Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Alberne Slogans, vage Wünsche
Schon zu Beginn der Brexit-Verhandlungen stand eines fest: Substanzielle Fortschritte kann es erst geben, wenn Deutschland, das größte EU-Land, seine Bundestagswahl hinter sich gebracht hat. Denn bei allem Respekt vor dem gewachsenen Einfluss der EU-Institutionen, wirklich wichtige Entscheidungen werden noch immer von den Staatsund Regierungschefs der Mitgliedsländer getroffen. Dabei fällt Berlin eine entscheidende Rolle zu. Insofern war es wenig überraschend, dass auch die jüngste Gesprächsrunde der Unterhändler in Brüssel keine konkreten Ergebnisse erbrachte.
Deprimierend muß auch stimmen, wie wenig Konkretes die Briten bisher auf den Verhandlungstisch gelegt haben. Längst hätte durch ein umfassendes, großzügiges Angebot die Lage der gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel geklärt werden können. Beschämend kleingeistig auch die Weigerung, eindeutig die bestehenden Finanzverpflichtungen anzuerkennen. Vierzehn Monate nach dem knapp ausgegangenen Referendum kommen aus London noch immer nicht viel mehr als alberne Slogans und vage formulierte Wunschvorstellungen.
Tag für Tag büßt die sechstgrößte Industrienation der Welt wieder ein Stückchen von ihrem noch vorhandenen Prestige ein. Das liegt an der ratlosen Elite, die nicht weiß, wie sie den Willen der 51,9 Prozent BrexitBefürworter umsetzen soll. Alle Vernunft spricht dafür, möglichst wenige der engen Verflechtungen zum größten Binnenmarkt der Welt zu durchschlagen. Premierministerin Theresa May hingegen hat unter dem Druck fanatischer EU-Feinde monatelang den harten Brexit gepredigt. Diesem Weg hat die Wählerschaft im Juni eine Absage erteilt.
Intelligentere Konservative wie Brexit-Minister David Davis und der Finanz-Ressortchef Philip Hammond basteln dagegen an mehrjährigen Übergangsfristen, um die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals vor Schaden zu bewahren. Noch ist nicht ausgemacht, ob die Hardliner in der Regierungspartei solch pragmatischer Lösung zustimmen werden. Europa sollte den Realisten im Kabinett die Daumen drücken.