Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit Schmerzen auf der Warteliste
Schulen für Physiotherapeuten droht Geldnot – Mangel an Fachkräften befürchtet
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STUTTGART - Auf Termine beim Physiotherapeuten warten Patienten oft wochenlang. Nun schlagen die Therapeuten-Schulen Alarm. Sie bangen um ihre Finanzierung. Grund ist das neue Privatschulgesetz, das am Dienstag im Landtag beschlossen werden soll. Es könnte dazu führen, dass Schulen schließen und es künftig noch weniger Therapeuten gibt.
Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs hatte die grünschwarze Koalition die Finanzierung privater Schulen neu geregelt. Demnach bekommen sie mehr Zuschüsse. Erhebt eine Schule kein Schulgeld, erstattet das Land bis zu 90 Prozent der Kosten pro Schüler. Allerdings dürfen die Privaten nicht mehr als 160 Euro Schulgeld pro Monat erheben, wollen sie öffentliche Förderung. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz. Dieses Sonderungsverbot soll dazu beitragen, dass Schüler aus finanzschwachen Familien Zugang zu freien Schulen haben.
Doch die 33 Schulen für Physiotherapeuten im Land laufen gegen das Gesetz Sturm. Sie halten die Zuschüsse, die das Land ihnen überweist, für zu niedrig. Andreas Blindow betreibt in Baden-Württemberg sieben Schulen, unter anderem in Aalen und Friedrichshafen. Bis zu 290 Euro zahlen angehende Physiotherapeuten pro Monat. Blindow hält das hohe Schulgeld für gerechtfertigt. Die Gesundheitsfachschulen unterliegen gesetzlichen Auflagen. Fallen etwa wegen Krankheit oder Feiertag Stunden aus, müssen diese nachgeholt werden. „Wir achten penibel darauf, die Vorgaben einzuhalten, aber bekommen dafür keine ausreichende staatliche Finanzierung“, sagt Blindow.
Große Finanzlücken befürchtet
Sollte der Landtag das Gesetz wie geplant verabschieden, fürchtet er eine erhebliche Finanzierungslücke. Dann dürften seine Schulen nur noch 160 Euro monatlich verlangen, sonst würde ihnen die staatliche Hilfe voraussichtlich gestrichen. Pro Kopf und Monat würden also bis zu 130 Euro fehlen. Solche Defizite seien nur durch Einsparungen bei der Betreuung der Schüler zu erreichen. „Das Land Baden-Württemberg muss sich überlegen, ob es will, dass wir zukünftig die Ausbildungsqualität senken und nur noch halbfertige Therapeuten in die Patientenbetreuung schicken“, sagt Blindow. Wieviel eine Schule pro Schüler bekommt, richtet sich nach Vergleichswerten. Dabei wird die private Einrichtung mit einer öffentlichen Schule desselben Typs verglichen. Die Physio-Akademien sind dabei als „sonstige Berufskollegs“eingruppiert. Damit bekommen sie künftig 80 Prozent jenes Geldes, das ein Schüler an einem Berufskolleg kostet. Aus ihrer Sicht zu Unrecht – weil die gesetzlichen Anforderungen an ihre Arbeit hoch seien und ein Platz dementsprechend teurer sei. Deswegen fordern sie, als eigenständiger Schultyp zu gelten – und mit den staatlichen Therapeutenschulen verglichen zu werden.
Besonders ärgert sich Michael N. Preibsch, Vorstandsvorsitzender des Physiotherapeuten-Verbandes Baden-Württemberg, über Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Dieser hat selbst erkannt, dass die PhysioSchulen zu wenig Geld bekommen. Ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten konstatiert: Pro Schüler und Jahr fallen an staatlichen Physio-Akademien 9250 Euro an. Das Land gibt den Privaten nur knapp 5680 Euro.
Das Ministerium verweist darauf, dass es 2019 rund 4,8 Millionen Euro mehr zahlen wird als noch 2014. Mit dem Wunsch nach noch mehr Geld sei das Ministerium in den Haushaltsverhandlungen nicht durchgedrungen. Außerdem könnten Schulen unter bestimmten Voraussetzungen höheres Schulgeld erheben.
Konflikt in der Regierung
Die CDU, die mit den Grünen gemeinsam regiert, überzeugt das nicht. „Es kann nicht im Interesse des Sozialministers sein, wenn Schulen aus Geldmangel schließen. Deswegen wird sich der Sozialminister hier bewegen müssen“, sagt Sylvia Felder (CDU). Inhaltlich stimmen die Grünen zu. „Um weitere Schritte zu gehen, ist es allerdings sinnvoll, dass wir die Bundesebene in die Verhandlungen einbeziehen“, sagte ihr sozialpolitischer Sprecher Thomas Poreski.
Das dürfte bedeuten, dass im Etat 2018/2019 nicht mehr Geld für die Physio-Schulen vorgesehen wird. Bis eine neue Bundesregierung solche Weichen stellt, ist der Haushalt im Land wohl verabschiedet.
Doch schon heute fehlen Physiotherapeuten. „Im ländlichen Bereich ist die Versorgungssituation besonders besorgniserregend. Wir schlittern in ein Desaster, was die physiotherapeutische Versorgung angeht“, sagt Verbandschef Preibsch. Denn die Privaten bieten 3600 der rund 3700 Ausbildungsplätze im Land.