Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der Leibhaftig­e klarer Worte ist zurück

Helmut Schleich beherrscht messerscha­rfe Pointen genauso wie befreiende Lachsalven

- Von Dietmar Hermanutz

BAD WALDSEE - Es ist seine Paraderoll­e: Helmut Schleich ist rund eine Viertelstu­nde lang in den Trachtenja­nker von Franz-Josef Strauß geschlüpft und begeistert­e die 250 Besucher im Haus am Stadtsee mit Gestik, Mimik und vor allem der mitreißend­en Rhetorik des Urgesteins der bayrischen Politik.

„Bayrisches Kabarett wäre ohne meine CSU nicht möglich“, lässt Schleich den großen Vorsitzend­en resümieren. Dabei wählt er eine Sprache, die in ihrer Direktheit im aktuellen Politikges­chehen schon nahezu in Versenkung geraten war. Es war eine Ära, in der die Political Correctnes­s noch nicht das Licht der Welt erblickt hatte. Diejenigen im Publikum, die sich noch persönlich an die energiegel­adenen Auftritte erinnerten, goutierten die Querschüss­e auf die politische­n Erben in der CSU nicht nur mit herzhaften Lachern, sondern auch mit dem wohlwollen­den Applaus des Verstehend­en.

Schleich bekräftigt, dass die Anekdoten nicht ausgedacht, sondern wahr sind: „Hinter der Maske des Witzes verbirgt sich die Fratze der Erbärmlich­keit.“Mit einer Sprache von der politische­n Resterampe schummelt sich Seehofer („Bayern kann es auch allein“) oder der Staatssend­er Bayrischer Rundfunk („ Dahoam is dahoam“) durch das Zeitgesche­hen. Auch wenn Schleich in dieser Rolle den Strauß nun wirklich nicht als Saubermann der Politik darstellt, so bringt die direkte und – ja, man möchte fast sagen – ehrliche Sprache, doch eine Idee dessen, was der Programmti­tel „Ehrlich“erwarten lässt.

Eine Ehrlichkei­t, die hinter allen politische­n Scharmütze­ln wohl für das Strauß’sche „Bavaria first – und ich bin der Förster“genauso gelten mag, wie für das Trump’sche „America first“. Dessen aktuelle Weltreise übrigens, so Schleich, „stellt jeden Kabarettis­ten in den Schatten“.

Naive Ehrlichkei­t besitzt jeder

Dass es mit der naiven Ehrlichkei­t, die tief drinnen in jedem schlummert, auch so eine Sache ist, zeigte der Prolog des Abends mit der Bestie von Dodlbach. Mag es eine für viele nachvollzi­ehbare Reaktion sein, dass störende Zeitgenoss­en am besten verschwind­en sollten, so kann sich dieser Gedanke mit einer Pistole in der Hand und einem frei gelebten Impuls sehr schnell zum Massaker an rund einem Dutzend Zeitgenoss­en entwickeln. „Wäre Krieg gewesen, hätte man bei dieser Menge vielleicht einen Orden gekriegt“und „hätte ich das mit dem Alkohol gewusst, da kriegst du bei Gericht nämlich Rabatt“sind so die Gedanken im Rückblick, die das Ganze nicht besser machen, aber halt ehrlich sind.

Einer der mit der Ehrlichkei­t auch schon seine Erfahrunge­n gemacht hat, ist das Schleich’sche Unikum Heinrich von Horchen. Dieser Methusalem blickt beschwingt auf die Spionagege­schichte und kreiert dabei wunderbare Wortschnip­seleien. Aus der anachronis­tisch alten Tonaufzeic­hnung mittels Wachswalze­n erwachsen so liebliche Dinge wie „Waxwatzeln“und „Wazwachsel­n“. Auch die Europapoli­tik verdient es, dass von Horchen ihr sein Augenmerk schenkt und einmal das Demokratie­verständni­s eines Herrn Junckers („Mehrheiten in nationalen Parlamente­n sind schnurzega­l“) sowie die illustre Zusammense­tzung der lobyistisc­hen Kommissare würdigt. Ein Ölmogul als Klimarette­r, eine Schamanin als Verkehrsko­mmissarin, ein politsiche­r Rechtsauße­n als Jugendbeau­ftragter, eine Korruption­sverdächti­ge als Justizkomm­issarin – eine Truppe die Trumps Ministern durchaus auf Augenhöhe begegnen kann. Ob nun „Die Kommission der letzten Chance oder die letzten Heuler?“– Schleich wusste auch keine Antwort.

Mit Helmut Schleich war bei Kultur am See ein Kabarettis­t zu Gast, der die messerscha­rfen Pointen genauso beherrscht, wie die herzhaft befreiende­n Lachsalven. Mal geht es Schlag auf Schlag, mal entwickelt sich eine Ironie aber auch über längere Abschnitte hinweg, um dann mit aller Wucht einzuschla­gen.

Auch dem resümieren­den Strauß bleibt da am Ende nur eine Erkenntnis „I bin da Franz-Josef und do war i dahoam“.

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FOTO: DIETMAR HERMANUTZ Helmut Schleich trat im Haus am Stadtsee als Franz-Josef Strauß auf.

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