümmern“.
Die CDU hält dagegen: „Wir reden nicht nur über das Verteilen, sondern vor allem auch über das Erwirtschaften. Denn eine erfolgreiche, wettbewerbsfähige Wirtschaft ist die beste Grundlage für einen starken Sozialstaat“, zog am Sonntag CDU-Generalsekretär Peter Tauber im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“Schulz‘ wirtschaftlichen Sachverstand in Zweifel. „Der Unterschied zwischen Kandidat Schulz und der Union ist sehr klar: Wir wollen weiter in die Zukunft investieren, aber auch denen etwas zurückgeben, die durch ihre harte Arbeit dazu beitragen, dass Deutschland so gut dasteht.“
Aber was genau plant Schulz? Das Gesetz zur Lohntransparenz, das in dieser Woche vom Bundestag verabschiedet werden soll, „reicht nicht“, sagt der Hoffnungsträger der Genossen. Ein Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit stellt er in Aussicht, um Frauen aus der „Teilzeitfalle“zu befreien.
Geld für Bildung
Managergehälter sollen gedeckelt werden. Für kostenlose Kita-Plätze will er sorgen und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsschulen durchsetzen. Und bei Steuersenkungen tritt er auf die Bremse: Viele Geringverdiener hätten davon nichts, denn die zahlten oft kaum Lohnsteuer. „Denen hilft es viel mehr, wenn KitaGebühren wegfallen. Deshalb stecken wir das Geld lieber in Bildung und Infrastruktur“, kündigte der Kanzlerkandidat an.
Der SPD-Chef setzt damit die Union unter Druck. Lohngleichheit, Rückkehr aus Teilzeit und die Deckelung von Managergehältern: Das alles sind Themen, die noch von der Großen Koalition vor der Wahl unter Dach und Fach gebracht werden könnten, zum Teil beim Koalitionsausschuss am Mittwochabend auf der Tagesordnung stehen, an dem Schulz nun doch selbst teilnehmen wird.
Beim Thema Lohntransparenz zieht die Union selbst nicht an einem Strang. Während Frauen-Union und Unionsarbeitnehmerflügel dafür sind, gehen dem Wirtschaftsflügel die Pläne zu weit, schon kleinere Firmen zur Auskunftspflicht zu zwingen. „Für Betriebe ab 500 Mitarbeitern können wir das machen, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs am Sonntag der „Schwäbischen Zeitung“. „Ich kann ja verstehen, dass Herr Schulz von dem Vertrag keine Ahnung hat. Aber an die Koalitionsabsprachen sollte er sich schon halten.“