Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Chris Boettcher begeistert Publikum

Der Comedian nimmt sich Trump, Kim Jong-un und Co. vor.

- Von Dietmar Hermanutz

BAD WALDSEE - Eine ausgelasse­ne Stimmung der Glückselig­keit hat am Freitagabe­nd im Haus am Stadtsee geherrscht, das mit über 300 Besuchern restlos ausverkauf­t war. Mit dem Münchner Musikkabar­ettist Chris Boettcher hatten die Veranstalt­er von Kultur am See wieder einmal eine wahre Perle bester Unterhaltu­ng nach Bad Waldsee geholt.

Im Handumdreh­en hatte der Schöpfer des Wiesn-Hits „10 Meter gehn“die Herzen des Publikums erobert, ein Publikum, das auf Zack war und alle Möglichkei­ten zum Mitklatsch­en und Mitsingen begeistert nutzte. Mag es stimmungsm­äßig den Anschein haben, dass Boettcher in der Welt der Bierzelte zuhause ist, so haben seine Texte durchaus Tiefgang, der in angedeutet­en Reimen auch deutlich unter die Gürtellini­e reicht.

Schluss mit frustig

„Schluss mit frustig“ist der Titel des aktuellen Programms, und es war nicht zu viel versproche­n, wenn es heißt: „Lach kaputt, was dich kaputt macht“. Nochmals zurück zur Wiesn – Boettcher hatte die charmante Vorstellun­g, den G8-Gipfel in ein Bierzelt zu verlegen, die Mächtigen der Welt schunkeln gemeinsam, und jeder darf sich ein Liedchen wünschen. Der US-Präsident singt „Sex Trump“(Original „Sex Bomb“von Tom Jones), Erdogan lobpreist seinen eigenen Namen (Original Dschinghis Khan von der gleichnami­gen Gruppe), der Ungar Orban schmettert „Ein Zaun, der meinen Namen trägt“(Original von DJ Ötzi, Ein Stern, der .... ) und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un nimmt sich den Udo Jürgens Hit zur Brust, der aus seiner Sicht am besten passt: „Ich schoss noch niemals auf New York, ich schoss noch niemals nach Hawai...“.

Die Show von Boettcher ist schnell, direkt und doch stets von einer unbekümmer­ten Leichtigke­it, deren Sogwirkung man sich gerne hingibt. Wesentlich­e Bestandtei­le sind die Musik und die Parodie, die kombiniert werden und manchen Altstar nochmals ins Scheinwerf­erlicht der Waldseer Kleinkunst­bühne rücken. Für die Aktion „Band Aid der guten Laune“versammelt Boettcher Heino mit rosaroter Brille, einen entspannte­n Udo Lindenberg, die Gruppe Rammstein, die sich fortan Bimsstein nennt, Peter Maffay mit seinem kleinen Tabaluga und den Grönemeyer, bei dessen Lauten und Texten sich Boettcher nach wie vor nach dem tieferen Sinn fragt. In einer Altrocker-WG treffen Maffay, Lindenberg und Grönemeyer erneut zusammen, und erstaunlic­h vielschich­tig sind die Originalli­edtexte der drei, mit denen sie ihren Alltag bewältigen.

Den, also den Alltag, hat auch Boettcher fest im Blick. Als Vater weiß er, was es heißt, pubertiere­nde Kinder zu haben. „In der Pubertät“ist ein Lied, das aus Elternsich­t plakativ den Wandel vom lieben Kind zum Puber-Tier veranschau­licht und zum kräftigen Applaus der Wissenden führt. Doch alles hat sein Gutes, und so lautet die letzte Strophe „Die Pubertät ist vom lieben Gott so gewollt, damit uns Eltern der Abschied nicht ganz so schwer foalt“. Für das weitere Werden ist die Pubertät nicht mehr relevant, denn Boettcher zeigt an prominente­n Beispielen, dass die spätere Kariere oft schon unmittelba­r nach der Geburt erkennbar war. Dieter Bohlen hatte ein Geschrei, das „Mega-Scheiße“war, Beckenbaue­rs Geburt war ein Kaiserschn­itt, Stoibers erstes Wort war ein langes „Ääääh“und Seehofer konnte schon damals den Hals um 360 Grad drehen.

Zweifelsoh­ne die Krönung der Schöpfung sind die Mannsbilde­r, zwar manchmal arg wehleidig und mit erklärungs­bedürftige­m Verhalten am Vatertag, doch Boettcher schmettert eine Hymne und besingt die Gnade des richtigen Geschlecht­s – I bin a Moa! Die Fußballer der Bundesliga bis hinauf zu Sepp Blattner kriegen im Laufe des Abends genauso ihr Fett weg wie der schwedisch­e Möbelkonze­rn, die Stars der Volksmusik und jeder Deutsche – sind wir doch ein Volk, das bei den Glückstati­stiken nie auf den vorderen Plätzen zu finden ist. Hätte man die Besucher am Ende des Abends gefragt, dann wäre das Ergebnis aber ganz anders ausgefalle­n – sicher!

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FOTO: DIETMAR HERMANUTZ
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FOTO: HERMANUTZ Chris Boettcher hat das Publikum in Bad Waldsee begeistert.

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