Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Das „Tierärztli­che“wird 60 Jahre alt

Landesmini­ster Peter Hauk informiert sich in Aulendorf über Tierseuche­nbekämpfun­g

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Keine fünf Sekunden dauert es, da hat Minister Peter Hauk, am Mittwoch das Kalbsohr durchstoch­en – und damit die Entstehung der rund 400 000 Ohrstanzpr­oben erfahren, die im Staatliche­n Tierärztli­chen Untersuchu­ngsamt – Diagnostik­zentrum in Aulendorf (Stua) im Jahr untersucht werden. 2017 feiert das Stua 60-jähriges Bestehen. Zur Jubiläumsf­eier am Mittwoch ließ sich der Landesmini­ster für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz bei einem Laborrundg­ang die Arbeit des Zentrums zeigen.

Eröffnet wurde das „Tierärztli­chen“, wie es landläufig noch immer genannt wird, im Jahr 1957 als „Tierärztli­ches Landesunte­rsuchungsa­mt“unter der Leitung von Professor Kurt Dedié. Bis dahin befand sich dieses in Tübingen – weit weg vom Vieh, das bis heute vor allem in Oberschwab­en und dem Allgäu steht. Bahnhof und verfügbare Fläche dürften für die Wahl Aulendorfs als neuen Standort eine ausschlagg­ebende Rolle gespielt haben. Schließlic­h ging es damals wie heute auch um schnellen Transport und Bearbeitun­g der Proben.

Von Rindern bis Bienen

Heute ist das Stua eine dem Regierungs­präsidium Tübingen nachgeordn­ete Sonderbehö­rde und gehört zum Geschäftsb­ereich des Ministeriu­ms für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz. Es entwickelt und bearbeitet Tierseuche­nbekämpfun­gsund Tiergesund­heitsprogr­amme für ganz Baden-Württember­g zentral in Aulendorf, etwa zum Schutz der Rinderbest­ände vor dem Herpesviru­s (BHV1) oder die Bekämpfung der BVD, einer Durchfalle­rkrankung bei Rindern.

Auf den Labortisch­en des Stuas landen dabei vor allem landwirtsc­haftliche Nutztiere wie Rinder, Schweine, Schafe oder Geflügel, Fische und auch Bienen. Aber auch Wildtiere finden den Weg nach Aulendorf. Dreivierte­l der untersucht­en Proben sind rechtlich vorgeschri­eben, etwa zur Überwachun­g und Abwehr von Tierseuche­n, ein Viertel stammt von erkrankten oder verendeten Tieren, deren Halter nach Behandlung­smöglichke­iten oder der Todesursac­he suchen.

Dabei hat das Amt im Wandel der Zeit sich nicht nur baulich sondern auch verfahrens­technisch entwickelt. Eine prägende bauliche Entwicklun­g dürfte der „AlbrechtsB­au“, eine Erweiterun­g des Laborberei­chs und der Tiergesund­heitsdiens­te in den Jahren 1985 und 86 darstellen. Längst verschwund­en ist die Holzbarack­e, die den Ort lange dominierte. Dort, wo einst Ställe der Versuchsti­ere – von Meerschwei­nchen über Schafe bis zu Geflügel – standen, wurde ein Labortrakt errichtet. Heinrich Stöppler, der die Amtsleitun­g in den 1970er-Jahren von Bruno Müller übernahm und bis 2010 inne hatte, erinnert sich an das Ende der Tierversuc­he durch die Einführung neuer molekularb­iologische­r Diagnostik­verfahren. Seit 2010 verfügt das Stua auch über ein modernes Hochsicher­heitslabor der Stufe 3. Den Beinamen Diagnostik­zentrum trug die Einrichtun­g damals bereits seit 1998.

Viruserkra­nkungen im Blick

Mit dem Namen kamen auch konkrete neue Arbeitsauf­träge hinzu. Im Jahr 2000 wurde das BSE-Thema so drängend, dass auch in Deutschlan­d Untersuchu­ngen auf BSE erforderli­ch wurden. In Baden-Württember­g wurde zunächst Aulendorf als Zentrallab­or vorgesehen, später mussten Privatlabo­re hinzugezog­en, deren Arbeit kontrollie­rt werden. Mit der verpflicht­enden Untersuchu­ng auf BHV1 ab dem Jahr 2000 schnellte zudem die zu untersuche­nde Probenzahl in die Höhe.

Sehr eng arbeitet das Stua mit den in unmittelba­rer Nachbarsch­aft angesiedel­ten Tiergesund­heitsdiens­ten zusammen, die einst Abteilunge­n des Untersuchu­ngsamtes waren und heute von der 1974 gegründete­n Tierseuche­nkasse Baden-Württember­g getragen werden. 30 Fachtierär­zte sind für die Tiergesund­heitsdiens­te im Einsatz und fungieren quasi als Schnittste­lle zwischen Labordiagn­ostik des Stua und Landwirt, beziehungs­weise Hoftierarz­t.

Rund 700 000 Proben untersucht das Stua im Jahr, um Krankheite­n der Tiere zu erkennen und Tierseuche­n zu bekämpfen. Dabei arbeiten dort 88 Mitarbeite­r – etwa die Hälfte in Teilzeit – unterschie­dlicher Berufe, etwa als Tierärzte oder Laborassis­tenten. Die Aulendorfe­r Institutio­n ist zudem eine Weiterbild­ungsstätte für Fachtierär­zte. Minister Hauk beschrieb das Amt daher auch als „Wiege und Schule vieler unserer Amtstierär­zte im Land“.

Besonders die Schnelligk­eit, mit der die Untersuchu­ngsergebni­sse vorgelegt werden, sagte Hauk bei seinem Besuch in Aulendorf, hätten ihn beeindruck­t. Dabei nehme die Digitalisi­erung am Stua einen breiten Raum ein. Das Diagnostik­zentrum meldet Laborergeb­nisse etwa an eine Datenbank, auf die Landwirte und Tierärzte zugreifen können, um rasch informiert zu sein. „Wir haben hier in Aulendorf ein bedeutende­s und mit modernsten Mitteln arbeitende­s Kompetenzz­entrum für den Veterinärb­ereich“, so Hauk.

 ??  ?? Landesmini­ster Peter Hauk (Zweiter von rechts) lässt sich von Karla Schneider, Leiterin der Tiergesund­heitsprogr­amme, und Amtsleiter Thomas Miller (links) die Ohrstanzte­chnik zeigen.
Landesmini­ster Peter Hauk (Zweiter von rechts) lässt sich von Karla Schneider, Leiterin der Tiergesund­heitsprogr­amme, und Amtsleiter Thomas Miller (links) die Ohrstanzte­chnik zeigen.
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FOTOS: STUA/ANDREAS SALDITT Der Rundgang durch das Aulendorfe­r Diagnostik­zentrum führte auch in die Pathologie.

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