Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Leibhaftige klarer Worte ist zurück
Helmut Schleich beherrscht messerscharfe Pointen genauso wie befreiende Lachsalven
BAD WALDSEE - Es ist seine Paraderolle: Helmut Schleich ist rund eine Viertelstunde lang in den Trachtenjanker von Franz-Josef Strauß geschlüpft und begeisterte die 250 Besucher im Haus am Stadtsee mit Gestik, Mimik und vor allem der mitreißenden Rhetorik des Urgesteins der bayrischen Politik.
„Bayrisches Kabarett wäre ohne meine CSU nicht möglich“, lässt Schleich den großen Vorsitzenden resümieren. Dabei wählt er eine Sprache, die in ihrer Direktheit im aktuellen Politikgeschehen schon nahezu in Versenkung geraten war. Es war eine Ära, in der die Political Correctness noch nicht das Licht der Welt erblickt hatte. Diejenigen im Publikum, die sich noch persönlich an die energiegeladenen Auftritte erinnerten, goutierten die Querschüsse auf die politischen Erben in der CSU nicht nur mit herzhaften Lachern, sondern auch mit dem wohlwollenden Applaus des Verstehenden.
Schleich bekräftigt, dass die Anekdoten nicht ausgedacht, sondern wahr sind: „Hinter der Maske des Witzes verbirgt sich die Fratze der Erbärmlichkeit.“Mit einer Sprache von der politischen Resterampe schummelt sich Seehofer („Bayern kann es auch allein“) oder der Staatssender Bayrischer Rundfunk („ Dahoam is dahoam“) durch das Zeitgeschehen. Auch wenn Schleich in dieser Rolle den Strauß nun wirklich nicht als Saubermann der Politik darstellt, so bringt die direkte und – ja, man möchte fast sagen – ehrliche Sprache, doch eine Idee dessen, was der Programmtitel „Ehrlich“erwarten lässt.
Eine Ehrlichkeit, die hinter allen politischen Scharmützeln wohl für das Strauß’sche „Bavaria first – und ich bin der Förster“genauso gelten mag, wie für das Trump’sche „America first“. Dessen aktuelle Weltreise übrigens, so Schleich, „stellt jeden Kabarettisten in den Schatten“.
Naive Ehrlichkeit besitzt jeder
Dass es mit der naiven Ehrlichkeit, die tief drinnen in jedem schlummert, auch so eine Sache ist, zeigte der Prolog des Abends mit der Bestie von Dodlbach. Mag es eine für viele nachvollziehbare Reaktion sein, dass störende Zeitgenossen am besten verschwinden sollten, so kann sich dieser Gedanke mit einer Pistole in der Hand und einem frei gelebten Impuls sehr schnell zum Massaker an rund einem Dutzend Zeitgenossen entwickeln. „Wäre Krieg gewesen, hätte man bei dieser Menge vielleicht einen Orden gekriegt“und „hätte ich das mit dem Alkohol gewusst, da kriegst du bei Gericht nämlich Rabatt“sind so die Gedanken im Rückblick, die das Ganze nicht besser machen, aber halt ehrlich sind.
Einer der mit der Ehrlichkeit auch schon seine Erfahrungen gemacht hat, ist das Schleich’sche Unikum Heinrich von Horchen. Dieser Methusalem blickt beschwingt auf die Spionagegeschichte und kreiert dabei wunderbare Wortschnipseleien. Aus der anachronistisch alten Tonaufzeichnung mittels Wachswalzen erwachsen so liebliche Dinge wie „Waxwatzeln“und „Wazwachseln“. Auch die Europapolitik verdient es, dass von Horchen ihr sein Augenmerk schenkt und einmal das Demokratieverständnis eines Herrn Junckers („Mehrheiten in nationalen Parlamenten sind schnurzegal“) sowie die illustre Zusammensetzung der lobyistischen Kommissare würdigt. Ein Ölmogul als Klimaretter, eine Schamanin als Verkehrskommissarin, ein politsicher Rechtsaußen als Jugendbeauftragter, eine Korruptionsverdächtige als Justizkommissarin – eine Truppe die Trumps Ministern durchaus auf Augenhöhe begegnen kann. Ob nun „Die Kommission der letzten Chance oder die letzten Heuler?“– Schleich wusste auch keine Antwort.
Mit Helmut Schleich war bei Kultur am See ein Kabarettist zu Gast, der die messerscharfen Pointen genauso beherrscht, wie die herzhaft befreienden Lachsalven. Mal geht es Schlag auf Schlag, mal entwickelt sich eine Ironie aber auch über längere Abschnitte hinweg, um dann mit aller Wucht einzuschlagen.
Auch dem resümierenden Strauß bleibt da am Ende nur eine Erkenntnis „I bin da Franz-Josef und do war i dahoam“.