Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Sechstligisten im Dauerstress
Dorfmerkingen und Rielasingen sind bereit für ihre Kracher-Partien im DFB-Pokal
FREIBURG/AALEN (sz/dpa/SID) Torwart Christian Zech beendete seine Flitterwochen gerade noch rechtzeitig, einige seiner Mitspieler verschoben ihren Urlaub: Wenn am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) Vizemeister RB Leipzig im DFB-Pokal bei den Sportfreunden Dorfmerkingen gastiert, will sich das Spektakel niemand entgehen lassen. „Die bringen unheimliche Opfer, es ist erstaunlich, was sie leisten“, sagte der ehemalige Bundesliga-Profi und SportfreundeTrainer Helmut Dietterle über seine Feierabend-Kicker. Sechsmal in der Woche kommen die Amateure, die in ihren Hauptberufen Studenten, Lehrer oder Informatiker sind, in dem 1000-Einwohner-Dorf zusammen, um sich auf das Highlight ihrer Karriere vorzubereiten.
Allgemein bedeutet die Premiere im DFB-Pokal vor allem viel Arbeit – nicht nur bei den Sportfreunden, sondern auch bei einem anderen Sechstligisten: dem 1. FC Rielasingen-Arlen, der am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf Titelverteidiger Borussia Dortmund trifft. Und seitdem beide Partien ausgelost wurden, fahren die Macher der Verbandsligisten aus Baden-Württemberg Zusatzschichten. „Ich bin Gesamtorganisator und mache quasi rund um die Uhr alles“, erläutert Josef Schill vor dem Duell mit dem sächsischen Champions-League-Teilnehmer. Oliver Ley, vorübergehend zum Pressesprecher der Rielasinger bestellt, formuliert es so: „Jetzt ist gerade Hochfrequenz. Sechs, sieben Stunden täglich zusätzlich zum normalen Job. 16, 17 Stunden kann ich nicht jeden Tag leisten.“Für den Chef zweier Autohäuser ist klar: „Wir sind froh, wenn es mal wieder normal wird. Aber das ist ein einmaliges Event, so muss man das sehen.“
Zudem besteht die Hoffnung auf unerwartete Einnahmen. Beide Clubs freuen sich trotz des Aufwands wahnsinnig auf ihre Pflichtspiele, die aufgrund des immensen Interesses in Aalen und Freiburg ausgetragen werden. Dorfmerkingens Cheforganisator Schill tippt für Sonntag, wenn der Pokalsieger des Württembergischen Fußballverbands und Aufsteiger aus der Landesliga in der Aalener Ostalb-Arena aufläuft: 1:0. „Ich kann ja nicht anders.“
An eine Sensation glaubt in Rielasingen, im 12 000-Seelen-Örtchen unweit der Schweizer Grenze, kaum jemand. Allzu forsche Ansagen verlauten deshalb nicht – der Champions-League-Teilnehmer aus dem Ruhrpott mit seinen Starspielern ist dann doch eine Nummer zu groß für die Kicker aus der Verbandsliga Südbaden. Aber darum geht es auch gar nicht. „Durch dieses Spiel“, mutmaßt Rielasingens 2. Vorstand Erwin Gräble, „wird unser Verein europaweit bekannt.“„Das ist ein Jahrhundertspiel für uns, für den ein oder anderen auch ein Lebensspiel“, sagt Ley, der kein Träumer sein will. „Jeder Realist weiß, dass sechs Ligen Unterschied was ausmachen. Früher gab’s die Faustregel: pro Liga zwei Tore.“
Für die Partie am Samstag wäre er deshalb glücklich, wenn das Team eine gute Leistung zeigt, „wenn wir unter sieben (Gegentreffer) nach Hause gehen und vielleicht sogar ein Tor schießen könnten“. Und Unterstützung ist gewiss: „25 oder 30 Busse werden nach Freiburg rollen“, sagt Bürgermeister Ralf Baumert. Im Schwarzwald-Stadion wird gespielt, weil Dortmund „ganz andere Massen anzieht“und selbst das Stadion im benachbarten Singen keine wirkliche Alternative war.
Pokal-Klau nervt nur noch
Die Verantwortlichen aus Dorfmerkingen hatten bis vor Kurzem zudem noch ganz andere Sorgen. Der Club hatte beim Feiern auf Mallorca die Trophäe für den Sieg im wfv-Pokalfinale verloren und war so überregional bekannt geworden. Wenige Tage später fand der Pokal jedoch den Weg zurück. Trainer Dietterle will von dieser Anekdote so langsam allerdings nichts mehr wissen: „Ich weiß, für die Medien ist das eine lustige Geschichte, vielleicht ein Foto von diesem Pott zu machen – aber ich kann es auch nicht mehr hören. Bei uns ist das längst kein Thema mehr“, so der 66-Jährige. So weiß er auch nicht, ob die Trophäe den Weg nach Aalen finden wird. Für den Pokalsieger wird das Duell mit Leipzig bei einer Niederlage zudem für lange Zeit das letzte DFB-Pokalspiel und deswegen noch bedeutsamer sein, als es ohnehin schon ist. Denn in der ersten Runde des neuen wfv-Pokals gab es jüngst ein 0:3 gegen den SGV Freiberg. Zusatzschichten in einem Jahr sind also fast ausgeschlossen.
Doch kämpfen wollen die Mannen, genauso wie die Rielasinger, allemal. „Wir haben auch eine Verantwortung der Region gegenüber“, sagte FC-Trainer Jürgen Rittenauer. Primäres Ziel aber sei es, „den Tag zu genießen“. Denn so ein Spiel gegen den BVB, meint Zeugwart und Schalke-Fan Uwe Schwarzer, „wird für das ganze Umfeld unvergesslich bleiben“.