Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wenn der Trainer nicht zum Bob-Test darf
Frage des Materials bringt Unruhe ins deutsche Team – Zwei Anbieter, viel Feinarbeit
●
LAKE PLACID/STUTTGART - Die Stimmung war ziemlich gedrückt im Lager der deutschen Bobfahrer. Zwar beendete Nico Walther das erste Zweier-Rennen in Lake Placid als Sieger, doch tags darauf schaffte er nur Platz neun. Noch enttäuschender verlief der Start in die Olympiasaison für die beiden Vierer-Weltmeister Francesco Friedrich und Johannes Lochner. Friedrich wurde zweimal Neunter, Lochner Zwölfter und Sechster. „Das war, glaube ich, die größte Packung, die wir je bekommen haben. Es ist auf jeden Fall noch ein Haufen Arbeit, wie man sieht“, sagte der für den Bob-Club Stuttgart-Solitude startende Lochner. „Da gibt es in der Einstellung des Materials deutlich Reserven“, beschönigte auch Bundestrainer René Spies nichts. Immerhin hatten sich Änderungen in der Abstimmung zwischen den Wettkämpfen für Lochner positiv ausgewirkt.
Mit einer gehörigen Portion Anspannung ist das deutsche Team jetzt nach Park City übergesiedelt. Auf der Olympiabahn von 2002 stehen am Wochenende zwei Vierer-Wettbewerbe auf dem Programm. Auch da ist das Ergebnis völlig offen. Dabei haben die Piloten am großen Schlitten im Sommer noch mehr getüftelt als am Zweier. Denn der Bob- und Schlitten-Verband Deutschland (BSD) pflegt seit vielen Jahren eine technische Partnerschaft mit dem Automobilhersteller BMW. Friedrich und Lochner waren auch in diesem Jahr mehrere Stunden mit ihren Teams und Bobs im Windkanal. Es ging dabei neben der aerodynamisch optimierten Form der Verkleidung hauptsächlich um die Sitzposition im Vierer.
Eigentlich hätte auch Walther von dieser Partnerschaft profitieren können. Doch im Gegensatz zu Friedrich und Lochner, die auf die Schlitten des Tiroler Bobbauers Johan Wallner vertrauen, nutzt der Oberbärenburger die Bobs des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). Und die staatlich geförderte Einrichtung buchte den Windkanal von VW. Lochner kann’s verstehen: „Die wollten ihre Geheimnisse nicht verraten.“Ein Opfer dieser Geheimhaltung wurde Gerd Leopold. Der gemeinsame Trainer von Friedrich und Walther durfte nicht zum FES-Test.
Solche kleinen Nickligkeiten führen nicht unbedingt dazu, dass das deutsche Team wirklich ein Team ist und in Ruhe arbeitet. Im Gespräch mit den Piloten fallen häufiger die Begriffe „Industriespionage“und „Existenzangst“. Trotzdem demonstriert Coach Spies Gelassenheit: „Ich bin da relativ entspannt.“
Hinter der Doppelstrategie mit den Bobs der FES und von Wallner steckt die pure Existenzangst des BSD. Bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi waren die deutschen Bobpiloten zum ersten Mal nach 1968 ohne Medaille geblieben. In der Aufarbeitung dieses Desasters traten zwei Defizite zutage: mangelnde Athletik und langsame Schlitten. Am Start haben Friedrich und Lochner keinen Rückstand mehr, die Bobs wurden nur bedingt besser. Deshalb folgte im vergangenen Winter der Vergleich mit dem Wallner-Bob. „Seit die Konkurrenz da ist“, behauptet ein Insider, „arbeitet die FES richtig gut.“
Nach den ernüchternden Ergebnisse vom Wochenende ist noch keine Panik im deutschen Lager ausgebrochen. Gewarnt ist es allerdings. „Es geht ganz schön was ab in der Bahn", sagt Lochner. Trotzdem ist er zuversichtlich, dass das deutsche Trio bis zu den Olympischen Spielen im Februar den Weg in die Erfolgsspur findet. „Der neue Schlitten fährt ohne Feinjustierung genauso schnell wie das Vorjahrsmodell. Nun müssen wir an die Feinabstimmung ran und sie für jede Bahn ausloten“, so Lochner.
Im Olympic Sliding Center in Pyeongchang haben sie in diesem Winter auch schon getestet. „Die Trainingswoche auf der Olympiabahn war die zweitwichtigste Veranstaltung der Saison“, sagt der Bundestrainer. „Die Bahn hat gezeigt, dass sie ihre Tücken hat.“Wie hatte René Spies vor dem Abflug nach Nordamerika gesagt: „Was hier am Ende für Plätze herauskommen, das hat noch nicht die Priorität.“Die liegt ganz allein auf den Olympischen Spielen.